Was für eine verrückte Entwicklung: Als boersengefluester.de im Sommer 2013 erstmals ausführlicher über die Aktie von secunet Security Networks berichtete, bewegte sich der Anbieter von hochprofessioneller IT-Sicherheitsausstattung beim Börsenwert noch knapp unterhalb der Marke von 100 Mio. Euro und kam auf ein – wie wir damals meinten – „ambitioniertes“ KGV von rund 23. Acht Jahre später türmt sich Marktkapitalisierung auf mehr als 3.000 Mio. Euro und das Kurs-Gewinn-Verhältnis von 70 bewegt sich in Regionen, die normalerweise nicht mehr feierlich sind. Doch das ist nur die eine Hälfte der Geschichte: Tatsächlich gibt es in unserer gut 640 Aktien umfassenden Datenbank wohl maximal eine Handvoll Unternehmen, die in den vergangenen Jahren derart häufig ihre Gewinnprognosen heraufgesetzt haben, wie secunet.
Entsprechend geht die komplette Neubewertung am Kapitalmarkt mehr als klar. Nochmals zur Einordnung: 2013 steuerten die Essener auf Erlöse von annähernd 64 Mio. Euro sowie ein Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) von weniger als 4 Mio. Euro zu. Heute liegt die offizielle Messlatte für 2021 bei Umsätzen von 330 Mio. Euro sowie einem EBIT von etwa 59 Mio. Euro. Zwischen beiden Größenordnungen liegen Welten. Und was die eigentliche Leistung ist: secunet hat das Wachstum vollständig aus organischer Kraft gemeistert und nicht – wie viele andere Companys – munter zugekauft. Ein Indiz dafür an anderer Stelle ist, dass sich die Aktienzahl von 6.500.000 Stück seit dem IPO im November 1999 bis heute nicht geändert hat. Losgelöst von den üblichen Börsenrealitäten agiert aber auch secunet nicht: Insbesondere nach dem jüngsten nochmaligen steilen Anstieg, hat sich die Volatilität in dem Titel deutlich erhöht. Die immer schnellere Kursspirale fordert also ihren Tribut, und es fällt als Anleger zunehmend schwer, cool zu bleiben. Aber es dürfte sich lohnen.
So finden sich auch im jetzt vorgelegten Halbjahresbericht keine Hinweise, die auf eine Abschwächung der Geschäftsentwicklung hindeuten. Selbst die Lieferengpässe bei Halbleitern – momentan ein Dauerthema in nahezu allen Q2-Reports aus dem Techsektor – scheinen sich bei secunet noch nicht wesentlich auf die Lieferfähigkeit auszuwirken. Konkret steht per Ende Juni ein Umsatzplus von 30 Prozent auf 147,58 Mio. Euro zu Buche. Das EBIT klettert deutlich überproportional um gut 49 Prozent auf 24,25 Mio. Euro. „Wir haben im abgelaufenen Halbjahr ein hervorragendes Umsatz- und Ergebniswachstum erzielt – und damit unsere Planung zu Beginn des Geschäftsjahres deutlich übertroffen“, sagt CEO Axel Deininger. Ein gutes Signal ist derweil insbesondere, dass auch der deutlich kleinere Bereich mit Kunden abseits des behördlichen Sektors nochmals an Masse gewonnen hat.
Ursächlich hierfür sind unter anderem die Aktivitäten im Bereich des Gesundheitskonnektors für die Telematikinfrastruktur in Arztpraxen. Dass der Auftragsbestand auf Konzernebene mit 160,9 Mio. Euro signifikant über dem vergleichbaren Vorjahreswert von 111,7 Mio. Euro liegt, hängt freilich in erster Linie am nach wie vor boomenden Geschäft aus dem Behördenumfeld. Insgesamt bleibt die secunet-Aktie für boersengefluester.de ein piekfeiner Spezialwert, bei dem es sich bislang immer als Fehler herausgestellt hat, hier auszusteigen. Und nach den Zahlen zum Halbjahr sind wir zuversichtlich, dass die jüngsten Prognoseanhebung vom April 2021 noch nicht das letzte Wort gewesen ist.
Insbesondere das vierte Quartal ist bei secunet regelmäßig super wichtig. Zudem findet am 26. August noch eine Telefonkonferenz mit Analysten statt. Auch das ein relevanter Termin aus Börsensicht. Und gefeiert werden dürfte insbesondere bei den Spezialwerte-Experten von Shareholder Value Beteiligungen um Frank Fischer. Die Frankfurter haben zuletzt nicht nur einen Gewinnkick durch ihr Engagement bei vor einer Übernahmen stehenden Schaltbau Holding in Aussicht gestellt, sie haben darüber hinaus seit ewigen Zeiten massig secunet-Aktien im Depot. Damaliger Einstandskurs: 9,79 Euro Euro. Mittlerweile hat die Position allerdings ein derart hohes Gewicht im Portfolio, dass Shareholder Value hin und wieder seinen Anteil reduziert. Aber auch das muss Anleger nicht nervös machen.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 158,32 | 163,29 | 226,90 | 285,59 | 337,62 | 347,22 | 393,69 | |
EBITDA1,2 | 25,28 | 29,11 | 39,91 | 59,70 | 73,81 | 61,88 | 60,44 | |
EBITDA-Marge3 | 15,97 | 17,83 | 17,59 | 20,90 | 21,86 | 17,82 | 15,35 | |
EBIT1,4 | 23,45 | 26,91 | 33,18 | 51,64 | 63,88 | 47,01 | 42,98 | |
EBIT-Marge5 | 14,81 | 16,48 | 14,62 | 18,08 | 18,92 | 13,54 | 10,92 | |
Jahresüberschuss1 | 15,87 | 17,82 | 22,18 | 34,98 | 42,90 | 31,29 | 29,00 | |
Netto-Marge6 | 10,02 | 10,91 | 9,78 | 12,25 | 12,71 | 9,01 | 7,37 | |
Cashflow1,7 | 20,35 | 7,67 | 31,25 | 56,38 | 53,74 | -3,96 | 51,88 | |
Ergebnis je Aktie8 | 2,45 | 2,77 | 3,44 | 5,43 | 6,66 | 4,84 | 4,51 | |
Dividende8 | 1,20 | 2,04 | 1,56 | 2,54 | 5,38 | 2,86 | 2,36 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: BDO |
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