Bestimmt nicht die schlechteste Strategie: Aktien dann zu kaufen, wenn sie gerade keiner mag. Wie wäre es zum Beispiel mit dem SDAX-Wert SKW Stahl-Metallurgie Holding? Bereits der Name klingt ein wenig sperrig – außerdem enthält er auch noch das Wort Stahl. Nicht gerade die coolste Branche an der Börse. Dennoch lohnt ein Blick auf das Papier. Bewertungsmäßig gibt es so gut wie nichts zu meckern, das Potenzial nach oben ist enorm, zumal sich die Notiz im Vergleich zum Jahresstart noch so gut wie nicht bewegt hat. Und bei näherem Hinsehen offenbart der Titel sogar eine knackige Investmentstory.
SKW stellt mit Spezialchemikalien gefüllte Drähte und Pulver her, mit denen rund 80 Prozent der weltweiten Stahlkonzerne ihre Produkte veredeln beziehungsweise das Roheisen entschwefeln. Für die Herstellung dieser Produkte ist das Unternehmen aus dem bayerischen Unterneukirchen auf qualitativ hochwertige und zugleich möglichst günstige Rohstoffe angewiesen. Um hier perfekt aufgestellt zu sein, hat das Unternehmen von 2007 bis 2012 rund 180 Mio. Euro investiert, in den vergangenen drei Jahren waren es im Schnitt jeweils 27 Mio. Euro. Diese Investitionsphase ist nun abgeschlossen. Im laufenden Jahr wird das Unternehmen vermutlich weniger als 10 Mio. Euro – hauptsächlich für die Instandhaltung – in die Hand nehmen müssen. Beispiel Kalziumsilizium: Bislang hat SKW diesen für die Herstellung der Fülldrähte wichtigsten Rohstoff komplett fremdbezogen. Mit der Inbetriebnahme des neuen Werks in Bhutan kann das SDAX-Unternehmen die Einkaufsquote auf zwei Drittel reduzieren und dabei eine Menge Geld sparen, denn der Ofen in Südasien wird mit vergleichsweise günstiger Energie gespeist.
Neben den Aufwendungen für Bhutan drückten 2012 auch die Anlaufkosten für das neue Werk in Russland auf den Gewinn. Die Produktionsanlagen eines 2011 in Schweden gekauften Kalziumkarbidwerks mussten modernisiert werden. Zudem wurden die Kapazitäten in Brasilien erweitert und die letzte Kaufpreiszahlung für die 2009 gekaufte brasilianische Gesellschaft Tecnosulfur fällig. „Der SKW Metallurgie Konzern zählt zu den am stärksten globalisierten börsennotierten Unternehmen in Deutschland. Circa 98 Prozent unserer Mitarbeiter sind außerhalb Deutschlands beschäftigt“, sagt die Vorstandsvorsitzende Ines Kolmsee. Trotz der internationalen Aufstellung kann sich das komplett im Streubesitz befindliche SDAX-Unternehmen von den heftigen konjunkturellen Schwankungen im Stahlbereich nicht lösen. Auch wenn für SKW in erster Linie die produzierte Stahlmenge und nicht der jeweilige Stahlpreis von Bedeutung ist. So knickte 2012 der Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBIT) bei einem Erlösrückgang von knapp 429 Mio. Euro auf 404,6 Mio. Euro um 44 Prozent auf 10,3 Mio. Euro.
Zum Ende des ersten Quartals musste SKW wegen der mauen Stahlproduktion in den USA und Europa einen weiteren Umsatzschwund von 22 Prozent auf 87,8 Mio. Euro verkraften. Das war mehr als befürchtet. Der Rückgang des EBIT um 35 Prozent auf knapp 2,3 Mio. Euro lag hingegen im Rahmen der Erwartungen. Aufgrund deutlich niedrigerer Steuerzahlungen zog der Nettogewinn auf Auftaktquartal sogar spürbar an. Für das Gesamtjahr bleibt Kolmsee bei ihrer Prognose einer „moderaten“ Steigerung der Erlöse. Mit einer konkreten Vorhersage zur Gewinnentwicklung hält sich die Firmenlenkerin noch zurück. Sie betont jedoch das „Ergebnispotential durch steigende operative Ergebnisbeiträge und den Wegfall der Anlaufkosten der neuen Werke“. Zur Vorlage des Halbjahresberichts am 14. August werden die Investoren vermutlich eine detailliertere Einschätzung bekommen. Privatanleger sollten sich aber bereits den 11. Juni 2013 vormerken. Dann findet nämlich die Hauptversammlung im Haus der Bayerischen Wirtschaft in München statt. Zur Ausschüttung wird erneut eine Dividende von 0,50 Euro pro Anteilschein vorgeschlagen, was bezogen auf den aktuellen Kurs einer Rendite von immerhin knapp 3,8 Prozent entspricht. „Wir sehen die SKW Metallurgie-Aktie weiterhin als Dividendentitel“, sagt Kolmsee.
Durchaus ansprechend ist die Bilanzqualität. Per Ende März kommt SKW auf eine Eigenkapitalquote von 41 Prozent. Die Nettofinanzschulden von 93,6 Mio. Euro bedeuten einen nicht zu hohen Verschuldungsgrad (Nettofinanzverbindlichkeiten in Relation zum Eigenkapital) von rund 61 Prozent. Das Kurs-Buchwert-Verhältnis liegt deutlich unterhalb von eins – ein klarer Fall für Value-Anleger also. Schwerer abzuschätzen ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV). Auf Basis der Prognose von boersengefluester.de wird das Papier derzeit etwa mit dem Faktor 13 der für 2014 erwarteten Gewinne gehandelt. Die Spanne der Analystenschätzungen ist dabei ungewöhnlich groß. Die Extremwerte für das erwartete Ergebnis je Aktie für 2014 liegen zwischen 0,81 Euro und 2,80 Euro. Prognosen für die Gewinnentwicklung von Firmen aus der Stahlbranche abzugeben, hat offenbar etwas mit dem berühmten Blick in die Glaskufen gemein. Aber selbst bezogen auf die pessimistischste Gewinnprognose würde das KGV mit rund 16 nicht abstrus hoch sein.
Sentimenttechnisch hat die SKW-Aktie (WKN: SKWM02) ebenfalls ihre Reize. So nähert sich der Kurs gerade von unten der relativ flach verlaufenden 200-Tage-Linie. Sollte der Titel diese wichtige Durchschnittskurve signifikant überspringen, dürfte das wohl neue Investoren anlocken. Noch ist das Spekulation. Aber für boersengefluester.de überwiegen die Argumente für ein antizyklisches Investment in SKW Stahl-Metallurgie schon jetzt.
Foto: SKW Stahl-Metallurgie