Spätestens bei 80 Euro war die Notiz der Porsche-Vorzüge in den vergangenen Monaten stets gedeckelt. Doch die Chancen stehen gut, dass sich die etwas andere Auto-Aktie nun über diese Begrenzungsmarke hinwegsetzt. Kurstreiber sind die abgewiesenen Klagen von Hedgefonds vor dem Stuttgarter Landgericht sowie die zuletzt wieder erstarkte Stammaktie von Volkswagen. Vor allen Dingen die juristischen Streitigkeiten aus den Zeiten des gescheiterten VW-Übernahmecoups von Porsche waren lange Zeit ein Bremsklotz. Investoren, die vor etlichen Jahren auf fallende VW-Kurse spekulierten, fühlten sich von den Zuffenhausenern damals falsch informiert, verloren viel Geld und pochen seitdem auf Schadenersatz. Angesichts der kürzlich abgeschmetterten Klagen spricht Porsche von einem „wichtigen Etappensieg“ – doch komplett vom Tisch ist das leidige Klagethema damit noch nicht. Weitere Verfahren sind anhängig. Immerhin: „Wir sehen eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass Porsche auch diese Fälle gewinnt“, betonten zuletzt die Analysten der Berenberg Bank und erhöhten ihr Kursziel von 100 auf 104 Euro.
Nach den vielen Umstrukturierungen innerhalb des VW-Konzerns, erwerben Anleger mit der Porsche-Aktie in erster Linie eine Beteiligung von 50,7 Prozent der Stammaktien von Volkswagen und nicht mehr einen direkten Anteil an der Sportwagenschmiede. Auf Basis eines VW-Kurses von 190,20 Euro entspricht das VW-Paket einem Gegenwert von 28,456 Mrd. Euro – oder 92,92 Euro je Porsche-Aktie. Auf der Habenseite steht zudem eine Nettoliquidität von immerhin 2,60 Mrd. Euro, was annähernd 8,50 Euro je Porsche-Anteilschein ausmacht. Allein aus diesem Blickwinkel käme das Papier auf einen Substanzwert von mehr als 101 Euro, würde zurzeit also mit einem Discount von 21,8 Prozent auf den aktuellen Kurs gehandelt.
Börsianer warten nun gebannt darauf, was Porsche mit der Schatztruhe anfangen wird. „Den überwiegenden Teil der uns zur Verfügung stehenden Nettoliquidität von 2,6 Milliarden Euro wollen wir in Beteiligungen entlang der automobilen Wertschöpfungskette investieren“, sagte Porsche-Vorstandsvorsitzender Martin Winterkorn, der auch auf dem Chefsessel des VW-Konzerns sitzt, kürzlich zur Bilanzvorlage. Doch geeignete Kandidaten zu finden, ist schwieriger als gedacht. „Im vergangenen Jahr haben wir mehr als zwei Dutzend Unternehmen genauer unter die Lupe genommen – und es waren interessante Kandidaten dabei. Unterschiedliche Detailthemen standen einem Investment jedoch im Wege“, verrät Winterkorn.
Als eine Art natürlicher Übernahmekandidat galt lange Zeit der im SDAX gelistete Ingenieursdienstleister Bertrandt, an dem der Sportwagenbauer mit 25,01 Prozent beteiligt war – mittlerweile sind die Stimmen allerdings dem VW-Konzern zuzurechnen. Um ein Gefühl für die Größenordnung zu bekommen: Die gesamte Marktkapitalisierung von Bertrandt beträgt 1.092 Mrd. Euro. Ein im MDAX notierter Automobilzulieferer wie ElringKlinger bringt zurzeit 1.810 Mrd. Euro auf die Börsenwaagschale. Letztlich stehen Porsche also gewaltige Mittel zur Verfügung. Noch schlummert das Geld jedoch niedrig verzinst auf den hauseigenen Konten. An Zinsen und ähnlichen Erträgen weist Porsche für 2013 gerade einmal 11 Mio. Euro aus. Nach der VW-Hauptversammlung am 13. Mai 2014 kassiert Porsche für seine VW-Stämme (brutto) gut 598 Mio. Euro an Dividenden.
Am 27. Mai 2014 findet dann das Aktionärstreffen von Porsche statt. Insgesamt reicht das Unternehmen 614,644 Mio. Euro an seine Anteilseigner weiter. 306,862 Mio. Euro bekommen davon die Stammaktionäre (Familien Porsche und Piëch), den Inhabern der stimmrechtslosen Vorzüge stehen 307,781 Mio. Euro zu. Das entspricht einer Dividende je Aktie von 2,01 Euro. Bezogen auf den aktuellen Kurs steht das für eine Rendite von 2,53 Prozent. Verglichen mit BMW ST (2,88 Prozent), Daimler (3,40 Prozent) und Volkswagen VZ (2,09 Prozent) ist das leicht unterdurchschnittlich. Aber Porsche ist ja auch keine normale Autoaktie mehr, sondern eine Beteiligungsgesellschaft. Und die mögen Börsianer in der Regel nicht übermäßig, versehen sie daher mit einem Holdingabschlag. Hinzu kommt bei Porsche, dass Anleger im Prinzip nichts zu sagen haben und die Clans von Porsche und Piëch die Strippen ziehen. Dennoch: Sollte die Stammaktie von Volkwagen die psychologisch wichtige 200-Euro-Marke hinter sich lassen und Porsche bei seinen Beteiligungsplänen vorankommen, ist der Titel – angesichts der verringerten rechtlichen Risiken – eine attraktive Option für Privatanleger. Kurse von 100 Euro scheinen auf mittlere Sicht ein realistisches Szenario. Gegenwärtig dürfte der Sicherheitsabstand zum Substanzwert damit zu üppig bemessen sein.