Es gibt kaum einen undankbarerer Job im Aktienbereich, als die Erfolgsaussichten einer Neuemission zu beurteilen. Letztlich fehlen einem einfach die Erfahrungswerte, wie der Börsenaspirant in Zukunft seine Umsatz- und Ertragsprognosen einlösen wird. Das hängt zu einem wesentlichen Teil damit zusammen, dass sich viele Unternehmen beim IPO noch nicht in einem komplett eingeschwungenen Zustand befinden und vielmehr erst durch die Mittel aus dem Börsengang ihren Wachstumskurs beschleunigen wollen – etwa in Form von Übernahmen oder einer Ausweitung der internationalen Aktivitäten. Hinzu kommt, dass alles eine Frage der Erwartungshaltung ist – und die wiederum hängt massiv an der Wahl des Ausgabekurses. Und der ist aus Anlegersicht in der Regel zu hoch.
Genug der Vorrede: Die auf rezeptfreie Arzneien spezialisierte PharmaSGP Holding hat ihr IPO Mitte Juni 2020 zu 31,50 Euro – wenn auch mit Schmerzen – im Prime Standard über die Bühne gebracht. Dabei handelte es sich streng genommen um ein Listing, denn eine begleitende Kapitalerhöhung mit der Ausgabe neuer Aktien gab es nicht. Vielmehr stammten die 4.025.000 Stücke im Wesentlichen vom Großaktionär Futrue um den Pharmainkubator Clemens Fischer. Sonderlich gezündet hat die PharmaSGP-Aktie am Kapitalmarkt noch nicht – die Extremkurse bewegen sich bislang zwischen 36 Euro (19. Juni 2020) und 28,35 Euro (24. Juli 2020). Immerhin: Die jetzt vorgelegten Eckdaten zum Umsatz und EBIT (Ergebnis vor Zinsen und Steuern) des ersten Halbjahrs kommen vergleichsweise gut an und befördern die Notiz mit 33,50 Euro auf den höchsten Stand seit Juni.
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So kam die PharmaSGP Holding auf ein Erlösplus von rund sieben Prozent auf 33,8 Mio. Euro. Das Betriebsergebnis konnte dieses Tempo – bedingt durch die Sonderaufwendungen im Zusammenhang mit dem Börsengang – nicht ganz mitgehen, kam aber immer noch um gut 5,5 Prozent auf 9,5 Mio. Euro voran. Bereinigt um die Extraposten ergibt sich dagegen ein schöner Zuwachs von fast 18 Prozent auf 10,6 Mio. Euro. „Wir sind außerordentlich glücklich mit der Entwicklung. In einem herausforderndem Marktumfeld, konnten wir im zweiten Quartal im Vergleich zum Wettbewerb signifikant wachsen“, sagt CEO Natalie Weigand im Hintergrundgespräch mit boersengefluester.de. Zupass kam PharmaSGP dabei, dass sie sich mit ihren Produkten – am bekanntesten sind die Schmerzmittelserien RubaXX und Restaxil – direkt an den Endkunden wendet und entsprechend viel Budget in Print- und TV-Werbung steckt. Wer darüber hinaus RubaXX googelt, kommt zudem ganz schnell auf Online-Kanäle wie Shop Apotheke Europe oder DocMorris – und natürlich auch normale stationäre Apotheken. Andere Unternehmen aus der Branche hatten jeweils viel mehr damit zu kämpfen, dass ihre Vertriebsmitarbeiter nicht wie gewohnt die klassichen Apotheken als wichtigsten Absatzkanal abklappern konnten um für ihre Produkte zu werben.
