Buchwert-Fans müssen jetzt nicht gleich in die Luft springen, weil die Aktie der ProCredit Holding mit weniger als der Hälfte des Eigenkapitals auf dem Börsenparkett gehandelt wird. Immerhin haben die Anteilscheine von Aareal Bank, Commerzbank, Deutsche Bank oder auch Deutsche Pfandbriefbank einen noch viel größeren Discount auf den Buchwert. Andererseits sieht die Ertragsentwicklung der auf Geschäftsbeziehungen zu kleineren und mittleren Unternehmen in Südost- und Osteuropa spezialisierten Gesellschaft erfreulich stabil aus – trotz der seit dem Börsengang vor knapp vier Jahren in Frankfurt durchgeführten Restrukturierungsmaßnahmen. Hier ging es in erster Linie um den kompletten oder teilweisen Rückzug aus Standorten wie Afrika und Lateinamerika sowie die Drosselung der Kreditvergabe an Kleinstunternehmen. „Seit der Gründung vor mehr als 20 Jahren war die Bank in jedem Jahr profitabel“, sagt Manager Christian Dragosa bei seiner Präsentation auf der von GBC organisierte ZKK Zürcher Kapitalmarkt Konferenz, wo boersengefluester.de dieses Jahr erneut live vor Ort war.
Geblieben sind auch die – auch ethisch – hohen Ansprüche an die Nachhaltigkeit der einzelnen Projekte und Mitarbeiterstandards, wie auf der ZKK noch einmal deutlich rüberkam. Überhaupt hat uns der Vortrag gut gefallen. Teilweise mag das zwar auch daran gelegen haben, dass wir uns die ProCredit Holding schon eine Weile nicht mehr auf Investorenveranstaltungen angesehen haben und so der Überraschungseffekt umso größer war. Unterm Strich ist es aber auch eine Frage der Bewertung. Und hier weiß die ProCredit Holding für unseren Geschmack zu überzeugen: Immerhin blieb der Gewinn in den ersten sechs Monaten 2020 mit knapp 21,70 Mio. Euro nur um elf Prozent hinter dem entsprechenden Vorjahreswert zurück. Dabei hat COVID-19 auch bei den Frankfurter deutliche Spuren hinterlassen – insbesondere in Form einer fast um den Faktor vier erhöhten Risikovorsorge von 15,7 Mio. Euro.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 248,41 | 245,39 | 252,60 | 252,11 | 281,88 | 339,85 | 412,51 | |
EBITDA1,2 | 62,15 | 77,53 | 76,87 | 52,09 | 94,53 | 17,85 | 150,02 | |
EBITDA-Marge3 | 25,02 | 31,59 | 30,43 | 20,66 | 33,54 | 5,25 | 36,37 | |
EBIT1,4 | 62,15 | 77,53 | 76,87 | 52,09 | 94,53 | 17,85 | 150,02 | |
EBIT-Marge5 | 25,02 | 31,59 | 30,43 | 20,66 | 33,54 | 5,25 | 36,37 | |
Jahresüberschuss1 | 48,10 | 54,48 | 54,31 | 41,40 | 79,64 | 16,50 | 113,37 | |
Netto-Marge6 | 19,36 | 22,20 | 21,50 | 16,42 | 28,25 | 4,86 | 27,48 | |
Cashflow1,7 | 90,75 | 27,32 | 290,34 | 135,89 | 133,15 | 566,94 | 524,05 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,86 | 0,90 | 0,89 | 0,70 | 1,35 | 0,28 | 1,92 | |
Dividende8 | 0,27 | 0,30 | 0,00 | 0,53 | 0,00 | 0,00 | 0,64 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: BDO |
Interessant aus Anlegersicht wird, ob es noch eine Nachbesserung der Dividende geben wird. Normalerweise schüttet die ProCredit Holding rund ein Drittel des Nettogewinns aus. Angesichts der von der EZB bis Jahresende 2020 „empfohlenen“ generellen Dividendensperre für Banken, stand auch bei ProCredit zur Hauptversammlung (HV) Ende Mai eine Nullrunde auf der Agenda. Plan ist es nun, das Thema auf einer außerordentlichen HV im Abschlussquartal 2020 noch einmal auf den Tisch zu bringen. „Wir wären in der Lage, eine Dividende zu zahlen“, sagt Dragosa. Offen ist freilich, wie sehr die einzelnen Aktionärsgruppen überhaupt auf eine Ausschüttung erpicht wären. Immerhin gehören – neben Großaktionär Zeitinger Invest – auch Adressen wie die KfW, die niederländische DOEN Stiftung oder die zur Weltbankgruppe gehörende Entwicklungsbank IFC zum Kreis der Investoren. Im Streubesitz befinden sich offiziell 38,70 Prozent – bei einem gesamten Börsenwert von zurzeit 353 Mio. Euro.
Auf dem aktuell arg gedrückten Kursniveau um 6 Euro scheint die Notiz jedenfalls einen Boden auszubilden. Und sollten die zahlreichen internationalen Finanzpakete zur Stabilisierung der globalen Wirtschaft fruchten, müsste die ProCredit Holding im Normalfall ein deutlicher Gewinner sein. Geeignet ist der Titel dennoch nur für sehr risikobereite Anleger. Nun: Ein Investment muss ja nicht zwingend heute erfolgen: Ein Fall für die Beobachtungsliste ist der Titel nach Auffassung von boersengefluester.de aber allemal. Gecovert wird die im streng regulierten Prime Standard gelistete Aktie von EDISON Research. Die (allerdings in Englisch verfasste) Studie können Sie sich HIER ansehen oder auch herunterladen.
Foto: © ProCredit Holding (Filiale der ProCredit Bank Mazedonien im Stadtzentrum der Hauptstadt Skopje)