Allmählich werden sich immer mehr Investoren von R. Stahl in den Hintern beißen, dass die 50-Euro-Offerte von Weidmüller nicht zustande gekommen ist – vielleicht sogar aus dem Kreis der standhaft gebliebenen Familienaktionäre. Grund: Mittlerweile ist die Notiz des Anbieters explosionsgeschützten Elektrobauteilen unter die Marke von 40 Euro gerutscht, und die Perspektiven für eine Trendwende sehen nicht eben rosig aus. Immerhin schickte Vorstandschef Martin Schomaker mit dem Halbjahresbericht gleich noch eine Gewinnwarnung raus. Statt des ursprünglich erwarteten Ergebnisses vor Zinsen und Steuern (EBIT) von 24 bis 26 Mio. Euro rechnet der Manager für 2014 jetzt nur noch mit einem Betriebsergebnis zwischen 18 und 22 Mio. Euro. „Durch die Verteidigung unserer Eigenständigkeit konnten wir unseren Wachstumskurs nicht mit voller Geschwindigkeit fortsetzen. Wir werden die zweite Jahreshälfte bestmöglich nutzen, um zu unserem gewohnten Tempo zurückzukehren. Allerdings werden wir einzelne Etappenziele erst später realisieren,” sagt Schomaker. Die direkten und indirekten Aufwendungen im Zusammenhang mit der Übernahmeschlacht beziffert R. Stahl auf rund 5 Mio. Euro, eine stolze Summe. Demnach kam die Gesellschaft im ersten Halbjahr 2014 – bei leicht rückläufigen Umsätzen von 146,50 Mio. Euro – auf ein EBIT von 5,57 Mio. Euro. Das entspricht einem Minus von 52,65 Prozent gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreswert.
Quasi als Beruhigungspille weist Schomaker darauf hin, dass die im Zuge der Weidmüller-Annäherung kommunizierten Ziele bis 2016 nicht angetastet werden. Demnach will R. Stahl bis Ende 2016 auf Erlöse von 380 bis 390 Mio. Euro kommen – bei einer EBIT-Marge von elf bis zwölf Prozent. Das entspräche einem Betriebsergebnis zwischen 42 und 47 Mio. Euro. Zur Einordnung: 2013 kam das Unternehmen aus Waldenburg (Württemberg) auf ein EBIT von 25 Mio. Euro. Der Konzern hat in den vergangenen Jahren mächtig investiert und rechnet nun mit entsprechenden Rückflüssen. Bei der Bewertung der Aktie ist dieser Punkt sicher nicht zu vernachlässigen. Andererseits wundert es auch nicht, wenn die Börsianer zunächst einmal auf die Gegenwart schauen. Und hier steht eine Marktkapitalisierung von knapp 254 Mio. Euro einem für 2014 zu erwartendem EBIT von rund 20 Mio. Euro entgegen. Das ist nicht abgehoben, aber auch kein Schnäpper. Zudem beträgt das Kurs-Buchwert-Verhältnis eher üppige 3,6. Hinzu kommt ein Familienclan der mehr als deutlich signalisiert hat, dass er von außenstehenden Investoren nicht sonderlich viel hält.
Fazit: Grundsätzlich ist R. Stahl eine tolle Firma – anders wäre das Übernahmeinteresse von Weidmüller auch nicht zu erklären – mit guten Perspektiven. Nur momentan kann R. Stahl das Potenzial nicht voll abrufen. Wir bleiben daher vorerst bei unserer Einschätzung: Verkaufen. Interessant wird der Titel unter KGV-Aspekten erst auf 2016er-Basis. Angesichts der vielen Unbekannten scheint uns dieser Blick aber noch verfrüht. Derweil müssen sich der Vorstand und die Familie an den von Weidmüller gebotenen 50 Euro messen lassen. Aktueller Kurs: 39,40 Euro.