Fast 80 Prozent unter All-Time-High – und das in weniger als drei Jahren und ohne einen einzigen Verlustabschluss. Den Aktienkurs des Dämmstoffspezialisten Steico hat es im Zuge der allgemeinen Bau- und Immobilienkrise heftig erwischt. Zu einem wesentlichen Teil ist die Schmelze sicher gerechtfertigt, zumal Steico zwar stets profitabel geblieben ist, unterm Strich jetzt aber doch signifikant weniger verdient als in den Spitzenjahren 2021 und 2022. Hinzu kommt, dass die Steico-Aktie auf ihren historischen Kurshöhen locker mit dem Faktor 8 auf den Buchwert und einem KGV von knapp unter 40 gehandelt wurde. Zum Vergleich: Bei dem Bauzulieferer Sto waren beide Kennzahlen auf dem Top nicht einmal halb so hoch. Value und Preis waren bei Steico also ungewöhnlich weit auseinandergedriftet. Umso interessanter ein neuerlicher Blick auf den Titel, zumal der Aktienkurs auf den Halbjahresbericht 2024 mit einem Minus von im Tief mehr als 17 Prozent ziemlich gereizt reagiert hat.
Und tatsächlich sind die Zahlen erklärungsbedürftig. Anderseits haben die Analysten von Montega ihre Kaufen-Einschätzung mit Kursziel 42 Euro bekräftigt. So gesehen hat sich das Chance-Risiko-Verhältnis bei Steico eher nochmals verbessert. Woran stört sich gerade also die Börse? Zunächst einmal hat das Unternehmen im ersten Halbjahr 2024 bei leicht verbesserten Umsätzen von 190,76 Mio. Euro das EBIT (Ergebnis vor Zinsen und Steuern) von 16,04 auf 32,05 Mio. Euro unerwartet deutlich gesteigert. Der Haken an der Sache ist allerdings, dass knapp 20 Mio. Euro des Betriebsergebnisses durch Sondereffekte aus einer für Steico vorteilhaften Entwicklung von Währungssicherungsgeschäften – insbesondere für das Verhältnis von Euro zu Zloty – entstanden sind. Für das zweite Halbjahr und auch für 2025 sind ähnliche Extragewinne nicht zu erwarten.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 230,31 | 251,96 | 281,00 | 308,77 | 388,18 | 445,16 | 365,29 | |
EBITDA1,2 | 37,91 | 44,41 | 56,71 | 57,02 | 91,31 | 90,05 | 57,86 | |
EBITDA-Marge3 | 16,46 | 17,63 | 20,18 | 18,47 | 23,52 | 20,23 | 15,84 | |
EBIT1,4 | 22,02 | 24,56 | 32,49 | 33,58 | 67,61 | 65,20 | 30,38 | |
EBIT-Marge5 | 9,56 | 9,75 | 11,56 | 10,88 | 17,42 | 14,65 | 8,32 | |
Jahresüberschuss1 | 15,27 | 16,16 | 22,79 | 25,43 | 48,16 | 47,86 | 16,88 | |
Netto-Marge6 | 6,63 | 6,41 | 8,11 | 8,24 | 12,41 | 10,75 | 4,62 | |
Cashflow1,7 | 25,49 | 40,52 | 43,36 | 42,91 | 85,76 | 65,63 | 51,65 | |
Ergebnis je Aktie8 | 1,08 | 1,15 | 1,62 | 1,81 | 3,42 | 3,40 | 1,18 | |
Dividende8 | 0,21 | 0,25 | 0,25 | 0,30 | 0,40 | 0,40 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Deloitte |
Hinzu kommt, dass sich die Nachfrage aus dem Bausektor zwar stabilisiert, es grundsätzlich aber noch immer Überkapazitäten im Bereich Holzfaserdämmstoffe gibt. On top ist zu beachten, dass ab der zweite Jahreshälfte 2024 mit zusätzlichen Aufwendungen für die zurzeit laufende Inbetriebnahme des neuen Werks im polnischen Gromadka zu rechnen ist. Per saldo rechnet CEO Aiveen Kearney für das Gesamtjahr 2024 nun mit einem weitgehend konstanten Umsatz von rund 365 Mio. Euro sowie einem EBIT zwischen 45 und 50 Mio. Euro. Unter der (in der Praxis freilich unwahrscheinlichen) Annahme, dass Umsatzerlöse und Gesamtleistung in etwa gleich groß sind, lag die vorherige EBIT-Prognose in einer Spanne von etwa 33 bis 40 Mio. Euro. Auch wenn Steico dieses hohe Ergebnisniveau im kommende Jahr kaum wird halten können, insgesamt rechnet boersengefluester.de für 2025 nur mit einer überschaubaren Abschwächung des EBIT.
Beim EBITDA werden die Differenzen von 2025 zu 2024 sogar noch geringer sein, da sich die Abschreibungen um das Werk in Gromadka erhöhen werden. Derzeit kalkulieren wir mit einem EBITDA von etwa 75 Mio. Euro für 2025. Das entspricht auf netto-schuldenfreier Basis einem moderaten Faktor von etwas mehr als 7 auf den Enterprise Value. Nicht minder interessant ist, dass die Aktie derzeit gerade einmal mit einem Aufschlag von 15 Prozent auf den Buchwert gehandelt wird. Verrückte Börse also mal wieder: Bei einem Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) von 8,0 greifen die Investoren beherzt zu, während ein KBV von knapp 1,2 zurzeit als möglicherweise zu hoch eingestuft wird. Für antizyklische Investoren bieten diese Gemengelage aber auch gute Einstiegsgelegenheiten. „Steico zeigt sich im kriselnden Bausektor weiterhin resilient und dürfte in einem perspektivisch besseren Marktumfeld erst recht überzeugen”, betonen die Analysten von Montega.
Foto: Unsplash+
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