Ganz schön viel Holz auf einmal. Innerhalb von knapp drei Wochen hat das Immobilienunternehmen publity derart viele börsenrelevante Nachrichten parat, wie andere Gesellschaften mitunter nicht in einem ganzen Jahr produzieren. Dabei gehörte die Mitte Mai erfolgte Veröffentlichung des Geschäftsberichts 2019 mit einem endgültigen Überschuss von 64,16 Mio. Euro noch zum Pflichtprogramm. Wesentlicher überraschender kam da schon, dass publity Mitte Mai die bereits zu Jahresbeginn 2020 avisierte, dann aber aufgrund der Corona-Ausbreitung auf Herbst verschobene, Emission einer Unternehmensanleihe nun doch schon im Juni starten will. Und zwar in einem gegenüber dem ursprünglich geplanten verdoppelten Volumen von bis zu 100 Mio. Euro – entsprechend 100.000 Schuldverschreibungen. Damit nicht genug, denn nahezu zeitgleich teilte CEO Thomas Olek mit, dass er seinen durch die nahezu permanenten Aktienkäufe auf zuletzt rund 87 Prozent gewachsenen Aktienanteil an der publity AG auf vermutlich knapp unter 50 Prozent reduzieren will. Entsprechende Gespräche mit verschiedenen Investorenkreisen befinden sich dem Vernehmen nach im fortgeschrittenen Stadium.
Mit ein Treiber hierfür ist der für spätestens 2021 geplante Wechsel vom Freiverkehrssegment Scale in den Prime Standard, für den die Regularien der Deutschen Börse einen Streubesitzanteil von Untergrenze 25 Prozent vorsehen. Doch zurück zu dem geplanten Bond, denn auch hier spielt Thomas Olek eine zentrale Rolle: Zum einen garantiert der gebürtige Essener ein Mindestemissionsvolumen für den Bond von 50 Mio. Euro, zum anderen hat Olek über die von ihm beherrschte TO-Holding zeitgleich ein freiwilliges Übernahmeangebot an die Inhaber der noch ausstehenden Wandelanleihe 2015/20 gerichtet. Und hier schließt sich der Kreis, weil ein wesentlicher Teil des erwarteten Emissionsvolumens aus der jetzigen Anleihe zur Ablösung eben dieses Wandlers (WKN: A169GM) gedacht ist. Von dem mit einem Kupon von 3,5 Prozent versehenen Convertible befanden sich zuletzt immerhin noch 45.622.000 Stücke zu einem Nennwert von je 1.000 Euro im Umlauf. Der Wandlungspreis beträgt 37,5569 Euro – verglichen mit einer aktuellen Notiz von 35,00 Euro der publity-Aktie.
Momentan wäre es für die Inhaber des spätestens am 17. November 2020 rückzahlbaren Wandlers also nicht vorteilhaft, ihre Schuldverschreibung in Aktien zu tauschen. Allerdings sehen die Emissionsbedingungen seit kurzem vor, dass die Gläubiger eine vorzeitige Rückzahlung verlangen können, sofern publity neue Finanzverbindlichkeiten in Höhe von mehr als 5 Mio. Euro aufnimmt. Und genau diese Klausel wird durch die Anleihe 2020/25 nun schlagend und bestimmt somit maßgeblich die Höhe des zu erwartenden Emissionserlöses. Schließlich bekommt publity von den Inhabern der Wandelanleihe die auf die Tauschofferte eingehen, keine Gegenleistung im Sinne der 1.000 Nennwert je Anleihe 2020/2025, sondern erwirbt quasi Ansprüche gegen sich selbst, was sich unterm Strich ökonomisch neutralisiert. Nun: Sollten sämtliche Wandler in neue Bonds getauscht werden, könnten den Frankfurter – abzüglich der Kosten für das Angebot von vermutlich rund 4 Mio. Euro – maximal 50,38 Mio. Euro (100.000.000 Euro abzüglich 45.622.000 Euro) zufließen.
