Wer mit dem Zug am Bahnhof in Göttingen hält, bekommt es auf einem Schild sofort zu lesen: „Göttingen – Die Stadt, die Wissen schafft.“ Aus Börsensicht würde der Slogan der Universitätsstadt vermutlich lauten: „Göttingen – Die Stadt, die Werte schafft.“ Zwar ist Göttingen in unserem Top-Ranking der deutschen Börsenstädte mit nur einem Unternehmen vertreten. Aber das hat es eben in sich: Sartorius. Allein seit Jahresbeginn hat der im MDAX und TecDAX gelistete Laboranbieter seinen Börsenwert um 5,57 Mrd. Euro auf knapp 13,25 Mrd. Euro gesteigert, was einem Zuwachs von fast 73 Prozent entspricht. Auf Sicht von drei Jahren türmt sich das Plus sogar auf etwas mehr als 175 Prozent. Es gibt nicht so fürchterlich viele Indexwerte, die da mithalten können. Keine Frage: Sartorius zeigt seit Jahren ein beständiges Wachstum und arbeitet dabei mit sehr auskömmlichen EBITDA-Margen von mindestens 25 Prozent. Gleichwohl beschleicht einem bei der Analyse von Geschäfts- und Zwischenberichten immer das Gefühl, dass die absoluten Zahlen – gemessen an der mittlerweile bombastischen Marktkapitalisierung – vielleicht doch ein wenig zu niedrig sind.
So kam Sartorius im vergangenen Jahr bei Erlösen von 1,566 Mrd. Euro auf ein um Sondereffekte bereinigtes Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (underlying EBITDA) von 405 Mio. Euro. Der ausgewiesene Jahresüberschuss lag bei knapp 200 Mio. Euro. Selbst auf Basis zuversichtlicher Gewinnschätzungen für 2020 wird die Vorzugsaktie zurzeit mit einem KGV von deutlich mehr als 50 gehandelt. Kein Wunder, dass die Mehrzahl der Analysten den Anteilschein auf „Verkaufen“ oder bestenfalls „Halten“ stehen hat. Einigermaßen erträglich wird die Rechnung wohl erst, wenn man seinen Blick auf die vom Management erstellten Ziele für 2025 richtet. Bis dahin will Sartorius bei Erlösen von rund 4 Mrd. Euro auf eine operative EBITDA-Marge von 28 Prozent kommen – entsprechend einem Wert von gut 1,1 Mrd. Euro. Zum Vergleich: Unter Berücksichtigung der Netto-Finanzverbindlichkeiten von zurzeit ebenfalls etwa 1,1 Mrd. Euro wird Sartorius also mit dem Sechsfachen des für 2025 erwarteten EBITDA gehandelt.
Doch ganz ehrlich: Wer richtet seine Investitionsrechnung gegenwärtig schon primär an den erhofften Zahlen für 2025 aus? Doch wohl nur ganz wenige extrem langfristig ausgerichtete Anleger. Und selbst dann: Nach Auffassung von boersengefluester.de ist die komplette Wachstumsfantasie schon jetzt eingepreist in der Aktie. Diese Auffassung vertreten wir freilich schon eine ganze Weile und liegen verkehrt damit. Doch es will uns einfach nicht in den Kopf, warum es den Investoren scheinbar egal ist, ob die Sartorius-Aktie mit einem KGV von 40, 50 oder 60 gehandelt wird – während bei anderen Titeln mitunter beinahe auf die Nachkommastelle geachtet wird. So beeindruckend die Performance der Göttinger an der Börse auch ist, die Chance-Risiko-Kombination gefällt uns – sowohl bei den Stämmen als auch bei den Vorzügen– überhaupt nicht. Das gilt auch für die Charttechnik.
Natürlich ist er Aufwärtstrend super intakt. Doch der gegenwärtig auf über 30 Prozent gestiegene Abstand zur 200-Tage-Durchschnittslinie signalisiert ebenfalls Konsolidierungsbedarf. Wer sich mit einem Hebelprodukt antizyklisch gegen die Sartorius-Aktie stellen will, kann dies mit einem Turbo-Short der DZ BANK tun: In Frage kommt für unseren Geschmack das Papier mit der WKN DF23NE. Hier ist der Hebel mit 2,09 nicht übermäßig hoch und auch der Abstand zur Knock-out-Schwelle bei 274,268 Euro dürfte ausreichend dimensioniert sein. Schließlich kann die Aktie ja noch ein Stück weiter Richtung Norden weiterlaufen, ehe die zu erwartende Korrektur kommt. Ganz lösen von den Gesetzen der Schwerkraft kann sich schließlich auch die Sartorius-Aktie nicht. Dafür braucht es noch nicht einmal eine Wissenschaft.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 1.404,57 | 1.566,03 | 1.826,97 | 2.335,66 | 3.449,22 | 4.174,70 | 3.395,70 | |
EBITDA1,2 | 353,20 | 405,00 | 495,80 | 636,70 | 1.134,26 | 1.410,40 | 962,70 | |
EBITDA-Marge3 | 25,15 | 25,86 | 27,14 | 27,26 | 32,89 | 33,78 | 28,35 | |
EBIT1,4 | 219,36 | 298,61 | 335,66 | 456,11 | 903,16 | 1.064,80 | 503,90 | |
EBIT-Marge5 | 15,62 | 19,07 | 18,37 | 19,53 | 26,18 | 25,51 | 14,84 | |
Jahresüberschuss1 | 159,33 | 197,48 | 218,74 | 299,56 | 426,98 | 913,10 | 290,00 | |
Netto-Marge6 | 11,34 | 12,61 | 11,97 | 12,83 | 12,38 | 21,87 | 8,54 | |
Cashflow1,7 | 206,51 | 244,52 | 377,19 | 511,53 | 865,81 | 734,20 | 853,60 | |
Ergebnis je Aktie8 | 2,10 | 2,57 | 3,07 | 4,38 | 8,09 | 9,58 | 4,95 | |
Dividende8 | 0,50 | 0,62 | 0,36 | 0,71 | 1,26 | 1,44 | 0,74 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: KPMG |
Foto: Sartorius AG