Hand aufs Herz: Haben Sie schon einmal den Begriff Redispatch 2.0 gehört? Wenn Sie nicht gerade im Energiesektor arbeiten, vermutlich nicht. Grundsätzlich geht es bei dieser schon vor geraumer Zeit in Kraft getretenen Gesetzesinitiative um eine Kooperation der Netzbetreiber zur Behebung von Netzengpässen und Instabilitäten. Die wiederum treten insbesondere durch den vermehrten Einsatz von Erneuerbaren Energie auf, da der regionale Ort der Erzeugung sowie die erzeugte Kapazität nicht immer zu 100 Prozent im Einklang mit dem tatsächlichen Verbrauch stehen. Ein regulatorisches Geflecht bei dem es am Ende – neben der sicheren Stromversorgung – immer auch um ökonomische Interessen zwischen den einzelnen Parteien geht. Wenig verwunderlich, dass diese komplizierte Materie durch die Folgen des Kriegs in der Ukraine nochmals an Brisanz gewonnen hat.
Besonders betroffen von den Verwerfungen sind Stadtwerke mit geringer Energie-Eigenerzeugung und entsprechend hohen Einkaufskosten. Das wiederum schmälert deren Budgets für Investments in clevere IT-Lösungen. Harald Schrimpf, CEO der unter anderem auf Energie-Management spezialisierten PSI Software AG, kann ein Lied davon singen: „Erschwerend für unser Geschäft kam hinzu, dass die Redispatch-2.0-Regulierung, mit der Stadtwerke und Verteilnetze ihre Erneuerbaren Energien besser ausgleichen sollen, über hundertmal geändert wurde.“ Bereits im vergangenen Oktober musste PSI daher – nach dem zum Halbjahr kommunizierten Rückzug aus Russland – eine erneute Gewinnwarnung aussprechen und das ursprünglich für 2022 erwartete EBIT-Ziel um deutlich mehr als ein Viertel auf rund 20 Mio. Euro kürzen.
Immerhin: Im Aktienkurs der Berliner war der Rückzieher offenbar bereits eingepreist, denn die Notiz der PSI-Aktie hat sich seitdem sehr passabel entwickelt. Entsprechend sind die Zahlen im jetzt vorgelegten Geschäftsbericht 2022 trotz der schwierigen Stadtwerke-Projekte keine sonderliche Überraschung mehr. Zumindest gemessen an den reduzierten Zielen gelang PSI mit einem Rückgang des EBIT (Ergebnis vor Zinsen und Steuern) von 24,96 auf 20,19 Mio. Euro eine Punktladung. Als Stütze hat sich dabei der Geschäftsbereich Produktionsmanagement erwiesen. Hier dreht es sich um Softwarelösungen zur Optimierung des Materialflusses in Produktionsbetrieben aus den Bereichen Metall, Automobile und Maschinenbau sowie auch dem Logistiksektor. Tatsächlich speiste dieser Bereich 2022 mit einem EBIT von 20,24 Mio. Euro nahezu den kompletten Konzerngewinn. Immerhin zeigt der Ausblick wieder in die richtige Richtung. „Im Jahr 2023 erwarten wir im Segment Energiemanagement eine Stabilisierung des Geschäfts“, heißt es im Jahresreport.
Konkret rechnet PSI für das laufende Jahr auf Konzernebene mit einem Umsatzanstieg um bis zu 10 Prozent auf dann rund 270 Mio. Euro sowie einer Verbesserung des Betriebsergebnisses um mindestens 20 Prozent. Entsprechend liegt die Messlatte für das 2023er-EBIT bei etwa 25 Mio. Euro. Beinahe überflüssig zu erwähnen, dass auch bei PSI Software Themen wie Plattformstrategie und die Forcierung von Cloud-Lösungen ganz oben auf der Agenda stehen. Entsprechend wird sich die Planbarkeit der Erlösströme in den kommenden Jahren deutlich erhöhen. Demnach soll das EBIT bis 2026 auf rund 54 Mio. Euro klettern. Bei einer normalen Steuerquote sowie keinen gravierenden Änderungen im Zinsergebnis könnte PSI so auf ein Ergebnis je Aktie von etwa 2,30 Euro zusteuern. Bezogen auf den aktuellen Kurs wäre das ein KGV im Bereich um 12.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 186,10 | 199,16 | 225,18 | 217,80 | 245,49 | 247,94 | 269,89 | |
EBITDA1,2 | 17,72 | 20,06 | 28,04 | 27,17 | 37,94 | 34,00 | 20,16 | |
EBITDA-Marge3 | 9,52 | 10,07 | 12,45 | 12,47 | 15,46 | 13,71 | 7,47 | |
EBIT1,4 | 13,37 | 15,45 | 17,21 | 14,95 | 24,96 | 20,19 | 5,56 | |
EBIT-Marge5 | 7,18 | 7,76 | 7,64 | 6,86 | 10,17 | 8,14 | 2,06 | |
Jahresüberschuss1 | 9,50 | 10,59 | 14,26 | 10,28 | 15,84 | 9,69 | 0,32 | |
Netto-Marge6 | 5,10 | 5,32 | 6,33 | 4,72 | 6,45 | 3,91 | 0,12 | |
Cashflow1,7 | 1,17 | 18,99 | 12,48 | 24,83 | 38,75 | 3,36 | 16,78 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,61 | 0,68 | 0,91 | 0,66 | 1,01 | 0,62 | 0,02 | |
Dividende8 | 0,23 | 0,25 | 0,05 | 0,30 | 0,05 | 0,40 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: RSM Ebner Stolz |
Das zeigt, welches Potenzial in dem Titel steckt. Eine Aussage zur Dividende für die kommende Hauptversammlung gibt es noch nicht, allerdings spielt die Dividendenrendite bei PSI aus Investorensicht eher eine untergeordnete Rolle. Größter Aktionär mit einem Anteil von 20,7 Prozent ist die bei etlichen Small- und Midcaps (unter anderem Atoss Software, Gesco, Kromi Logistik, Washtec oder auch R. Stahl) engagierte Investmentaktiengesellschaft für langfristige Investoren TGV um Norman Rentrop. 17,8 Prozent hält die zu E.ON gehörende Innogy SE. Lediglich rund 18 Prozent der PSI-Aktie sind dem Streubesitz zuzurechnen. Sicher ein Nachteil in Sachen Handelsliquidität, andererseits sind die stabilen Ankeraktionäre im laufenden Transformationsprozess aber auch ein Vorteil für PSI. Gerade was die Verfügbarkeit der einzelnen Sofwarekomponenten im App-Store angeht, scheint jedoch allmählich eine neue Zeitrechnung bei PSI zu beginnen. „Zum ersten Mal in unserer 54-jährigen Geschichte entkoppelt sich der Umsatz von der Zahl der Mitarbeiter, und wir erleben das neue, unlimitierte Geschäftsmodell (Hyperscaling)“, sagt Vorstand Harald Schrimpf. Vermutlich ist das auch die Erklärung, warum der Aktienkurs immer besser in Form kommt.
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