Von dieser Summe müssten den Inhabern der Wandelschuldverschreibung aufgelaufene Stückzinsen sowie eine Kompensationszahlung von 20 Euro je Wandler gezahlt werden, was auf eine Gesamtsumme von vermutlich rund 1,85 Mio. Euro hinauslaufen würde. Demnach würden in diesem Variante noch gut 48,50 Mio. Euro als Netto-Emissionserlös übrig bleiben. Am anderen Ende beläuft sich die Summe auf bis zu 96,00 Mio. Euro, wovon dann allerdings 45,62 Mio. Euro zuzüglich Zinsen für die Rückzahlung des Wandlers im November 2020 zurückstellt werden müssten. Nun: Beide Extremszenarien sind eher unwahrscheinlich, die Wahrheit wird irgendwo in der Mitte – und natürlich bei Thomas Olek – liegen.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 23,57 | 37,22 | 20,32 | 16,01 | 28,75 | 28,00 | 0,00 | |
EBITDA1,2 | 16,33 | 22,03 | -5,93 | 15,78 | 15,05 | 13,60 | 0,00 | |
EBITDA-Marge3 | 69,28 | 59,19 | -29,18 | 98,56 | 52,35 | 48,57 | 0,00 | |
EBIT1,4 | 16,14 | 30,82 | 116,30 | 15,60 | 14,60 | 13,00 | 0,00 | |
EBIT-Marge5 | 68,48 | 82,80 | 572,34 | 97,44 | 50,78 | 46,43 | 0,00 | |
Jahresüberschuss1 | 10,09 | 24,62 | 64,16 | 12,07 | -15,43 | -195,00 | 0,00 | |
Netto-Marge6 | 42,81 | 66,15 | 315,75 | 75,39 | -53,67 | -696,43 | 0,00 | |
Cashflow1,7 | 10,28 | 20,97 | -45,59 | 12,22 | -14,98 | 0,00 | 0,00 | |
Ergebnis je Aktie8 | 1,67 | 2,95 | 4,82 | 0,81 | 0,73 | -13,10 | -15,92 | |
Dividende8 | 0,00 | 1,50 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: MSW |
Losgelöst davon können interessierte Anleger die mit einem Zinssatz von 5,5 Prozent versehene neue publity-Anleihe noch bis zum 17. Juni 2020 über die Zeichnungsplattform “DirectPlace” der Deutsche Börse ordern. Alle Informationen finden Sie außerdem im Wertpapierprospekt (Download: HIER). Im Hintergrundgespräch mit boersengeflueter.de sagt Olek: „Für alle Anleger, die keine Negativzinsen zahlen wollen, ist die Anleihe eine gute Idee. Ich glaube, dass es sehr sicher ist, in publity zu investieren.“ Dabei wägt er sehr dezidiert die Auswirkungen von Corona auf die einzelnen Segmente im gewerblichen Immobiliensektor ab. Oleks Fazit: Auch wenn sich die Expansionswünsche ein Stück weit verzögern und das Finanzierungsumfeld sich verändert hat; hochwertige Büroimmobilien in deutschen Top-Standorten mit einem Marktwert oberhalb von 50 Mio. Euro werden stabile Investments sein.
Dabei agiert publity als Asset Manager für Dritte, betreibt über die maßgeblich im Konzernbesitz befindliche und ebenfalls börsennotierte PREOS Real Estate seit einiger Zeit aber auch ein eigenständiges Immobiliengeschäft. Überschlagsrechnung für Anleger: publity selbst kommt auf eine Marktkapitalisierung von knapp 521 Mio. Euro, die von PREOS Real Estate mit Sitz in Leipzig türmt sich gegenwärtig auf 1.039 Mio. Euro – und das, obwohl publity mehr als 93 Prozent der PREOS-Aktien hält. Normalerweise müsste die publity-Aktie also massiv höher stehen, zumindest wenn man die Notiz von PREOS als alleinigen Maßstab heranzieht. Unter Berücksichtigung der jeweiligen Netto-Finanzverbindlichkeiten schwächt sich das Bild zwar etwas ab. Aber auch hier ergäbe sich noch ein stattliches Kurspotenzial von mindestens 40 Prozent für die publity-Aktie. Und genau darauf spekulieren wohl die künftigen neuen Investorengruppen bei publity.
Fotos: Access Property,