Da reiben sich selbst langjährige Kenner die Augen. Aber so hohe Handelsumsätze, wie sie seit Mitte Oktober auf Xetra kontinuierlich zu beobachten sind, gab es bei Rhön-Klinikum schon lang nicht mehr. Zeitlich fällt der auffällige Volumenanstieg in den Start des großen Aktienrückkaufprogramms. Eine direkte Folge der Offerte sind die immensen Stückzahlen allerdings nicht, denn technisch wird das Milliarden-Projekt außerbörslich abgewickelt. Was also steckt hinter dem explosiven Handel? Kolportiert wird immer wieder, dass der Klinikverbund Asklepios mit dem Pharma- und Medizintechnikonzern B. Braun Melsungen gemeinsame Sache macht und es auf eine Mehrheitsbeteiligung bei Rhön-Klinikum anlegt. Als potenzieller Interessent gelten in Branchenkreisen aber auch die Sana Kliniken aus Ismaning bei München. Bislang war B. Braun mit 15,1 Prozent bei dem MDAX-Konzern engagiert, Asklepios hielt 5,0 Prozent der Stimmen. Die Gewichte könnten sich allerdings schon durch die Rückkaufofferte maßgeblich verschieben. Bereits zum Start meldeten Firmengründer Eugen Münch und seine Frau Ingeborg, dass sie sich von etwa der Hälfte ihrer Anteile – gemeinsam hielten sie 12,4 Prozent – getrennt haben. Demnach haben sie ihr maximales Andienungsvolumen voll ausgeschöpft. Die Mitteilung wurde zwar später annulliert, was allerdings rein technische Gründe gehabt haben dürfte. Formal haben die beiden ihre Aktien schließlich noch nicht verkauft, sondern lediglich angedient. Überwiesen wird der Kaufpreis am dritten Arbeitstag nach Ende der Angebotsfrist am 14. November – also am 19. November.
Das Verhalten der Familie Münch war für Firmenkenner keine sonderliche Überraschung, immerhin wurde das Vehikel Aktienrückkauf ja unter anderem aus dem Grund gewählt, um ausstiegswilligen Großinvestoren einen kursschonenden Verkauf zu ermöglichen. Wesentlich überraschender ist da schon, wie zögerlich die anderen Aktionäre bislang auf die Offerte reagieren. Gemäß der dritten Wasserstandsmeldung vom 6. November 2014 wurden gerade einmal 14.104.50 Aktien eingereicht. Das entspricht einer Quote von 10,2 Prozent des Grundkapitals. Zur Einordnung: Nach der zweiten Wasserstandsmeldung vom 31. Oktober waren es 10.093.930 Aktien – was einem Anteil von rund 7,3 Prozent gleichkam. Traditionell zögern viele Investoren ihre Entscheidung möglich lange hinaus – das haben vom Prozedere her vergleichbare Fälle wie zuletzt WMF oder R. Stahl – einmal mehr gezeigt. Dennoch ist die geringe Resonanz erstaunlich. Auf dem gegenwärtigen Stand müsste Rhön-Klinikum gerade einmal 355 Mio. Euro in die Hand nehmen. Das maximale Volumen beträgt 65.813.330 Aktien – entsprechend einem Gegenwert von knapp 1,66 Mrd. Euro.
Bemerkenswert ist der enorme Kursrutsch der Andienungsrechte (WKN: A12UPR) von bis zu 1,45 Euro zum Handelsstart Mitte Oktober auf gegenwärtig nur noch 0,59 Euro. Jeder Anleger erhielt zum Start des Rückkaufprogramms pro Aktie ein Andienungsrecht. Jeweils 21 solcher Andienungsrechte berechtigen anschließend zum Verkauf von 10 Rhön-Klinikum-Aktien zu einem Preis von jeweils 25,18 Euro. Für die Kurse der Andienungsrechte gilt eine einfache Regel: Je höher die „normale” Rhön-Aktie notiert, desto weniger sind die Andienungsrechte wert. Ab einem Aktienkurs von 25,18 Euro haben die Rechte theoretisch gar keinen Wert mehr, schließlich könnte man seine Anteile auch ohne die Andienungsrechte für 25,18 Euro verkaufen – und zwar über die Börse. Trotzdem bieten sich gegenwärtig auch keine Arbitragemöglichkeiten. Wer sich momentan 21 Andienungsrechte zu je 0,58 Euro sowie 10 Rhön-Aktien zu 25,18 Euro das Stück kauft und diese dann dem Unternehmen zu 25,18 Euro das Stück andient, hat am Ende ein Null-Summengeschäft gemacht. Interessant ist allerdings die Frage nach Henne und Ei: Hat der Druck auf die Kurse der Andienungsrechte für die steigenden Notierungen bei der Rhön-Aktie gesorgt – oder verhält es sich genau umgekehrt? Gut zu wissen ist auf jeden Fall, dass der Handel mit den Andienungsrechten bereits zwei Bankarbeitstage vor Ablauf der Annahmefrist – also am 12. November, 24.00 Uhr endet.
Von der Analystenseite gab es zuletzt zwei Herabstufungen: Sowohl die Berenberg Bank als auch Equinet haben ihre Handlungsempfehlung für den MDAX-Titel von Kaufen auf Halten geändert. Equinet siedelt den fairen Wert für das Papier bei 25 Euro an, Berenberg ist von 26,50 auf 24,50 Euro heruntergegangen. Trotzdem: Boersengefluester.de traut der Rhön-Aktie auch künftig eine anständige Kursentwicklung zu. Sollte sich beispielsweise Asklepios outen und mit einer Übernahmeofferte an die verbliebenen Anteilseigner wenden, ist wohl klar: Bei 25 Euro ist die Abgabebereitschaft der Investoren eher überschaubar. Keine wirkliche Neueinschätzung kann sich indes aus dem neuesten Zwischenbericht ergeben. So betont die Gesellschaft: „Aufgrund des signifikant veränderten Zuschnitts des Unternehmens, den bilanziellen Sondereffekten als Folge der Transaktion sowie den Auswirkungen auf das operative Geschäft wird die Rhön-Klinikum AG für das laufende Geschäftsjahr keine Umsatz- und Ergebnisziele nennen.“ Für 2015 hält der MDAX-Konzern an der bisherigen Prognose fest, wonach bei Erlösen von 1,06 Mrd. bis 1,12 Mrd. Euro mit einem Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) zwischen 145 Mio. EUR und 155 Mio. Euro zu rechnen sei. Zum Vergleich: Rhön-Klinikum (alt) kam 2013 auf einen Konzernumsatz von 3,01 Mrd. Euro sowie ein EBITDA von 275 Mio. Euro.