Für unser telefonisches Update-Gespräch zur Vorlage des Geschäftsberichts 2023 erwischen wir Wolfgang Trier, den CEO von Softing, am Zürcher Flughafen – spätnachmittags, kurz vor dem Rückflug nach München. Allzu viel Zeit ist nicht. Knapp 30 Minuten müssen reichen, um ein turbulentes Jahr zusammenzufassen. Immerhin steht der Anbieter von Steuerungs- und Messtechnikprodukten trotz der mindestens zweimal heraufgesetzten Prognosen, am Ende mit einem Fehlbetrag von 5,71 Mio. Euro für 2023 da. Grund hierfür sind in erster Linie kurz vor Jahresende vorgenommene Wertberichtigungen auf den Goodwill der Beteiligung Psiber Data (IT Networks) sowie die im Automotivesegment angesiedelte Telematiktochter GlobalmatiX von in Summe 6,2 Mio. Euro.
Die Begründungen für die Anpassungen aufgrund geänderter Geschäftsmodelle mögen aus regulatorischer Sicht noch so nachvollziehbar sein, für das mühsam zurückeroberte Vertrauen am Kapitalmarkt ist die Entwicklung alles andere als vorteilhaft. Dafür gab es in der Vergangenheit einfach zu viele Rückschläge. Immerhin: Bezogen auf den Umsatz von 112,60 Mio. Euro sowie das um Sondereffekte aus Übernahmen bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (operatives EBIT) von 5,65 Mio. Euro hat Softing die eigenen Prognosen erfüllt. „Insgesamt war 2023 trotz der vielen Herausforderungen ein gutes Jahr für Softing“, sagt Trier. Als Vergleichsmaßstab dienen die Resultate aber nur begrenzt, dafür hatte die massive Auflösung des ehemals Corona-bedingten Auftragsstaus einen viel zu großen Einfluss. Ein Mittelwert aus 2022 und 2023 wäre wohl die aussagekräftigere Basis.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 78,71 | 83,89 | 91,07 | 77,60 | 84,69 | 98,31 | 112,60 | |
EBITDA1,2 | 6,84 | 9,02 | 12,12 | 7,76 | 9,07 | 9,73 | 13,92 | |
EBITDA-Marge3 | 8,69 | 10,75 | 13,31 | 10,00 | 10,71 | 9,90 | 12,36 | |
EBIT1,4 | 2,35 | 4,08 | 4,30 | -3,93 | -0,48 | 0,76 | -2,72 | |
EBIT-Marge5 | 2,99 | 4,86 | 4,72 | -5,06 | -0,57 | 0,77 | -2,42 | |
Jahresüberschuss1 | 0,73 | 3,33 | 2,93 | -4,58 | -0,07 | -1,18 | -5,71 | |
Netto-Marge6 | 0,93 | 3,97 | 3,22 | -5,90 | -0,08 | -1,20 | -5,07 | |
Cashflow1,7 | 3,56 | 9,43 | 10,37 | 4,91 | 11,05 | 3,82 | 9,10 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,10 | 0,38 | 0,31 | -0,50 | 0,01 | -0,13 | -0,63 | |
Dividende8 | 0,13 | 0,13 | 0,04 | 0,04 | 0,10 | 0,10 | 0,13 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Rödl & Partner |
Nicht ganz so deutlich wie zwischenzeitlich vermutet, fällt daher auch die zur Hauptversammlung am 8. Mai 2024 vorgeschlagene Dividendenerhöhung von 0,10 auf 0,13 Euro je Aktie aus. Schließlich sah es zwischenzeitlich so aus, als wenn sogar eine Verdopplung der Ausschüttung denkbar wäre. Angesichts des schwachen Chartbilds – die Notiz ist in die Nähe ihres mehrjährigen Unterstützungsbereichs um 5 Euro zurückgefallen – würde die Dividende bei Neueinsteigern jedoch für eine Rendite von immerhin 2,5 Prozent reichen. Wesentlich kursrelevanter ist freilich der Ausblick für 2024, und der sieht auf den ersten Blick leider nicht übermäßig dynamisch aus.
Demnach rechnet das in Haar östlich von München ansässige Unternehmen für das laufende Jahr mit einem „normalen“ EBIT zwischen 3,20 und 4,60 Mio. Euro (Vorjahr: minus 2,72 Mio. Euro) sowie einem operativen EBIT in einer Bandbreite von 5,00 bis 7,00 Mio. Euro. Der deutliche Umschwung beim Betriebsergebnis erklärt sich primär durch die wegfallenden Sonderabschreibungen. Das um solche Effekte adjustierte EBIT könnte hingegen im ungünstigen Fall 2024 sogar spürbar rückläufig sein und müsste schon im oberen Bereich ankommen, um die Messlatte von 2023 klar zu toppen. Da Wolfgang Trier für die beiden kleineren Segmente Automotive und IT-Networks von deutlich verbesserten operativen Betriebsergebnissen ausgeht, kommt es ausgerechnet auf das sonst so verlässliche Industrial-Segment mit seinen Produkten rund um Automatisierungssysteme an.
Die große Frage wird insbesondere sein, wie die extrem zyklische US-Tochter OLDI sich im zweiten Halbjahr entwickeln wird. „Nach der Normalisierung der Lieferketten dominiert dort ein “Rein-Raus” Geschäft. Das heißt: Es wird eher kurzfristig geordert und schnell geliefert. Unser europäisches Industriegeschäft ist dagegen sehr viel mehr von langzyklischen Kunden und Bestellungen geprägt“, sagt Trier. Wie fragil die Lage im Industriegeschäft ist, zeigen derweil die Zahlen für das Auftaktquartal 2024 des schwedischen Wettbewerbers HMS Networks (Hardware Meets Software) mit Rückgängen bei Auftragseingang und EBIT von jeweils mehr als 30 Prozent. Doch die Gesamteinschätzung des HMS-Vorstands „A challenging quarter – brighter future ahead“ trifft wohl exakt die Gemengelage bei Softing.
Warburg Research hat zuletzt das Kursziel für die Aktie leicht nach unten auf 8 Euro gekürzt, bleibt aber bei der Kaufen-Einschätzung. Dabei setzen die Analysten ihre 2024er-Schätzungen für EBIT (4,0 Mio. Euro) und operatives EBIT (6,2 Mio. Euro) ganz leicht oberhalb der Mitte der offiziellen Prognosen von Softing an. Übermäßig ambitioniert sind die Erwartungen von Warburg also nicht, treffen die aktuelle Gemengelage aber wohl ganz gut. Auch für boersengefluester.de überwiegen bei Softing die Chancen, immerhin wird der Titel bei einer Marktkapitalisierung von zurzeit gut 48 Mio. Euro weiter unter Buchwert und zu einem KGV deutlich niedriger als historisch üblich gehandelt. Und wer weiß: Vielleicht bekommt das Thema anorganisches Wachstum – also Akquisitionen – im laufenden Jahr wieder mehr Bedeutung. Wolfgang Trier ist ja scheinbar viel unterwegs zurzeit.
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