Eigentlich ist die Investmentstory von SGL Carbon auf den ersten Blick überzeugend. Die Wiesbadener stellen aus Koks und Pech verschiedene Kohlenstoff-, Carbonfaserverbund- und Graphit-Produkte her. Besonders Carbon ist dank seiner einzigartigen Materialeigenschaften heiß begehrt. Hitze- und Korrosionsbeständigkeit bei hoher Strom- und Widerstandsfähigkeit und ein sehr geringes Gewicht lassen vielfältige Einsatzmöglichkeiten zu. Besonders bei den auf Leichtbauweise getrimmten Elektroautos sind diese Eigenschaften gefragt. Allerdings hat die Sache zwei Haken: Die Herstellung von Carbon ist im Vergleich zu Stahl noch sehr energieintensiv und damit teuer. Zudem erzielt SGL in dem Bereich nur rund ein Fünftel seiner Erlöse.
Entscheidend für den Unternehmenserfolg sind andere Geschäftsfelder – und hier beginnen die Probleme für den SDAX-Konzern. Rund die Hälfte des Umsatzes entfällt auf Kohlenstoff- und Graphitelektroden, Kathoden und Hochofenauskleidungen. Knapp 30 Prozent der Erlöse verdient SGL mit dem Verkauf von speziellen Graphiten, die in der Chemie-, Automobil-, LED- und besonders Lithium-Ionen-Batterie- und Solarindustrie eingesetzt werden. Hier sind die Preise im Sinkflug und setzten dem Unternehmen in der Vergangenheit bereits kräftig zu.
Die vor wenigen Wochen verkündeten Eckdaten für das Geschäftsjahr 2014 waren daher erneut wenig überzeugend. Mit einem kleinen, einstelligen, positiven operativen Ergebnis wurden die Markterwartungen zwar übertroffen. Unter dem Strich bleibt aber ein hoher Fehlbetrag von rund 250 Mio. Euro – nach minus 317 Mio. Euro im Jahr 2013. Dies zeigt deutlich, wie schwierig die Marktverhältnisse sind. Höher als erwartete Restrukturierungskosten und Wertberichtigungen bei der zum Verkauf vorgesehenen Tochter HITCO trüben das Fazit. Im Juni 2014 rechnete SGL noch mit einem deutlich positiven Kaufpreis für den Lieferanten von Verbundwerkstoffen und Strukturbauteilen für die Luft- und Raumfahrt. Inzwischen sieht die Lage anders aus, die ersten Angebote liegen offenbar unter dem Buchwert, was zu Abschreibungen führt. Mit dem hohen Fehlbetrag wurden zugleich alle Mittel aus der im Oktober 2014 durchgeführten Kapitalerhöhung aufgezehrt. Der Bruttoerlös lag damals bei 267 Mio. Euro.
In die Karten spielt dem Unternehmen hingegen der Ölpreisverfall, der sich leicht positiv auf der Kostenseite bemerkbar machen sollte. Die durchschnittlichen Konsensschätzungen sind seit Ende Januar daher leicht gestiegen und lockten einige Schnäppchenjäger in die Aktie. Ähnlich wie bei anderen Werten, die im vergangenen Jahr kräftig unter die Räder kamen (Bilfinger, LPKF Laser, Aixtron), profitierten auch die Papiere von SGL. Ob die Gegenbewegung aber auch nachhaltig sein wird, ist offen. Bisher holte die Aktie noch nicht einmal die Hälfte der Korrektur ausgehend von 26 Euro wieder auf. Neue Impulse sind wohl erst zur Bilanzvorlage am 18. März zu erwarten. SGL-Chef Jürgen Köhler ist seit gut einem Jahr im Amt und hat in dieser Zeit bereits einige Erfolge beim Konzernumbau erzielt. Verlustbringende Aktivitäten wurden restrukturiert oder eingestellt. Seit Jahresbeginn greift eine weitere Verschlankung der Organisation von fünf auf nur noch drei Geschäftsbereiche. Entsprechend wurde auch die Anzahl der Vorstandsmitglieder angepasst. Mit der Neuausrichtung passte das neue Führungsteam auch die Unternehmenskultur an und gab neue Ziele vor. Angestrebt werden eine Kapitalrendite von mindestens 15 Prozent sowie eine Senkung des Verschuldungsfaktors auf unter 2,5.
Mit der Teilnahme an der Kapitalerhöhung sendeten die Ankeraktionäre Susanne Klatten (SKion: 27,46 Prozent), BMW (18,44 Prozent) und Volkswagen (9,92 Prozent) zugleich ein starkes Signal, dass sie unverändert an eine bessere Zukunft des Unternehmens glauben. Nach Gewinnen von rund 30 Prozent, ausgehend vom Dezember-Tief, sind allerdings auch schon einige Vorschusslorbeeren im Kurs enthalten. Die Zahlen Mitte März werden zeigen, ob die jüngste Tendenz auch gerechtfertigt ist. Sollte der Newsflow positiv bleiben und die eingeleiteten Maßnahmen greifen, könnte sich die Aktie mittelfristig wieder der 20-Euro-Marke nähern. Allerdings darf das Risiko nicht unterschätzt werden, denn in den wichtigsten Geschäftsbereichen bleibt der Wettbewerbs- und damit Preisdruck hoch. Bankhaus Lampe sowie Warburg Research raten derzeit mit Kurszielen von 11 und 13,50 Euro zum Verkauf. Die Aktie kommt daher nur für mutige, antizyklische Anleger in Frage.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 860,10 | 1.047,50 | 1.086,70 | 919,40 | 1.007,00 | 1.135,90 | 1.089,10 | |
EBITDA1,2 | 90,70 | 127,20 | 120,00 | 92,80 | 140,00 | 187,60 | 116,80 | |
EBITDA-Marge3 | 10,55 | 12,14 | 11,04 | 10,09 | 13,90 | 16,52 | 10,72 | |
EBIT1,4 | 49,00 | 80,90 | -34,30 | -93,70 | 110,40 | 120,90 | 56,60 | |
EBIT-Marge5 | 5,70 | 7,72 | -3,16 | -10,19 | 10,96 | 10,64 | 5,20 | |
Jahresüberschuss1 | 141,50 | 41,70 | -89,50 | -129,40 | 75,90 | 127,40 | 41,70 | |
Netto-Marge6 | 16,45 | 3,98 | -8,24 | -14,07 | 7,54 | 11,22 | 3,83 | |
Cashflow1,7 | -48,10 | 19,00 | 61,90 | 104,00 | 114,40 | 94,40 | 163,80 | |
Ergebnis je Aktie8 | 1,14 | 0,34 | -0,74 | -1,08 | 0,62 | 1,02 | 0,34 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: KPMG |
Foto: SGL Carbon SE (Kathodenblock für Aluminium-Elektrolysezellen)