Was boersengefluester.de freilich überhaupt nicht schmeckt ist ein Punkt, den wir – trotz sorgfältiger Recherche – beim IPO übersehen hatten. So weist die Gesellschaft laut Wertpapierprospekt per Ende des ersten Quartals 2020 eine bemerkenswerte Netto-Liquidität von 104,20 Mio. Euro aus. Das entspricht einem Cash je Aktie von immerhin 8,68 Euro. Davon haben sich kurz vor dem Börsengang die verkaufenden Großaktionäre allerdings eine nahezu Vollausschüttung von 94,80 Mio. Euro (7,90 Euro je Aktie) gegönnt, so dass die Netto-Liquidität auf 9,4 Mio. Euro geschmolzen ist. Ein Umstand, den PharmaSGP so nie in seine Pressemitteilungen zum IPO thematisiert hat. Formal ist das zweifache „Kassemachen“ der Großaktionäre in Ordnung, allerdings braucht sich die Gesellschaft nicht wundern, dass sich die Börse bislang eher schwer mit der Aktie tut. Und es steht zu befürchten, dass sich mancher Investor die Augen reibt, wenn er Ende September die Halbjahresbilanz aufschlägt und dort nur noch ein mittlerer einstelliger Millionenbetrag als Cash aufgeführt ist.
Losgelöst davon verspricht CFO Michael Rudolf für das zweite Halbjahr weitere Produkteinführungen und eine Fortsetzung des Wachstumskurses. So soll die Erlösentwicklung sogar an Dynamik gewinnen – und auch die adjustierte EBIT-Marge von 31,5 Prozent scheint noch Luft nach oben zu haben. Um der Expansion noch mehr Schwung zu verleihen, hat die in Gräfelfing bei München ansässige Gesellschaft zudem kürzlich die erfahrene Managerin Maria-Johanna Schaecher als neuen Chief Business Development Officer eingestellt. Von der grundsätzlichen Strategie, keine eigeneFertigung zu übernehmen, will das Unternehmen aber nicht abweichen. „Potenzielle Firmen oder Portfolios müssen zu uns passen. Das ist entscheidend“, sagt CEO Natalie Weigand. Aktuell sei das Unternehmen schuldenfrei. „Daher sind momentan keine Kapitalerhöhungen geplant oder notwendig“, sagt Finanzvorstand Michael Rudolf. Ob für solche Akquisitionen perspektivisch derartige Maßnahmen geplant sind, lässt sich freilich nicht ausschließen.
Ein Belastungsfaktor für die PharmaSGP-Aktie könnten zudem die Ende des Jahres auslaufenden Lock-up-Vereinbarungen der Großaktionäre sein. Offiziell gibt es zwar keine Verkaufspläne, andererseits hätte Clemens Fischer schon zur Notizaufnahme deutlich mehr Aktien verkaufen wollen – wurde damals aber vom unsicheren Kapitalmarktumfeld ausgebremst. Per Saldo ist der Titel für uns eine Halten-Position.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 53,06 | 60,59 | 62,57 | 63,25 | 65,34 | 85,82 | 101,10 | |
EBITDA1,2 | 15,74 | 19,93 | 22,82 | 14,73 | 18,49 | 26,93 | 34,10 | |
EBITDA-Marge3 | 29,66 | 32,89 | 36,47 | 23,29 | 28,30 | 31,38 | 33,73 | |
EBIT1,4 | 15,33 | 19,55 | 22,42 | 14,25 | 14,92 | 17,68 | 24,64 | |
EBIT-Marge5 | 28,89 | 32,27 | 35,83 | 22,53 | 22,83 | 20,60 | 24,37 | |
Jahresüberschuss1 | 11,78 | 14,73 | 16,71 | 10,64 | 10,69 | 11,95 | 16,40 | |
Netto-Marge6 | 22,20 | 24,31 | 26,71 | 16,82 | 16,36 | 13,92 | 16,22 | |
Cashflow1,7 | 14,25 | 8,43 | 17,63 | 15,46 | 12,24 | 24,71 | 26,64 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,98 | 1,23 | 1,39 | 0,89 | 0,89 | 1,00 | 1,37 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,45 | 0,49 | 1,36 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: PricewaterhouseCoopers |
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