Kapitalmarkttage – oder im Finanzsprech Capital Markets Days (CMD) – von börsennotierten Unternehmen sind normalerweise die perfekte Gelegenheit für Analysten, Investoren und die Finanzpresse, um einmal wirklich tief in eine Gesellschaft einzusteigen. Die Kehrseite der Medaille: Wenn drei Vorstände und vielleicht auch zwei Bereichsleiter ein Update zu einzelnen Geschäften geben und hinterher noch Frage-Antwort-Runde ist, wird so ein CMD schnell zum Zeitfresser. Als Präsenzveranstaltung mit Pause sind drei Stunden da schnell vergangen. Dieselbe Zeit vor dem Bildschirm bei virtuellen Formaten kann sich indes schon ordentlich in die Länge ziehen – und manchmal braucht es ja auch gar nicht die volle Ladung Druckbetankung. Insofern eine prima Idee von Stemmer Imaging, neben dem „normalen“ CMD für Analysten noch eine auf 70 Minuten komprimierte deutschsprachige Online-Variante für die Finanzpresse nachzuschieben.
Boersengefluester.de war mit von der Partie, immerhin haben wir über den Anbieter von Bildverarbeitungstechnologien seit dem IPO Ende Februar 2018 kontinuierlich berichtet. Nicht immer lief dabei alles rund bei Stemmer, was sich schon allein daran zeigt, dass die Aktie noch immer leicht unter dem damaligen Ausgabepreis von 34 Euro notiert. An die Performance von anderen Titeln aus dem Sektor wie Basler oder auch die (mittlerweile delistete) Isra Vision kam Stemmer nie heran. Mit ein Grund dafür ist wohl auch, dass die Gesellschaft – verglichen mit dem reinen Kamerahersteller Basler oder der stark in den Produktionsprozess der Kunden eingebundenen Isra Vision – ein Zwitter ist. So dominiert bei Stemmer Imaging das reine Distributionsgeschäft, also der Weiterverkauf von Produkten Dritter. Der lukrative Lösungsbereich – sprich eigene Software oder anderen Mehrwertdiensten – galt unter Börsianern dagegen lange Zeit eher als Anhängsel.
Eine Einschätzung, die der geänderten Realität längst nicht mehr entspricht. Das gilt übrigens auch, was die Branchenfokussierung auf globale Megatrends angeht. So dürfte eher unbekannt sein, dass der größte Endkunde von Stemmer aus dem Bereich Virtual Reality kommt. Und so drehte sich bei der Präsentation von CEO Arne Dehn auch enorm viel um das Zusammenspiel von Distribution und Solutions sowie die hier noch zu hebenden Potenziale. „Idealerweise werfen beide Bereiche die gleiche Profitabilität ab“, sagt Dehn. Dieser Zustand wird freilich eher die Ausnahme sein, in der Regel hat das Distributionsgeschäft eine um knapp zehn Prozentpunkte niedrigere Bruttomarge. Dabei wächst Stemmer Imaging bei der Distribution von Komponenten ungefähr mit dem Gesamtmarkt um 5 bis 7 Prozent, im Solutions-Bereich ist das avisierte Tempo mit 14 bis 17 Prozent deutlich höher.
Entsprechend hat CEO Dehn das Ende Oktober 2019 erstmals kommunizierte Mittelfristziel von 200 Mio. Euro Umsatz nun auf das Jahr 2024 präzisiert. Die damals zur Erlösvorschau prognostizierte EBITDA-Marge von 10 bis 12 Prozent setzt der Vorstand nun auf eine Bandbreite zwischen 12 und 14 Prozent herauf. In absoluten Zahlen ausgedrückt peilen die Puchheimer bis 2024 damit ein Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von 24 bis 28 Mio. Euro an. Unter Berücksichtigung des aktuellen Netto-Finanzguthabens wäre die Gesellschaft auf dieser Basis mit einem Faktor von etwa 7,5 an der Börse bewertet.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 100,63 | 108,97 | 118,60 | 103,10 | 130,12 | 155,37 | 146,29 | |
EBITDA1,2 | 6,39 | 6,98 | 10,80 | 7,21 | 17,36 | 28,24 | 26,95 | |
EBITDA-Marge3 | 6,35 | 6,41 | 9,11 | 6,99 | 13,34 | 18,18 | 18,42 | |
EBIT1,4 | 4,15 | 5,52 | -0,58 | -1,55 | 13,43 | 24,34 | 21,86 | |
EBIT-Marge5 | 4,12 | 5,07 | -0,49 | -1,50 | 10,32 | 15,67 | 14,94 | |
Jahresüberschuss1 | 2,94 | 4,38 | -1,40 | -3,32 | 10,45 | 17,97 | 15,73 | |
Netto-Marge6 | 2,92 | 4,02 | -1,18 | -3,22 | 8,03 | 11,57 | 10,75 | |
Cashflow1,7 | 3,35 | 4,94 | 1,95 | 10,88 | 7,97 | 15,90 | 20,31 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,45 | 0,67 | -0,22 | -0,51 | 1,61 | 2,77 | 2,42 | |
Dividende8 | 0,50 | 0,50 | 0,00 | 0,50 | 0,75 | 3,00 | 2,70 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Baker Tilly |
Zum Vergleich: Für das laufende Jahr rechnet Dehn damit – trotz der seiner Meinung nach noch bis ins zweite Quartal 2022 reichenden Belastungen aus den globalen Verwerfungen bei den Lieferketten für Elektronikteile – den oberen Bereich der Umsatzspanne von 123 bis 131 Mio. Euro zu touchieren. Die EBITDA-Marge soll bei „knapp unter 12 Prozent“ ankommen, damit also ebenfalls die günstige Variante der kommunizierten Bandbreite von 12,2 bis 15,4 Mio. Euro füllen. Das gerade abgeschlossene dritte Quartal stellt sich dem Vernehmen nach jedenfalls sehr gut da. Demnach wäre das im streng regulierten Börsensegment Prime Standard gelistete Unternehmen auf Basis der 2021er-Zahlen mit dem gut 12fachen des EBITDA bewertet – was isoliert gesehen wiederum eher ambitioniert ist.
Eine Botschaft ist CEO Dehn auf dem Kapitalmarkttag (die gesamte Präsentation haben wir HIER auf unseren Server geladen) dabei ganz wichtig: „Wir versprechen nicht nur, wir liefern auch ab.“ Beim Thema Dividende will sich der Manager derweil nicht so sehr aus dem Fenster lehnen. Im Fokus steht Wachstum. Die zuletzt wieder aufgenommene Ausschüttung von 0,50 Euro je Aktie dürfte aber zumindest stabil sein. Insgesamt gibt Stemmer Imaging derzeit ein sehr rundes Bild ab. Die Strategie ist stimmig und die zuletzt präsentierten Ergebnisse waren durchweg besser als gedacht. So kann es weitergehen für die Aktie.
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