Die interessanteste Bank-Aktie aus der Finanzmetropole Frankfurt? Nach Auffassung von boersengefluester.de ist das zurzeit weder die Deutsche Bank noch die Commerzbank, sondern viel eher die ProCredit Holding AG & Co. KGaA – wobei die aktuell noch etwas sperrige Rechtsform schon bald Geschichte ist und ProCredit künftig als ganz normale AG firmiert. „Wir gehen davon aus, dass dies noch im dritten Quartal 2023 geschieht“, sagt CEO Hubert Spechtenhauser im Hintergrundgespräch. Aktuell liegt der entsprechende Antrag bei der Finanzaufsicht BaFin, schon bald sollte aber auch diese Hürde genommen sein. Der Rechtsformwechsel an sich kommt am Kapitalmarkt prima an und hat sicher auch seinen Teil dazu beigetragen, dass die ProCredit-Aktie so robust dasteht. Zudem hat sich das Standing der Bank – sowohl nach außen als auch im Innenverhältnis – über die Jahre so sehr gefestigt, dass die grundsätzliche Ausrichtung als Spezialbank für mittelständische Unternehmen vorwiegend in Ost- und Südosteuropa mit einem ausgeprägten ethischen Leitbild auch in der Form einer klassischen Aktiengesellschaft (AG) wohl kaum über Bord geworfen wird.
Operativ befindet sich die ProCredit Holding ohnehin in einer stabilen Verfassung, selbst wenn die enorme Risikovorsorge von 2022 auf die Aktivitäten in der Ukraine eine echte Bewährungsprobe war – und noch immer ist. Schließlich ist jede weitere Eskalationsstufe wie etwa die russische Aussetzung des Getreideabkommens ein empfindlicher Schlag für die ukrainische Wirtschaft. Losgelöst davon ist die Gesellschaft zurzeit ein Gewinner des veränderten Zinsumfelds. So kletterte die Differenz aus Zinserträgen und Zinsaufwand im ersten Halbjahr 2023 um 24,7 Prozent auf 155,66 Mio. Euro. Da auch der Provisionsüberschuss weiter vorangekommen ist und die Risikovorsorge mit nur noch 543.000 Euro auf ein entspanntes Niveau gefallen ist, steht nach sechs Monaten ein Gewinn vor Steuern von 76,74 Mio. Euro zu Buche – nach 6,60 Mio. Euro in der entsprechenden Vorjahresperiode. Das sind locker 10 Mio. Euro mehr, als zu erwarten waren.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 248,41 | 245,39 | 252,60 | 252,11 | 281,88 | 339,85 | 412,51 | |
EBITDA1,2 | 62,15 | 77,53 | 76,87 | 52,09 | 94,53 | 17,85 | 150,02 | |
EBITDA-Marge3 | 25,02 | 31,59 | 30,43 | 20,66 | 33,54 | 5,25 | 36,37 | |
EBIT1,4 | 62,15 | 77,53 | 76,87 | 52,09 | 94,53 | 17,85 | 150,02 | |
EBIT-Marge5 | 25,02 | 31,59 | 30,43 | 20,66 | 33,54 | 5,25 | 36,37 | |
Jahresüberschuss1 | 48,10 | 54,48 | 54,31 | 41,40 | 79,64 | 16,50 | 113,37 | |
Netto-Marge6 | 19,36 | 22,20 | 21,50 | 16,42 | 28,25 | 4,86 | 27,48 | |
Cashflow1,7 | 90,75 | 27,32 | 290,34 | 135,89 | 133,15 | 566,94 | 524,05 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,86 | 0,90 | 0,89 | 0,70 | 1,35 | 0,28 | 1,92 | |
Dividende8 | 0,27 | 0,30 | 0,00 | 0,53 | 0,00 | 0,00 | 0,64 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: BDO |
Zwar sagt der Vorstandsvorsitzende Hubert Spechtenhauser, dass Investoren dieses Zwischenergebnis keinesfalls auf das Gesamtjahr hochrechnen sollten, dafür gibt es einfach zu viele potenzielle belastende Faktoren: Von der nötigen Risikovorsorge bis hin zu den steigenden Personalaufwendungen. Per saldo soll aber auch das zweite Halbjahr 2023 einen positiven Ergebnisbeitrag bringen. Bei einem Aktienkurs von 7,48 Euro und einem Ergebnis je Aktie von bereits 1,09 Euro zum Halbjahr zeigt sich somit klar, wie günstig die ProCredit-Aktie noch immer ist. Zusätzliche Stabilität in Bilanz soll dabei durch eine noch feinere Granularität im Geschäft mit Einlagen- und Kreditkunden kommen. Soll heißen: Klumpenrisiken so gut es geht vermeiden und insbesondere das Geschäft mit kleineren Unternehmen auf der Aktivseite sowie Privatkunden auf der Passivseite noch weiter forcieren. „Wir dürfen uns auf dem erhöhten Zinsniveau nicht ausruhen“, sagt Hubert Spechtenhauser.
Interessant wird der Titel aber auch aus einem anderen Blickwinkel. „Wir haben die feste Absicht, mit der HV 2024 zur Dividende zurückzukehren“, betont Hubert Spechtenhauser. Vorbehaltlich der Zustimmung durch die Hauptversammlung, strebt ProCredit eine Ausschüttungsquote von einem Drittel des Konzerngewinns des Vorjahrs nach Steuern an. Unterstellt man ein Ergebnis je Aktie für 2023 von 1,40 Euro, würde das auf eine Dividende von mindestens 0,40 Euro hinauslaufen. Bezogen auf den aktuellen Kurs wäre das wiederum eine Rendite von immerhin rund 5 Prozent. Die zentrale Zielgröße des Managements ist indes die annualisierte Eigenkapitalrendite, die für 2023 in einer Bandbreite von mittlerweile 8 bis 10 Prozent erwartet wird. Zum Halbjahr kommen die Frankfurter hier bereits auf einen Wert von 14,2 Prozent – bewegen sich also ebenfalls deutlich über Plan. Das Mittelfristziel für die Eigenkapitalrendite liegt bei rund 12 Prozent.
Neben dem reinen Zahlenwerk, stehen bei der ProCredit-Bank ethische Faktoren bei der Auswahl der Firmenpartner und Kreditprojekte aber ebenso oben auf der Agenda und müssen sich zu einem stimmigen Gesamtbild vereinen. „Wir setzen alles daran, das uns entgegengebrachte Vertrauen nachhaltig und durchgängig zu rechtfertigen. Am Ende geht es um eine möglichst überzeugende Geschäftsstrategie. Wir hängen jedenfalls nicht so sehr an einer einzelnen Quartalszahl“, sagt Hubert Spechtenhauser am Ende des Gesprächs mit boersengefluester.de. Und da wir die Gesellschaft schon mehr als fünf Jahre an der Börse verfolgen, haben wir den unbedingten Eindruck, dass es die ProCredit Holding sehr ernst meint mit dem von ihr postulierten Hausbank-Prinzip für ethisch einwandfreie Projekte in den osteuropäischen Ländern. Last but not least gibt es den Titel für weniger als den halben Buchwert an der Börse. Mit Blick auf die nachhaltige Ertragsstärke – trotz Corona und auch Ukraine-Krieg – ist das eine deutlich zu günstige Relation.
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