Im ersten Anlauf hat es nicht geklappt. So ist der Aktienkurs der ProCredit Holding im Mai 2024 an der – zumindest psychologisch wichtigen – Marke von 10 Euro abgeprallt und befindet sich seitdem wie so viele andere Titel im Konsolidierungsmodus. Keine Frage: Der Rückgang ist durchaus markant, mittlerweile nähert sich die Notiz der überwiegend in Südost- und Osteuropa tätigen Bankengruppe dem Bereich um 8 Euro, was unterhalb der 200-Tage-Durchschnittlinie liegt. Was boersengefluester.de positiv stimmt: Das Team um CEO Hubert Spechtenhauser liefert operativ präzise wie ein Uhrwerk ab. Das gilt nicht nur für den jetzt vorgelegten Halbjahresbericht, sondern insbesondere auch für den Blick aus der Helikopterperspektive. „Es ist uns in den vergangenen zwei Jahren gelungen, die Grundlagen für künftiges Wachstum zu legen“, sagt Spechtenhauser im Hintergrundgespräch.
So setzt das formal in Frankfurt ansässige Unternehmen auf der Einlagenseite noch stärker als früher auf Privatkunden, während das Kreditgeschäft deutlich kleinteiliger geworden ist. So haben viele der kleineren Banken aus dem Verbund jetzt Wachstumsraten klar nördlich von 10 Prozent. Das häufig diskutierte Thema der kritischen Größe von lokalen Banken ist entsprechend auf einem guten Weg. Insgesamt wuchs das Kreditportfolio in den ersten sechs Monaten um 6,9 Prozent auf knapp 6,66 Mrd. Euro, während die Einlagen um 4,1 Prozent auf annähernd 7,55 Mrd. Euro vorangekommen sind. „Die Transformation der Bilanzstruktur kommt gut voran. Wir sehen bereits jetzt sowohl auf der Aktiv- als auch auf der Passivseite eine höhere Granularität“, sagt Spechtenhauser. Dabei expandiert die ProCredit Holding mit einem etwas größeren Tempo als zu erwarten war. Insbesondere Südosteuropa (Albanien, Bosnien, Bulgarien, Herzegowina, Kosovo und Rumänien) bleibt der Treiber, während Osteuropa durch den risikotechnischen Sonderfall Ukraine leicht gebremst wird.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 248,41 | 245,39 | 252,60 | 252,11 | 281,88 | 339,85 | 412,51 | |
EBITDA1,2 | 62,15 | 77,53 | 76,87 | 52,09 | 94,53 | 17,85 | 150,02 | |
EBITDA-Marge3 | 25,02 | 31,59 | 30,43 | 20,66 | 33,54 | 5,25 | 36,37 | |
EBIT1,4 | 62,15 | 77,53 | 76,87 | 52,09 | 94,53 | 17,85 | 150,02 | |
EBIT-Marge5 | 25,02 | 31,59 | 30,43 | 20,66 | 33,54 | 5,25 | 36,37 | |
Jahresüberschuss1 | 48,10 | 54,48 | 54,31 | 41,40 | 79,64 | 16,50 | 113,37 | |
Netto-Marge6 | 19,36 | 22,20 | 21,50 | 16,42 | 28,25 | 4,86 | 27,48 | |
Cashflow1,7 | 90,75 | 27,32 | 290,34 | 135,89 | 133,15 | 566,94 | 524,05 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,86 | 0,90 | 0,89 | 0,70 | 1,35 | 0,28 | 1,92 | |
Dividende8 | 0,27 | 0,30 | 0,00 | 0,53 | 0,00 | 0,00 | 0,64 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: BDO |
Gleichwohl betont Spechtenhauser, dass ProCredit in der Ukraine voll aktiv bleibt und das Wirtschaftsleben dort intakter ist, als man es sich hierzulande vorstellen mag. Zudem bleibt der Wiederaufbau des Landes eine Art Hebelwette für die ProCredit-Aktie. Losgelöst davon bleiben die Zahlen des Zwischenberichts für die ersten sechs Monate 2024 geprägt von den kräftig gestiegenen Personal- und Verwaltungsaufwendungen – ein Spiegelbild der aktuellen Investitionsoffensive in Personal, IT-Ausstattung, Marketing und auch Prozessabläufen. Trotz des signifikanten Zuwachses beim Zinsüberschuss weist die Gesellschaft so zum Halbjahr einen um 4,6 Prozent rückläufigen Gewinn vor Steuern von 73,23 Mio. Euro aus. Kurzfristig mag das manch Investor als Belastung empfinden, auf die mittlere Sicht sollten die Investitionen jedoch erhebliche Skaleneffekte entfalten.
Dabei ist die Ansage klar: 2024 und auch 2025 investiert das Unternehmen überdurchschnittlich viel Geld in das künftige Wachstum, die Zuwächse bei den Personal- und Verwaltungsaufwendungen bleiben vorerst also erhalten. „Wir haben im ersten Halbjahr mehr gemacht als geplant. Es ist nicht so, dass das jetzt vorbei ist – wir investieren weiter“, betont Spechtenhauser. Auf der anderen Seite lehnt sich das Unternehmen recht weit aus dem Fenster, was die Dividendenstrategie angeht. So soll auch für 2024 rund ein Drittel des Konzernergebnisses ausgeschüttet werden. Bezogen auf den aktuellen Aktienkurs könnte das durchaus auf eine Dividendenrendite im Bereich um 7 Prozent hinauslaufen, selbst wenn die Dividende einen Tick unter dem Vorjahreswert von 0,64 Euro je Aktie liegen dürfte.
Mit Blick auf die Ergebnispropgnose für das Gesamtjahr bleibt es bei der Aussage, wonach die Eigenkapitalrendite zwischen 10 und 12 Prozent (Vorjahr: 12,2 Prozent) liegen soll. Zum Halbjahr bewegt sich der Konzern – mit an Bord sind prominente Großaktionäre wie die KfW, Zeitinger Invest und auch di Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung – bei 11,6 Prozent, also am oberen Ende der avisierten Bandbreite. Für eine Neuformulierung der Ziele sieht Spechtenhauser aber auch deswegen keinen Grund, weil sowohl die Ukraine als auch Ecuador risikotechnisch schwer zu kalkulieren sind. Mittelfristig soll die Eigenkapitalrendite jedoch in Regionen um 13 bis 14 Prozent vorstoßen.
Insgesamt ist die Investmentstory der ProCredit Holding für unseren Geschmack absolut intakt und der Aktienkurs sollte bald wieder Fahrt Richtung zunächst 10 Euro aufnehmen. Zudem ist boersengefluester.de seit jeher angetan vom großen gesellschaftlichen und ethischen Engagement des Unternehmens. Da steckt definitiv mehr dahinter als ein ESG-Report im Pflichtprogramm.
Foto: Unsplash+
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