Was für eine kuriose Überschneidung: Mitte April 2023 gab Progress-Werk Oberkirch – kurz: PWO – überraschend bekannt, dass die erst zum Jahresbeginn 2021 zum CFO berufene Cornelia Ballwießer den Automobilzulieferer ihren Vertrag aus privaten Gründen nicht verlängert und künftig eine Tätigkeit im Raum München aufnehmen möchte. Wenig später war klar, wohin es Cornelia Ballwießer zieht: Die 57jährige wechselte mit Wirkung zum 1. Juli zu dem rund 300 Kilometer von Oberkirch entfernt in Garching bei München ansässigen Spezialmaschinenbauer Süss Microtec. Eine ihrer ersten Amtshandlungen dort war kürzlich die Umsatzprognose für 2023 am oberen Ende um 20 Mio. Euro auf nun 320 bis 340 Mio. Euro zu kürzen und gleichzeitig die erwartete EBIT-Marge auf eine Bandbreite von 9 bis 11 Prozent zu stutzen – nach ursprünglich avisierten 10 bis 12 Prozent. Eine Neuigkeit, die am Kapitalmarkt naturgemäß nicht besonders gut ankam.
Eine sehr viel angenehmere Botschaft Richtung Börse hatte dagegen zuletzt der neue PWO-Finanzvorstand Jochen Lischer parat. Er durfte nämlich die ursprünglich von Cornelia Ballwießer kommunizierten Finanzziele für das laufende Jahr nach oben korrigieren. Demnach rechnet der Produzent von Spezialgehäusen, Trägerelementen oder auch Airbagkomponenten jetzt mit einem Ergebnis vor Zinsen und Steuern (vor Währungseffekten) zwischen 23 und 26 Mio. Euro. Das sind an beiden Prognoseseiten 3 Mio. Euro mehr als bislang. Damit würde PWO zwar weiterhin hinter dem sehr hohen 2022er-Wert von 27,5 Mio. Euro zurückbleiben, angesichts der anhaltenden Belastungen auf der Kostenseite sowie der labilen Gesamtwirtschaft, ist der aktualisierte Ausblick des vor gut 20 Jahren sogar im SDAX gelisteten Unternehmens aber trotzdem ein starkes Signal und zeigt, wie robust PWO bereits aufgestellt ist. Zur Einordnung: In den ersten sechs Monaten 2023 kam PWO bei einem Umsatzanstieg von knapp 9 Prozent auf 280,5 Mio. Euro auf ein EBIT vor Währungseffekten von 14,9 Mio. Euro – nach 16,9 Mio. Euro in der vergleichbaren Vorjahresperiode.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 461,01 | 476,27 | 458,62 | 371,15 | 404,27 | 530,76 | 555,84 | |
EBITDA1,2 | 44,96 | 42,70 | 45,98 | 21,17 | 47,16 | 51,19 | 52,04 | |
EBITDA-Marge3 | 9,75 | 8,97 | 10,03 | 5,70 | 11,67 | 9,64 | 9,36 | |
EBIT1,4 | 20,53 | 18,43 | 19,93 | -10,10 | 21,82 | 26,78 | 27,86 | |
EBIT-Marge5 | 4,45 | 3,87 | 4,35 | -2,72 | 5,40 | 5,05 | 5,01 | |
Jahresüberschuss1 | 10,06 | 6,64 | 9,10 | -11,66 | 14,74 | 15,21 | 16,22 | |
Netto-Marge6 | 2,18 | 1,39 | 1,98 | -3,14 | 3,65 | 2,87 | 2,92 | |
Cashflow1,7 | 38,31 | 38,45 | 47,95 | 49,20 | 20,96 | 11,57 | 37,39 | |
Ergebnis je Aktie8 | 3,22 | 2,12 | 2,91 | -3,73 | 4,72 | 4,87 | 5,19 | |
Dividende8 | 1,65 | 1,35 | 0,00 | 0,00 | 1,50 | 1,65 | 1,75 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: KPMG |
„Der Rückgang resultiert im Wesentlichen daraus, dass eine Reihe von Kundenverhandlungen über die auf breiter Front massiv gestiegenen Kosten noch nicht final abgeschlossen sind. Wir sehen unsere Gespräche hierzu auf gutem Weg und sind überzeugt, dass wir sie mit einem für alle Parteien fairen Ergebnis abschließen werden“, sagt CDEO Carlo Lazzarini. An der Börse hat die heraufgesetzte Prognose ihre Wirkung nicht verfehlt. Nach einer zuvor eher schwachen Performance ging es mit dem Aktienkurs deutlich nach oben. Zwar ist der Titel am Februar-Hoch von 34 Euro erst einmal abgeprallt, doch mit Unterstützung eines steigenden Gesamtmarkts sollte die Notiz noch längst nicht ausgereizt sein.
Unter Berücksichtigung – der allerdings doch recht üppigen Netto-Finanzverschuldung von gut 103 Mio. Euro – kommt PWO auf einen Unternehmenswert von knapp 205 Mio. Euro. Das wiederum entspricht nur etwa dem Vierfachen des von boersengefluester.de für das laufende Jahr erwarteten EBITDA. Selbst für den traditionell eher niedrig bewerteten Sektor der Automobilzulieferer eher ungewöhnlich ist zudem der Discount von fast einem Drittel auf den Buchwert. Last but not least gefällt boersengefluester.de auch die knackige Darstellung des Unternehmens nach außen. Die Geschäftsberichte von PWO gehören für unseren Geschmack seit 2020 mit zu den am attraktivsten gestalteten und bestens navigierbaren Reports aus dem Spezialwertebereich – siehe dazu unser Update vom April (HIER).
Insgesamt bietet die Aktie eine vorteilhafte Chance-Risiko-Kombination und eignet sich daher für erfahrene Investoren mit langfristiger Ausrichtung. Die Marktkapitalisierung beträgt etwas mehr als 100 Mio. Euro, was den Titel auch für institutionelle Investoren zunehmend interessant macht.
Foto: PWO AG (150 Tonnen-Presse von Schuler im PWO-Werk)
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