„Cloud ist die Hölle”, sagt Thomas Pleines, CFO von secunet security Networks, bei dem 60 Minuten dauernden digitalen Round Table von Alster Research und schiebt nach: „Zumindest wenn es um Sicherheit geht.“ Entsprechend genau nimmt es der Anbieter von leistungsfähiger Verschlüsselungstechnologien für den Einsatz in kritischen Behörden oder auch Institutionen mit hohen Geheimhaltungsstufe wie der Bundeswehr bei der Konzeptionierung von Produkten für die Cloud. Das geht kurzfristig zu Lasten der Marge, doch in zwei bis drei Jahren soll alles stehen und ein neuer Treiber für den SDAX-Konzern werden. Dabei befinden sich auch die Behörden in einer Zwickmühle, da sie einerseits den Komfort cloudbasierter Lösungen aus vielen normalen Anwendungen längst zu schätzen wissen, der Einsatz bei wirklich sensiblen Daten bislang aber nicht in Frage kommt.
Am Ende wird man die Sicherheit aber definitiv nicht dem Thema Zeit opfern. Dafür sind die Projekte mitunter viel zu brisant. Aus der Kapitalmarktbrille betrachtet, dürfte secunet also auch im kommenden Jahr noch eher unterdurchschnittliche Margen erzielen. Dabei müssen sich die Investoren bereits für das laufende Jahr auf ein Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) einstellen, was mit rund 50 Mio. Euro nur moderat über dem 2022er-Niveau von 47 Mio. Euro liegen dürfte. Tatsächlich dämpft Thomas Pleines sogar ein wenig die Erwartungen für das dritte Quartal 2023 – die Zahlen werden am 9. November veröffentlicht. Nach rund 4 Mio. Euro EBIT zum Halbjahr, dürfte die Lücke bis zum Gesamtjahresziel wohl erst im Abschlussquartal entscheidend geschlossen werden. Diese extreme Saisonalität – bezogen auf ein einzelnes Quartal – ist bei secunet aber eher der Normalfall, selbst wenn sich der Verlauf bei den Essenern im Vergleich zu früheren Jahren ein wenig geglättet hatte.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 158,32 | 163,29 | 226,90 | 285,59 | 337,62 | 347,22 | 393,69 | |
EBITDA1,2 | 25,28 | 29,11 | 39,91 | 59,70 | 73,81 | 61,88 | 60,44 | |
EBITDA-Marge3 | 15,97 | 17,83 | 17,59 | 20,90 | 21,86 | 17,82 | 15,35 | |
EBIT1,4 | 23,45 | 26,91 | 33,18 | 51,64 | 63,88 | 47,01 | 42,98 | |
EBIT-Marge5 | 14,81 | 16,48 | 14,62 | 18,08 | 18,92 | 13,54 | 10,92 | |
Jahresüberschuss1 | 15,87 | 17,82 | 22,18 | 34,98 | 42,90 | 31,29 | 29,00 | |
Netto-Marge6 | 10,02 | 10,91 | 9,78 | 12,25 | 12,71 | 9,01 | 7,37 | |
Cashflow1,7 | 20,35 | 7,67 | 31,25 | 56,38 | 53,74 | -3,96 | 51,88 | |
Ergebnis je Aktie8 | 2,45 | 2,77 | 3,44 | 5,43 | 6,66 | 4,84 | 4,51 | |
Dividende8 | 1,20 | 2,04 | 1,56 | 2,54 | 5,38 | 2,86 | 2,36 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: BDO |
Sollte die von Finanzvorstand Thomas Pleines vermutete Tendenz tatsächlich so eintreffen, braucht secunet aber in der Tat ein sehr starkes Abschlussviertel, um die Prognose für 2023 zu erreichen. Das bisherige Q4-Rekord-EBIT von 23,1 Mio. Euro von 2022 müsste nach Auffassung von boersengefluester.de dann vermutlich sogar getoppt werden, um die Vorschau einzulösen. Die kommenden Monate werden also spannend. Nach Abschluss der Investitionsphase will secunet dann zurück Richtung 18 Prozent bei den operativen Margen. Interessant auch die Ausführungen von Thomas Pleines hinsichtlich des viel zierten Sondervermögens von 100 Mrd. Euro für die Bundeswehr. Hier galt secunet aufgrund seiner starken Position als Lieferant der Bundeswehr schnell als einer der möglichen Profiteure bei der Verteilung. Die anfängliche Euphorie diesbezüglich an der Börse ist zwar längst gewichen, da die Beschaffungsprozesse extrem langwierig sind und es schwerpunktmäßig doch eher um Großwaffen und Munition geht.
„Direkte Gelder aus dem Fonds werden wir wohl nicht sehen“, sagt Thomas Pleines – ergänzt jedoch in einem Atemzug: „Wir hängen hinten dran und sind dann Nutznießer.“ Soll heißen – wenn es um die späteren Kommunikationsprozesse zwischen Gerät und Einsatzzentralen geht, kommt secunet wieder in den Ring. Mit Blick auf den sehr viel kleineren Business-Sektor (Industrie und Gesundheitswesen) verweist der CFO auf den anstehenden Switch beim Gesundheitskonnektor für Arztpraxen, Apotheken und Krankenhäuser von einer hardwarebasierten Lösung Richtung Software-Tool. Hier konkurriert secunet mit der ebenfalls börsennotierten CompuGroup Medical. Losgelöst davon bleiben für die Essener Spezialanwendungen wie der Datenschutz bei sehr teuren medizinischen Geräten wie etwa Computertomographen interessante Nischen.
Ein Thema für secunet bleibt auch die Erweiterung des eigenen Lösungsangebots via anorganisches Wachstum. Zur Einordnung: Im Frühjahr 2022 hatte die Gesellschaft mit dem 50 Mio. Euro-Zukauf SysEleven einen großen Schritt nach vorn in Sachen Cloud-Technologie gemacht. Zuvor gab es im Mai 2021 eine Arrondierung mit dem für 10 Mio. Euro erworbenen Messengerspezialisten stashcat. Nach Einschätzung von Thomas Pleines steht erst mal kein so großer Brocken wie SysEleven auf der Agenda. Immerhin gilt es auch die eigene Liquidität zu schonen, finanziert wird bei secunet schließlich nicht via Bankkredit oder gar Kapitalerhöhung, sondern über den Cashbestand. Und der war zuletzt deutlich geschrumpft.
Was heißt das alles für den seit Monaten per saldo seitwärts laufenden Aktienkurs? Den massiven Treiber für einen kurzfristigen Ausbruch nach oben gibt es vermutlich nicht. Möglicherweise werden die Q3-Zahlen – nach den erfreulich dynamischen Q2-Resultaten – sogar eine erneute Belastungsprobe. Auf der Habenseite bleibt, dass sich secunet weiterhin in einem dynamisch wachsenden Umfeld bewegt und dabei mitunter sogar kaum Konkurrenz hat. Die Entwicklungsaufwendungen Richtung Cloud drücken zwar auf die Rendite, sind im Grunde aber das Ticket für die Zukunft. Wer ein wenig Zeit mitbringt, liegt bei secunet demnach richtig. Immerhin gibt es nicht so viele heimische Nischenanbieter aus dem Techsektor, die ähnlich stark positioniert sind.
Foto: Unsplash+
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