Wer sich in den vergangenen Jahren nicht übermäßig intensiv mit der Aktie von Schweizer Electronic beschäftigt hat, hat Glück gehabt. Das 2018 gestartete Mammutprojekt zum Bau einer Hochtechnologie-Produktionsstätte in China hat sich für den Hersteller von Leiterplatten als Fass ohne Boden erwiesen – zumindest gemessen an den eigenen finanziellen Ressourcen. Insofern war es auch eine clevere Entscheidung im vergangenen Jahr, den bisherigen Mehrheitsanteil auf 20 Prozent zu reduzieren und so die operative Verantwortung auf den chinesischen Partner WUS zu übertragen. „Fab Light“ lautet der Strategieschwenk: Demnach stärkt Schweizer Electronic die Fabrikationsanlagen im Stammwerk in Schramberg (Schwarzwald) und nutzt gleichzeitig ein Partner-Geschäftsmodell in Asien für das weitere Wachstum. Ein wesentlicher Vorteil ist, dass sich so auch signifikante Umsatzsteigerungen ohne Erweiterungsinvestitionen in neue Maschinen realisieren lassen. Die entscheidenden Absatzregionen sind dabei Europa, Nordamerika und Japan – wobei die Automobilhersteller die mit Abstand wichtigsten Kunden sind, gefolgt vom Maschinenbau.
Dem Kapitalmarkt ist die Neuaufstellung des Unternehmens zwar nicht gänzlich verborgen geblieben, doch boersengefluester.de hat den Eindruck, dass die meisten Investoren den Einfluss der jüngsten Veränderungen noch unterschätzen. Das fängt an bei der Bilanz: Nachdem Schweizer für 2022 ein negatives Eigenkapital ausweisen musste, zeigt die Gesellschaft aufgrund der Entkonsolidierung des chinesischen Joint Ventures nun wieder ein positives Eigenkapital von immerhin knapp 26 Mio. Euro – bei einer Bilanzsumme von rund 106 Mio. Euro. Der Buchwert je Aktie von 6,82 Euro liegt damit deutlich über dem aktuellen Kurs von 5,45 Euro. Die Netto-Finanzschulden liegen derweil mit 16,6 Mio. Euro signifikant unter dem Vorjahreswert von 87,7 Mio. Euro.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 120,93 | 125,35 | 120,74 | 98,31 | 122,66 | 131,05 | 139,44 | |
EBITDA1,2 | 8,44 | 9,16 | 0,09 | -9,53 | -8,46 | -12,29 | 47,44 | |
EBITDA-Marge3 | 6,98 | 7,31 | 0,07 | -9,69 | -6,90 | -9,38 | 34,02 | |
EBIT1,4 | 0,35 | 1,63 | -6,52 | -18,53 | -19,81 | -24,50 | 40,93 | |
EBIT-Marge5 | 0,29 | 1,30 | -5,40 | -18,85 | -16,15 | -18,70 | 29,35 | |
Jahresüberschuss1 | 3,46 | 0,51 | -5,58 | -17,88 | -26,19 | -33,52 | 32,89 | |
Netto-Marge6 | 2,86 | 0,41 | -4,62 | -18,19 | -21,35 | -25,58 | 23,59 | |
Cashflow1,7 | 4,63 | 5,93 | 5,29 | -7,96 | -14,83 | -3,58 | 9,90 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,92 | 0,14 | -1,48 | -4,74 | -6,95 | -7,85 | 8,72 | |
Dividende8 | 0,30 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: KPMG |
Massiv auch die Auswirkungen auf die Gewinn- und Verlustrechnung für 2023: Demnach drehte das EBITDA (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) von minus 12,29 auf plus 47,44 Mio. Euro. Bereinigt um den WUS-Effekt verbesserte sich das EBITDA von 5,00 auf 8,90 Mio. Euro, was einer operativen Marge von knapp 6,4 Prozent entspricht. Im laufenden Jahr sollte die EBITDA-Rendite dann leicht über die Marke von 7 Prozent steigen. Jedenfalls avisiert CEO Nicolas-Fabian Schweizer Erlöse zwischen 140 und 150 Mio. Euro sowie ein EBITDA in einer Bandbreite von 10 bis 11 Mio. Euro. „Wachstumstreiber wird der Hochlauf größerer Projekte im Bereich Automotive sein“, heißt es im kürzlich veröffentlichten Geschäftsbericht 2023. Für den Hinterkopf: Aufgrund des künftig wachsenden Handelsgeschäfts mit Leiterplatten wird die EBITDA-Marge tendenziell verwässert, so dass der Vorstand künftig nicht mehr auf diese Kenngröße in seinem Reporting abzielt. Insgesamt hat sich das Chance-Risiko-Profil des im Börsensegment General Standard gelisteten Unternehmens für unseren Geschmack signifikant verbessert.
Nächste Bewährungsprobe sind die für den 8. Mai 2024 angesetzten Zahlen für das erste Quartal. Auch wenn das wirtschaftliche Umfeld zurzeit schwierig ist, wesentliche Anpassungen bezogen auf die erst kürzlich kommunizierten Ziele für 2024 erwarten wir nicht. Wer einige Quartale Zeit und aufgrund des Börsenwerts von lediglich knapp 21 Mio. Euro auch eine gute Portion Risikobereitschaft mitbringt, sollte mit der Schweizer Electronic ein aussichtsreiches Investment für sein Depot bekommen. Die Analysten von Montega setzen das Kursziel bei exakt 10 Euro an. Spannend auch die Aktionärsstruktur, denn neben der dominierenden Familie Schweizer und dem chinesischen Partner WUS hält seit vielen Jahren auch DAX-Konzern Infineon mit 9,39 Prozent einen signifikanten Teil an Schweizer Electronic. Dem Streubesitz sind 34,32 Prozent zuzurechnen. Aufgrund der überschaubaren Handelsliquidität sind Limits Pflicht.
Foto: Unsplash+
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