Eine top Technologie-Aktie zu gerade einmal etwas mehr als den Buchwert, einer Dividendenrendite von 4,5 Prozent und einem einstelligen KGV: Dem Waferhersteller Siltronic müssten die Investorenherzen eigentlich nur so zufliegen. Tatsächlich aber notiert die MDAX-Aktie mit knapp 70 Euro weit unter früheren Höchstkursen. Größtes Problem des Kapitalmarkts ist derzeit klar der schwache Ausblick für das laufende Jahr. Allein für das Auftaktviertel 2023 rechnet der Vorstand mit einem Umsatzrückgang von rund 15 Prozent gegenüber dem direkten Vorquartal – also Q4 2022. Dabei dürfte die EBITDA-Marge auf einen Wert zwischen 30 und 33 Prozent fallen. Zum Vergleich: Im Gesamtjahr 2022 kam Siltronic bei Erlösen von 1.805,3 Mio. Euro auf ein Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) von 671,6 Mio. Euro, entsprechende einer Marge von 37, 2 Prozent.
„Aufgrund einer vorübergehenden Marktschwäche vor allem im Speicherbereich sehen wir in den Lieferketten nach uns hohe Lagerbestände, die zu Bestandskorrekturen bei unseren Kunden führen und Einfluss auf den Waferabsatz haben können“, erklärt CFO Rainer Irle die Gemengelage. Traditionell reagieren Börsianer ohnehin sehr sensibel auf die Bewegungen im Chipsektor. Bei Siltronic kommt jedoch hinzu, dass die Gesellschaft momentan mit dem Bau des 300 mm-Werks in Singapur – der sogenannten Fab Next – das größte Investitionsprojekt der Firmenhistorie hochzieht. Die gesamte Investitionssumme beträht immerhin rund 2 Mrd. Euro. „Wir arbeiten mit Hochdruck an der Fertigstellung der Fab Next in Singapur. Im Jahr 2023 stehen viele wichtige Bauabschnitte an und Anfang 2024 sollen bereits die ersten Wafer an unsere Kunden geliefert werden“, sagt der bald scheidende CEO Christoph von Plotho.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 1.177,30 | 1.456,70 | 1.270,40 | 1.207,00 | 1.405,40 | 1.805,30 | 1.513,80 | |
EBITDA1,2 | 353,10 | 589,30 | 408,70 | 332,00 | 466,40 | 671,60 | 433,90 | |
EBITDA-Marge3 | 29,99 | 40,45 | 32,17 | 27,51 | 33,19 | 37,20 | 28,66 | |
EBIT1,4 | 235,70 | 497,70 | 298,30 | 192,20 | 316,90 | 495,60 | 231,10 | |
EBIT-Marge5 | 20,02 | 34,17 | 23,48 | 15,92 | 22,55 | 27,45 | 15,27 | |
Jahresüberschuss1 | 192,20 | 400,60 | 261,00 | 186,80 | 289,60 | 434,40 | 201,30 | |
Netto-Marge6 | 16,33 | 27,50 | 20,54 | 15,48 | 20,61 | 24,06 | 13,30 | |
Cashflow1,7 | 298,90 | 651,90 | 385,30 | 236,70 | 501,10 | 804,50 | -487,90 | |
Ergebnis je Aktie8 | 6,18 | 12,44 | 7,52 | 5,36 | 8,44 | 13,02 | 6,15 | |
Dividende8 | 2,50 | 5,00 | 3,00 | 2,00 | 3,00 | 3,00 | 1,20 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: KPMG |
Mit ein wenig Fortune geht die Fertigstellung der neuen Fabrik einher mit einer bereits wieder anziehenden Nachfrage der Kunden. Gemessen an der Dauer früherer Zyklen, ist dieses Szenario sogar durchaus wahrscheinlich. Aber in einem insgesamt so ruppigen konjunkturellen Umfeld wie derzeit, möchte eben auch kaum jemand seine Hand dafür ins Feuer legen. Immerhin ist die Finanzierung der Fab Next durch die vorhandene Liquidität sowie den künftigen Cashflow konservativ untermauert. Ansonsten hätte sich der Vorstand wohl auch kaum zu einer konstanten Dividende von 3,00 Euro je Aktie zur kommenden Hauptversammlung am 5. Mai 2023 hinreißen lassen. Sentimenttechnisch das größte Risiko in der Siltronic-Aktie bleibt der für die kommenden zwei bis drei Quartale zu erwartende wohl
bestenfalls mäßige Newsflow. Andererseits sind die Antennen der Investoren auf mögliche Verbesserungen sensibel eingestellt. Und mit ein wenig Fortune tragen die überdurchschnittliche Dividendenrendite sowie der geringe Abstand zum Buchwert durch die ungewisse Zeit. Nochmals zur Erinnerung: 2021 wollte der chinesische GlobalWafers-Konzern Siltronic zu 145 Euro je Aktie übernehmen, allerdings scheiterte der Vorstoß Anfang 2022 an massiven regulatorischen Hürden. Selbst wenn derzeit keine neue Offerte für die Münchner in Sicht ist – es zeigt, wohin die Reise bei Siltronic schnell gehen kann. Für boersengefluester.de scheint es jedenfalls nicht die schlechteste Idee zu sein, sich mit einem geringen Depotanteil hier zu engagieren.
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