Ein Spiel mit dem Feuer ist die Aktie von Singulus Technologies. Das kann gut gehen und hohe Kursgewinne beschere,. Wenn nicht, müssen sich Anleger aber wohl auf einen Totalverlust bei dem Anbieter von Spezialmaschinen für die Dünnschichttechnik oder auch Oberflächenbehandlung einstellen. Dazwischen ist nicht viel, so strapaziert ist die Bilanz von Singulus mittlerweile. Das zeigt der Geschäftsbericht 2023 des ehemaligen Neuer Markt-Unternehmens mehr als deutlich – in diesem Jahr übrigens erstmals seit langer Zeit ohne Verzögerung vorgelegt. Die schlechte Nachricht ist, dass sowohl der Umsatz mit 72,5 Mio. Euro als auch das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) mit minus 10,1 Mio. Euro nochmals signifikant unter den ohnehin schon nach unten korrigierten Erwartungen liegen.
Wenig erbaulich auch der operative Cashflow von minus 26,3 Mio. Euro, da Singulus in der Berichtsperiode Aufträge abgearbeitet hat, für die es bereits in der Vergangenheit Anzahlungen gab. Das Eigenkapital hat sich im Zuge der unbefriedigenden operativen Entwicklung mit minus 44,6 Mio. Euro gegenüber dem Vorjahr nochmals um 11 Mio. Euro verschlechtert. Ohne die Finanzspritzen des chinesischen Großaktionärs CNBM sowie die Anleihegläubiger würde schon längst nichts mehr gehen. Unterm Strich stehen dafür aber auch 26,6 Mio. Euro an Netto-Finanzverbindlichkeiten in der Bilanz, und da sind die Pensionsrückstellungen von mehr als 12 Mio. Euro noch gar nicht inkludiert. Entsprechend schwer tun sich die Wirtschaftsprüfer von Baker Tilly daher regelmäßig auch damit, der Gesellschaft eine positive Fortführungsprognose zu attestieren.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 90,00 | 127,50 | 79,00 | 29,50 | 68,70 | 87,80 | 72,50 | |
EBITDA1,2 | 0,70 | 9,10 | -3,30 | -25,90 | -8,60 | 9,50 | -7,30 | |
EBITDA-Marge3 | 0,78 | 7,14 | -4,18 | -87,80 | -12,52 | 10,82 | -10,07 | |
EBIT1,4 | -1,20 | 6,80 | -7,50 | -36,80 | -12,40 | 5,90 | -10,10 | |
EBIT-Marge5 | -1,33 | 5,33 | -9,49 | -124,75 | -18,05 | 6,72 | -13,93 | |
Jahresüberschuss1 | -3,20 | 0,80 | -10,70 | -36,20 | -14,20 | -0,10 | -9,80 | |
Netto-Marge6 | -3,56 | 0,63 | -13,54 | -122,71 | -20,67 | -0,11 | -13,52 | |
Cashflow1,7 | -14,10 | 2,50 | -3,20 | 2,70 | 24,10 | -22,60 | -26,30 | |
Ergebnis je Aktie8 | -0,39 | 0,09 | -1,20 | -4,07 | -1,60 | -0,01 | -1,10 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Baker Tilly |
Momentan wäre es wohl tatsächlich ein unglücklicher Zeitpunkt, um nach so langer Zeit den Stecker zu ziehen. Insbesondere in dem wichtigen Solarsektor sieht der Vorstand nämlich „großes Potenzial“ für die Realisierung von neuen Großprojekten in Bereichen kristallinen HJT- (Heterojunction) und Dünnschicht-Solartechnik. Chancenreich bleiben dem Vernehmen auch die Aktivitäten in den kleineren Segmenten Life Science und Halbleiter. Hier geht es unter anderem um Themen wie Vakuum-Beschichtungsanlagen für die Veredelung von Oberflächen von Konsumgütern wie etwa Lippenstifthüllen oder auch Medizintechnikprodukten. Sollten alle erhofften Projekte ohne Verzögerung durchgeführt werden, hält der Vorstand für 2024 Erlöse in einer Bandbreite von 120 bis 130 Mio. Euro sowie ein EBIT im niedrigen zweistelligen Millionen-Euro –Bereich für möglich. Für 2025 ist eine abermalige Verbesserung der Umsätze sowie ein EBIT im erneut niedrigen zweistelligen Millionen-Euro denkbar.
Angesichts eines Börsenwerts von derzeit gerade einmal etwas mehr als 11 Mio. Euro wäre das natürlich extrem attraktiv. Allerdings ist der Risikohinweis im aktuellen Geschäftsbericht unmissverständlich: „Eine ausreichende Liquidität des Konzerns in den nächsten 24 Monaten kann nur aufrechterhalten werden, wenn die Planung in diesem Zeitraum realisiert werden kann. Wesentliche Voraussetzungen sind dabei, dass die aufgrund der bereits kontrahierten Großaufträge zu leistenden Teilzahlungen auch tatsächlich bzw. nicht mit materieller Verzögerung erfolgen. Darüber hinaus ist die Erlangung weiterer wesentlicher Großaufträge bis Ende 2025 notwendig. Des Weiteren muss die Rückzahlung des Super Senior Loans in Höhe von 4,0 Mio. Euro im Dezember 2024 aus den durch die Gesellschaft erwirtschafteten finanziellen Mitteln gewährleistet sein.“
Zwar hält der Vorstand eine Durchfinanzierung der Projekte für „überwiegend wahrscheinlich“, bestandsgefährdende Risiken bleiben aber bestehen. Per saldo hat die Singulus-Aktie damit viel von Casino. Mit kleinem Einsatz können sehr risikobereite Investoren so ein Spiel wagen, alle anderen machen einen Bogen um den Titel. Dabei ist boersengefluester.de immer wieder überrascht, dass es das Unternehmen – trotz der vielen Rückschläge – immer noch gibt und es technologisch sogar ganz gut zu sein scheint.
Foto: Singulus Technologies AG
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