Paukenschlag bei R. Stahl. Nur zwei Tage nachdem der Hersteller von explosionsgeschützten Elektronikbauteilen seine erst wenige Wochen alten Prognosen für 2014 bereits wieder nach unten revidieren musste, überrascht der nicht börsennotierte Elektronikspezialist Weidmüller mit einem Übernahmeangebot für R. Stahl. Immerhin 47,50 Euro will das Unternehmen aus Detmold pro R. Stahl-Aktie auf den Tisch legen. Damit können sich alle diejenigen Investoren in den Hintern beißen, die gestern aufgrund der Umsatzwarnung ihre Anteile verkauft haben. Immerhin entspricht der gebotene Preis einem Aufschlag von 48 Prozent auf den Schlusskurs vom 9. April.
Auf diesem Niveau käme R. Stahl auf einen Börsenwert von knapp 306 Mio. Euro. Zur Einordnung: Für 2013 kalkuliert die Gesellschaft aus Waldenburg mit Erlösen in einer Bandbreite zwischen 315 bis 325 Mio. Euro sowie einem konstanten Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) von 24 bis 26 Mio. Euro. Weidmüller kam 2013 auf einen Umsatz von gut 304 Mio. Euro und ist unter diesem Blickwinkel etwa doppelt so groß wie R. Stahl. „Der Zusammenschluss mit R. Stahl wäre ein wichtiger Schritt, um unseren Kunden eine breitere Produktpalette anbieten zu können und uns damit noch besser im internationalen Wettbewerb aufzustellen. Unternehmensgröße erlangt in diesem Umfeld eine entscheidende Bedeutung“, begründet Peter Köhler, Vorstandschef von Weidmüller, den überraschenden Vorstoß. Eine Übernahme von R. Stahl hatte schließlich niemand aus der Börsenszene auf der Rechnung.
Weitere Details zu der Offerte – etwa die Anknüpfung an bestimmte Bedingungen – liegen noch nicht vor. Klar ist allerdings: Ohne die Gründerfamilien – sie halten immerhin rund 51 Prozent der R. Stahl-Aktien – geht nichts. Mittlerweile steht jedoch fest, dass es sich nicht wirklich um einen freundlichen Übernahmeversuch handelt. So teilte R. Stahl mit: „Bereits im Vorfeld haben Vertreter der Firma Weidmüller das Gespräch mit dem Familienkonsortium als unserem Hauptaktionär gesucht. Das Familienkonsortium hat eine Aufnahme von Gesprächen abgelehnt. In der Vergangenheit wurde R. Stahl häufiger mit Anfragen dieser Art konfrontiert. In all diesen Fällen hat das Familienkonsortium zum Unternehmen gestanden, um die Unabhängigkeit weiter zu bewahren.“
Trotz des Bekenntnisses zur R. Stahl werden sich die Investoren fragen, wo die Schmerzgrenze der Familiengesellschafter – wenn es denn eine gibt – beim Preis liegt. Mit den 47,50 Euro ist Weidmüller bereits relativ hoch eingestiegen. Wie zu hören ist, sollen die Gründer aber selbst bei Kursen um 50 Euro nicht schwach geworden sein. Dabei würden sie einen guten Schnitt machen. R. Stahl wurde Mitte 1997 zu 35 Mark an der Börse eingeführt und geriet anschließend voll in den Baissestrudel. Von 2004 bis 2007 erholte sich die Notiz zwar kräftig. Anschließend folgte jedoch ein neuerlicher Absturz von 40 bis auf weniger als 15 Euro. 2009 setzt dann wieder ein kräftiger Aufschwung ein, der die Notiz zurück bis in den Bereich um 40 Euro führte – bei dieser Marke setzte jedoch auch diesmal der Umschwung ein. Zuletzt machten sich etliche Investoren sorgen, dass der zyklische Abschwung R. Stahl erneut treffen können und rieten zum Verkauf des Titels. Boersengefluester.de stufte das Papier immerhin als Halten-Position ein. Das moderate KGV und die erkleckliche Dividendenrendite waren die Gründe für diese Einstufung.
Nun beginnt das übliche Prozedere bei Übernahmeofferten. Trotz der respektablen Prämie werden die Anleger auf eine Nachbesserung hoffen. Ob es dazu kommt, lässt sich derzeit nicht seriös vorhersagen. Es spricht jedoch einiges dafür. Die Spekulation ist also eröffnet. Die Großaktionäre müssen sich genau überlegen, wie sich verhalten sollen. Sollten Sie den Deal platzen lassen, würde der Aktienkurs massiv zusammenknicken. Immerhin war das Sentiment für den Titel zuletzt nicht sonderlich gut. Der Zorn des Kapitalmarkts wäre ihnen gewiss. Daher führt kein Weg dran vorbei, möglichst viel für alle Aktionäre heraus zu holen. Denkbar wäre in diesem Zusammenhang auch ein eigenes Gegenangebot mit anschließenden Delisting. Oder aber R. Stahl sucht sich – sollte die Chemie mit Weidmüller nun gar nicht stimmen – einen anderen Partner. Schaden können all diese Überlegungen dem Aktienkurs jedenfalls nicht.