Den Luxus von Unternehmen wie dem zu United Internet gehörenden Webhoster Ionos, wo Firmenkunden und private Nutzer geradezu in die Cloud drängen, hat secunet Security Networks nicht. Zwar würden auch die mit hochsensiblen oder mitunter sogar geheimen Daten beschäftigten Behörden, Infrastrukturbetreiber und auch Institutionen wie die Bundeswehr ihre digitalen Daten liebend gern in der Cloud lagern, aus verständlichen Gründen ist das aber nicht mit den üblichen Angeboten von Amazon, Microsoft oder eben Ionos möglich. Um ein entsprechendes Angebot zu schaffen, hat das auf leistungsfähige IT-Security spezialisierte Unternehmen aus Essen vor geraumer Zeit damit begonnen, ein aus diversen Bausteinen bestehendes super sicheres Cloud-Portfolio zu entwickeln. Eine Menge davon steht bereits, bis Ende des Jahres will secunet die Königsdisziplin für ihr Cloud-Portfolio geschafft haben, also die Zulassung für Verschlusssachen und Geheimdokumente.
Das alles kostet eine Stange Geld und verschlingt viel Zeit. Beides Themen, auf die wiederum der Kapitalmarkt hochgradig sensibel reagiert. Entsprechend ist der Aktienkurs des ehemaligen SDAX-Unternehmens in den vergangenen Jahren extrem zurückgekommen, auch wenn insbesondere der Umsatz mit zuletzt knapp 394 Mio. Euro ungefähr 2,5-mal so hoch ist wie der von 2017 – und hier geht es nahezu ausschließlich um organisches Wachstum. Fakt ist aber auch, dass das operative Ergebnis (EBIT) aus dem Spitzenjahr 2021 um fast ein Drittel auf rund 43 Mio. Euro zurückgekommen ist. Das hängt zum Teil mit den Investitionen in die Cloudprojekte zusammen, aber auch ein eher ungünstiger Produktmix mit viel Hardware und weniger Lizenzen sowie anderen margenträchtigen Services entfaltet Wirkung.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 158,32 | 163,29 | 226,90 | 285,59 | 337,62 | 347,22 | 393,69 | |
EBITDA1,2 | 25,28 | 29,11 | 39,91 | 59,70 | 73,81 | 61,88 | 60,44 | |
EBITDA-Marge3 | 15,97 | 17,83 | 17,59 | 20,90 | 21,86 | 17,82 | 15,35 | |
EBIT1,4 | 23,45 | 26,91 | 33,18 | 51,64 | 63,88 | 47,01 | 42,98 | |
EBIT-Marge5 | 14,81 | 16,48 | 14,62 | 18,08 | 18,92 | 13,54 | 10,92 | |
Jahresüberschuss1 | 15,87 | 17,82 | 22,18 | 34,98 | 42,90 | 31,29 | 29,00 | |
Netto-Marge6 | 10,02 | 10,91 | 9,78 | 12,25 | 12,71 | 9,01 | 7,37 | |
Cashflow1,7 | 20,35 | 7,67 | 31,25 | 56,38 | 53,74 | -3,96 | 51,88 | |
Ergebnis je Aktie8 | 2,45 | 2,77 | 3,44 | 5,43 | 6,66 | 4,84 | 4,51 | |
Dividende8 | 1,20 | 2,04 | 1,56 | 2,54 | 5,38 | 2,86 | 2,36 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: BDO |
Auf der Analystenkonferenz zur Vorlage des Geschäftsberichts 2023 macht CEO Axel Deiniger jedoch Werbung für die eingeschlagene Cloud-Strategie: Es geht um langfristige Investitionen, keinesfalls will secunet das bestehende – und noch immer lukrative – Geschäft mit IT-Sicherheitstechnik einfach auscashen, bis es sich nicht mehr lohnt. Zudem soll der Konzern, „weniger hecklastig“ werden, wie Axel Deiniger es ausdrückt. So generieren die Essener aufgrund der typischen behördlichen Saisonalitäten den ganz überwiegenden Teil ihres Gewinns erst im vierten Quartal. Neue Produktwelten, unter anderem in der Telematik-Infrastruktur im Gesundheitswesen sowie mobile Anwendungen, sowie mehr wiederkehrende Umsatzerlöse sollen das Geschäft auch für Investoren besser planbar machen. Auf einen Nenner gebracht: Weniger Hardware, mehr Software. Dabei sind die Budgets der Behörden zurzeit alles andere als prall gefüllt.
Einzige Ausnahme dürfte der Defence-Bereich sein. „Über das Sondervermögen haben wir einige gute Aufträge bekommen“, sagt CEO Deiniger auf der Analystenkonferenz. Zudem rechnet sich die Gesellschaft in den kommenden ein bis zwei Jahren erkleckliche Chancen im Geschäft mit der NATO aus, denn die Beitrittsländer Schweden und Finnland haben Nachholbedarf, wenn es um die Harmonisierung der Sicherheitstechnik im Militär geht. Aber auch erste Cloudprojekte hat secunet bereits gewonnen. Details dazu darf Deiniger freilich noch nicht verraten. Ab 2025 sollen hier dann auch größere Volumina für zählbaren Erfolg sorgen und den Wachstumsmotor wieder anschieben, verspricht Finanzvorstand Thomas Pleines. Derweil steht für das laufende Jahr eine eher unspektakuläre Prognose mit rund 390 Mio. Euro Umsatz und einem EBIT von etwa 42 Mio. Euro.
Das klingt nach Stillstand auf Hochplateau, trifft es aber ganz und gar nicht, denn hinter den Kulissen läuft der vermutlich größte Umbau bei secunet in den vergangenen Jahren. Finanziell ist das von der traditionell cashstarken Gesellschaft gut zu stemmen. Die kleine Dividendenkürzung für 2023 von 2,86 auf 2,36 Euro je Aktie fällt aufgrund der ohnehin niedrigen Dividendenrendite auch für Anleger nicht sonderlich ins Gewicht. Die Frage bleibt also, wann die Börse bei secunet vom Modus stagnierende Erträge auf Cloud-Fantasie umstellt. An den US-Börsen hätten die Investoren vermutlich bereits den Hebel umgelegt. Hierzulande dauert der Prozess etwas länger, zumal es auch keine gesicherten Erkenntnisse darüber gibt, wie gut die Cloud-Angebote am Ende von den in ihren Anforderungen doch sehr speziellen secunet-Kunden tatsächlich angenommen werden. Nun: Wenn die Services einschlagen, sollte die Kasse richtig klingeln. Dafür reicht ein Blick auf die kürzlich veröffentlichten Ionos-Zahlen mit Brutto-Margen von annähernd 50 Prozent.
Foto: Unsplash+
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