Bereits bei seiner Präsentation auf dem Hamburger Investorentag (HIT) Anfang Februar ließ Arne Dehn, CEO von Stemmer Imaging, keinen Zweifel daran, dass der Spezialist für professionelle Bildverarbeitungstechnologien zurzeit topfit unterwegs ist: „Das Unternehmen ist es gewohnt, zweistellig zu wachsen.“ Die jetzt vorgelegten Eckdaten für 2021 mit einem Umsatzplus von rund 26 Prozent auf 130,1 Mio. Euro sowie einem deutlich überproportionalen Anstieg des EBITDA (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) von 7,2 auf 17,4 Mio. Euro unterstreichen diese Einschätzung. Das leicht angeknackste Chartbild der Stemmer-Aktie hängt also eher an den allgemein labilen Börsen und deutet keine operative Schwäche an. Dennoch sind die Zahlen – zumindest zu einem kleinen Teil – erklärungsbedürftig, da sie vom bisherigen Reporting abweichen. Hintergrund sind geänderte Bilanzierungsregeln für durchgehandelte Standardsoftware Dritter. Für ein stark auch als Distributor tätiges Unternehmen wie Stemmer haben die Anpassungen also durchaus Relevanz – selbst wenn die Effekte am Ende gar nicht so groß sind.
Grundsätzlich geht es darum, dass diese Software-Umsätze in der Gewinn- und Verlustrechnung nicht mehr in voller Höhe, sondern nur noch mit der damit verbundenen Brutto-Marge ausgewiesen werden. Bei Stemmer machte dies 2021 einen Unterschied von 2,2 Mio. Euro aus. Entsprechend wäre die Erlösprognose von bis zu 131 Mio. Euro – zumindest gemessen an der bisherigen Methodik – mit 132,3 Mio. Euro sogar übertroffen worden. Bezogen auf die absolute Höhe des EBITDA ergeben sich keine Veränderungen. Mit der geringfügig niedrigeren Umsatzbasis verschiebt sich allerdings die damit korrespondierende EBITDA-Marge leicht nach oben. Alles kein Drama, zumal sich operativ nichts verändert hat und die jetzt präsentierten Eckdaten sogar etwas oberhalb der eigenen Guidance von bis zu 17 Mio. Euro liegen. Wir erwähnen das an dieser Stelle nur deshalb so ausführlich, weil von dieser Bilanzierungsänderung bislang keine Rede war. Entsprechend geht boersengefluester.de davon aus, dass die Diskussionen mit den Abschlussprüfern ziemlich neu sind.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 100,63 | 108,97 | 118,60 | 103,10 | 130,12 | 155,37 | 146,29 | |
EBITDA1,2 | 6,39 | 6,98 | 10,80 | 7,21 | 17,36 | 28,24 | 26,95 | |
EBITDA-Marge3 | 6,35 | 6,41 | 9,11 | 6,99 | 13,34 | 18,18 | 18,42 | |
EBIT1,4 | 4,15 | 5,52 | -0,58 | -1,55 | 13,43 | 24,34 | 21,86 | |
EBIT-Marge5 | 4,12 | 5,07 | -0,49 | -1,50 | 10,32 | 15,67 | 14,94 | |
Jahresüberschuss1 | 2,94 | 4,38 | -1,40 | -3,32 | 10,45 | 17,97 | 15,73 | |
Netto-Marge6 | 2,92 | 4,02 | -1,18 | -3,22 | 8,03 | 11,57 | 10,75 | |
Cashflow1,7 | 3,35 | 4,94 | 1,95 | 10,88 | 7,97 | 15,90 | 20,31 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,45 | 0,67 | -0,22 | -0,51 | 1,61 | 2,77 | 2,42 | |
Dividende8 | 0,50 | 0,50 | 0,00 | 0,50 | 0,75 | 3,00 | 2,70 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Baker Tilly |
Wichtiger aus Investorensicht ist aber ohnehin der Ausblick für das laufende Jahr – und da bleibt Vorstand Arne Dehn seiner Marschroute treu: Bei einem zweistelligen Umsatzwachstum soll das EBITDA auf mehr als 20 Mio. Euro klettern. Demnach wird Stemmer Imaging an der Börse auf schuldenfreier Basis mit weniger als dem Zehnfachen des für 2022 zu erwartenden EBITDA gehandelt. Wer weiter nach vorn blicken möchte: Bis 2024 will das in Puchheim westlich von München ansässige Unternehmen bei Erlösen von 200 Mio. Euro auf eine EBITDA-Rendite zwischen 12 und 14 Prozent kommen. Im Mittel käme das einem Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von 26 Mio. Euro gleich, was die aktuelle Bewertung nochmals etwas günstiger daherkommen lässt.
Treiber für Stemmer Imaging sind Produkte mit höherer Wertschöpfung sowie zusätzliche Einsatzmöglichkeiten in neuen Branchen. Neben Visualisierungstechniken im TV- und Sportbereich bietet etwa der Bereich Lebensmittelkontrolle enormes Wachstumspotenzial. „Das ist ein super spannender Markt für uns“, sagt Dehn auf dem HIT und betont gleich mehrfach die Skalierbarkeit des eigenen Geschäftsmodells. Den Anteil des Distributionsgeschäfts taxiert er derweil auf noch etwa 40 Prozent. Die Kursziele der Analysten bewegen sich durchweg oberhalb von 50 Euro, so dass es auch von dieser Seite grünes Licht für die im Prime Standard gelistete Aktie gibt.
Und für Anleger, bei denen die Dividende ein wichtiges Kriterium ist, sollte Stemmer zur nächsten Hauptversammlung im Mai 2022 mindestens die im Vorjahr gezahlte Ausschüttung von 0,50 Euro pro Anteilschein parat haben. Ende März, mit der Vorlage des Geschäftsberichts 2021, herrscht dann auch in diesem Punkt Klarheit. Eher chartorientierte Investoren setzen darauf, dass die 200-Tage-Durchschnittslinie als Auffangnetz hält und der Aktienkurs nach dem jüngsten Absacker wieder in den Aufwärtsmodus wechselt.
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