Gut, wenn Vorstände bei Präsentationen auf Kapitalmarktkonferenzen nicht einfach nur ihr Standardprogramm runterspulen, sondern ihren Vortrag stark in die aktuelle Entwicklung einbetten. Schon allein deshalb hat Steico-Finanzvorstand David Meyer auf der m:access-Konferenz der Börse München am 13. Oktober 2022 einen prima Job gemacht, auch wenn er gleich mehrfach einen kleinen Eiertanz hinlegen musste, denn das auf ökologische Dämmstoffe, Furnierschichtholze und Stegträger spezialisierte Unternehmen wird seine Neun-Monats-Zahlen erst in wenigen Tagen vorlegen. Dann wird sich auch entscheiden, ob Steico an der bisherigen Prognose für das Gesamtjahr festhält. Nach dem rasanten Tempo der vergangenen Quartale ist es schon jetzt so, dass das Wachstum hauptsächlich durch Preissteigerungen gefüttert wird und es kaum noch über ein höheres Absatzvolumen geht.
So gesehen wäre ein Umsatzwachstum oberhalb von 20 Prozent, so wie bislang für 2022 avisiert, auf jeden Fall „anspruchsvoll“ – das räumt David Meyer ein. „Wir müssen schauen, ob wir das halten können.“ Dabei zeigt sich der CFO bei seiner allgemeinen Einschätzung aber deutlich zuversichtlicher, als es die Entwicklung des Charts vermuten lässt. Immerhin hat die Aktie von Steico – gemessen am Mitte August 2021 erreichten Rekordhoch von 131,60 Euro – um ziemlich genau zwei Drittel an Wert verloren. Seit Jahresbeginn 2022 türmt sich das Minus auf knapp 60 Prozent. Eine heftige Entwicklung, die aber einhergeht mit vielen anderen Aktien aus dem Bau- und Immobilienbereich. „Wir werden zu einer Normalisierung kommen“, sagt Meyer mit Blick auf den Auftragsbestand und das Orderverhalten der Kunden.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 230,31 | 251,96 | 281,00 | 308,77 | 388,18 | 445,16 | 365,29 | |
EBITDA1,2 | 37,91 | 44,41 | 56,71 | 57,02 | 91,31 | 90,05 | 57,86 | |
EBITDA-Marge3 | 16,46 | 17,63 | 20,18 | 18,47 | 23,52 | 20,23 | 15,84 | |
EBIT1,4 | 22,02 | 24,56 | 32,49 | 33,58 | 67,61 | 65,20 | 30,38 | |
EBIT-Marge5 | 9,56 | 9,75 | 11,56 | 10,88 | 17,42 | 14,65 | 8,32 | |
Jahresüberschuss1 | 15,27 | 16,16 | 22,79 | 25,43 | 48,16 | 47,86 | 16,88 | |
Netto-Marge6 | 6,63 | 6,41 | 8,11 | 8,24 | 12,41 | 10,75 | 4,62 | |
Cashflow1,7 | 25,49 | 40,52 | 43,36 | 42,91 | 85,76 | 65,63 | 51,65 | |
Ergebnis je Aktie8 | 1,08 | 1,15 | 1,62 | 1,81 | 3,42 | 3,40 | 1,18 | |
Dividende8 | 0,21 | 0,25 | 0,25 | 0,30 | 0,40 | 0,40 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Deloitte |
Die aus Angst vor Materialmangel zwischenzeitlich zu beobachtende Übernachfrage der Kunden im ersten Halbjahr 2022 – Finanzvorstand Meyer spricht in diesem Zusammenhang sogar von einer Kontingentierung – ist so nicht mehr vorhanden. Das drückt sich unter anderem darin aus, dass der in der Spitze auf drei bis vier Monate vorausreichende Auftragsbestand jetzt wieder auf das früher übliche Normalmaß von vier bis sechs Wochen zurückkehrt. Was die Preise für Energie und Holz angeht, gibt es indes keine eindeutigen Tendenzen. Immerhin: Für Holz als wichtigsten Einsatzstoff gibt es Anzeichen, dass der Höhepunkte bereits überschritten sei. Beim Thema Energiepreise traut sich das in Feldkirchen bei München ansässige Unternehmen indes keine Prognose zu und setzt eher darauf, sich über alternative Quellen wie Biomasse oder auch Solar – so gut es geht – selbst zu versorgen. Allerdings sind dem Grenzen gesetzt.
Abzuwarten bleibt auch, wie sich das Wettbewerbsumfeld entwickeln wird. In seiner Nische ist Steico Nummer 1 vor der in Baden-Württemberg ansässigen Gutex. Mit ihrem Werksneubau Hütten bei Grafenwöhr (Oberpfalz) drängt aber auch die Ziegler Gruppe in den Markt für Holzfaserdämmstoffe. Bewertungstechnisch findet boersengefluester.de die Steico-Aktie durchaus wieder interessant. Immerhin wird die Gesellschaft auf schuldenfreier Basis nur mit dem gut Siebenfachen des für das laufende Jahr zu erwartenden EBITDA gehandelt. Da gab es während des Kurshypes ganz andere Multiples. Einiges spricht also dafür, dass die Börse momentan zu negativ gegenüber Steico eingestellt ist. Selbst wenn die Neubautätigkeit im kommenden Jahr – wovon auszugehen ist – zurückgeht: Parallel dazu dürfte der Bereich Renovierung/Sanierung einen markanten Teil der entstehenden Lücke schließen.
Zudem agiert Steico nicht am kurzen Ende der Kette wie etwa die Baumärkte, die die Krise schon jetzt erheblich spüren. Die meisten Handwerksbetriebe im Hausbaubereich sitzen derweil noch auf einem erheblichen Berg an Aufträgen, die es erst einmal abzubauen gilt. Darüber hinaus schaffen die derzeit entstehenden Kapazitäten wieder Raum für neue Projekte. Gut möglich, dass die bisherige 60-40-Relation von Sanierung zu Neubau demnächst Richtung 80 Prozent Sanierung/Renovierung wechselt. Losgelöst davon: Sobald die Q3-Zahlen von Steico vorlegen, werden wir ein Update geben.
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