Für eine Bank-Aktie verhält sich die Notiz der ProCredit Holding momentan eher ungewöhnlich. Der Spuk um die in Schieflage geratenen verschiedenen US-Banken sowie das Drama um die Credit Suisse sind an dem Kurs der ProCredit Holding nämlich nahezu spurlos vorübergegangen. „Die Situation dort ist nicht vergleichbar. Wir sind strukturell ganz anders aufgestellt“, sagt CEO Hubert Spechtenhauser im Hintergrundgespräch mit boersengefluester.de und verweist insbesondere auf das regional breit diversifizierte Geschäft. Traditionell übernimmt ProCredit eine klassische Hausbankfunktion für kleinere und mittlere Unternehmen in Süd- und Osteuropa und unterstützt dabei insbesondere ethisch einwandfreie Projekte udn Geschäftsmodelle. „Impact-Orientierung ist uns wichtig. Wir wollen einen Beitrag leisten zur Stabilisierung und ökologischen Transformation der Länder, in denen wir tätig sind“, sagt Spechtenhauser.
Daneben betreibt das Unternehmen mir formalen Sitz in Frankfurt am Main über die ProCredit Direct auch ein komplett digitalisiertes Geschäft mit Privatkunden aus dem Mittelstandsbereich. Gleichwohl war 2022 auch für die ProCredit Holding ein Geschäftsjahr mit heftigen Korrekturen, immerhin gehört die Ukraine – neben Bulgarien, Serbien und dem Kosovo – zu den wichtigsten der insgesamt zwölf Ländern, in denen das Unternehmen aktiv ist. Neben all den menschlichen Dramen, gab es für ProCredit auch massiven Wertberichtigungsbedarf. So türmen sich die Kreditrisikokosten der ukrainischen Bank für das vergangene Jahr auf immerhin 87 Mio. Euro. Das ist beinahe das Niveau der kumulierten Korrekturen der gesamten ProCredit-Gruppe der Jahre 2015 bis 2021.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 248,41 | 245,39 | 252,60 | 252,11 | 281,88 | 339,85 | 412,51 | |
EBITDA1,2 | 62,15 | 77,53 | 76,87 | 52,09 | 94,53 | 17,85 | 150,02 | |
EBITDA-Marge3 | 25,02 | 31,59 | 30,43 | 20,66 | 33,54 | 5,25 | 36,37 | |
EBIT1,4 | 62,15 | 77,53 | 76,87 | 52,09 | 94,53 | 17,85 | 150,02 | |
EBIT-Marge5 | 25,02 | 31,59 | 30,43 | 20,66 | 33,54 | 5,25 | 36,37 | |
Jahresüberschuss1 | 48,10 | 54,48 | 54,31 | 41,40 | 79,64 | 16,50 | 113,37 | |
Netto-Marge6 | 19,36 | 22,20 | 21,50 | 16,42 | 28,25 | 4,86 | 27,48 | |
Cashflow1,7 | 90,75 | 27,32 | 290,34 | 135,89 | 133,15 | 566,94 | 524,05 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,86 | 0,90 | 0,89 | 0,70 | 1,35 | 0,28 | 1,92 | |
Dividende8 | 0,27 | 0,30 | 0,00 | 0,53 | 0,00 | 0,00 | 0,64 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: BDO |
Entsprechend knickte der Gewinn vor Steuern im vergangenen Jahr von 94,53 auf 17,85 Mio. Euro ein. Die Eigenkapitalrendite – eine der zentralen Kennzahlen – rutschte erwartungsgemäß sehr deutlich von 9,7 auf 1,9 Prozent. „2022 ist es schon ein gutes Ergebnis, überhaupt ein positives Resultat auszuweisen“, sagt Hubert Spechtenhauser. Tatsächlich verschleiern diese Zahlen sogar, dass es operativ ansonsten sehr robust läuft. Den Ergebnisbeitrag der ProCredit Bank Ukraine ausgeklammert, stieg die Eigenkapitalrendite auf Konzernebene nämlich von 6,9 auf 7,8 Prozent. „Wir haben eine gute Grunddynamik“, betont denn auch CFO Christian Dagrosa. Wie bereits Mitte Februar kommuniziert, wird das im streng regulierten Börsensegment Prime Standard gelistete Unternehmen für 2022 aber erneut keine Dividende zahlen. Immerhin: Zur Hauptversammlung im Jahr 2024 will ProCredit zur früheren Politik zurückkehren und rund ein Drittel des Konzerngewinns ausschütten.
Dabei rechnet Finanzvorstand Dagrosa für 2023 mit einer Eigenkapitalrendite in einer Bandbreite von 6 bis 8 Prozent – also in etwa auf dem um den Ukraine-Effekt bereinigten Niveau von 2022. „Die Rahmenbedingungen bleiben schwierig, bei der kurzfristigen Guidance fühlen wir uns aber sehr wohl“, sagt Dagrosa. Mittelfristig wird das Management derweil noch zuversichtlicher als bislang und hebt das Ziel für die avisierte Eigenkapitalrendite von bislang 10 auf 12 Prozent an. Dabei ist in diesem Szenario noch gar kein signifikantes Aufwärtspotenzial aus einem – wenn es denn so kommt – vom Westen finanzierten Aufbauprogramm der Ukraine enthalten. Nun: So grenzwertig derartige Diskussionen zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch sind, aus Kapitalmarktsicht ist die ProCredit-Aktie unter diesem Gesichtspunkt eine interessante Option.
Unter Investor Relations-Aspekten förderlich ist zudem die zur kommenden Hauptversammlung (HV) auf die Tagesordnung gesetzte Umwandlung von einer AG & Co. KGaA in eine normale AG. „Die Rechtsform der AG hat deutlich mehr Akzeptanz am Kapitalmarkt“, beschreibt CEO Hubert Spechtenhauser die Hauptmotivation. Boersengefluester.de ist sicher, dass die zuletzt so robuste Verfassung der ProCredit-Aktie auch ein Vorbote dieser IR-Maßnahme ist. Immerhin ist die jetzige Struktur alles andere als beliebt in Investorenkreisen. Zeitlich – aber nicht unbedingt inhaltlich – geht mit der Umwandlung auch eine Arrondierung auf Ebene der Kernaktionäre einher. So verkauft die zur Weltbank-Gruppe gehörende IFC ihre Anteile an die Europäische Bank für Wiederaufbau – kurz EBRD. Nach der Transaktion wird die EBRD rund 8,7 Prozent des Grundkapitals halten.
Ein auch inhaltlich sehr sinnvoller Wechsel, wie das Management der Frankfurter betont. Immerhin spiegelt er nach dem ganz bzw. teilweisen Rückzug aus Afrika und Südamerika auch die veränderte regionale Ausrichtung der Bank wider. Wichtige Ankeraktionäre wie Zeitinger Invest oder auch die KfW-Gruppe bleiben auch ohnehin voll engagiert. Insgesamt bietet ProCredit für unseren Geschmack eine prima Investmentstory – nicht nur für Anleger, die Wert auf ein gutes Gewissen und nachhaltige Projekte legen. Die Bewertung des Unternehmens auf Basis der aktuellen Marktkapitalisierung von rund 311 Mio. Euro ist jedenfalls sehr moderat – insbesondere mit Blick auf den Buchwert.
Foto: Clipdealer