Die ganz große positive Überraschung ist jetzt zwar ausgeblieben. Aber natürlich sind die 2020er-Zahlen von Paul Hartmann noch immer unglaublich stark. Immerhin kam der Anbieter von Produkten zur Wundversorgung oder auch medizinischer Schutzkleidung und Desinfektionsmitteln im vergangenen Jahr auf ein Umsatzplus von mehr als elf Prozent auf 2,433 Mrd. Euro. Das um Restrukturierungsaufwendungen adjustierte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (bereinigtes EBITDA) kletterte um 38 Prozent auf 292,43 Mio. Euro. Avisiert hatte CEO Britta Fünfstück zuletzt ein bereinigtes EBITDA zwischen 280 und 320 Mio. Euro. Der Gewinn pro Aktie kam von 16,41 auf 29,98 Euro voran. „Die Pandemie führte bei Umsatz und Ergebnis zu positiven Sondereffekten. Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Covid-19 die Marktteilnehmer der Gesundheitssysteme und damit auch uns vor große Herausforderungen stellen wird“, sagt Fünfstück. Nur ein Effekt etwa ist, dass viele Operationen in den Krankenhäusern verschoben wurden und so etwa die Nachfrage nach sterilen OP-Produkten nicht das Normalmaß erreichte.
Insgesamt sind die Ergebnisse der Heidenheimer aber so gut, dass die Dividende für 2020 um 1 Euro auf 8,00 Euro pro Anteilschein heraufgesetzt wird, was – bezogen auf das aktuelle Kursniveau von 374 Euro – für eine Rendite von etwas mehr als zwei Prozent reicht. Anders ausgedrückt werden gut ein Viertel der Gewinne ausgekehrt, was eine sehr gesunde Relation ist. Immerhin setzt die Gesellschaft eher aufKontinuität. Insgesamt bestätigt sich unsere Erwartung bei der jüngsten Besprechung der Paul Hartmann-Aktie von Ende 2020 (HIER). Den Ausblick für das laufende Jahr formuliert Britta Fünfstück gewohnt zurückhaltend – auch weil sich die Nachfrageeffekte durch Corona nur schwer vorhersehen lassen. Zudem wird der Kostendruck im Gesundheitssektor eher zunehmen. Daher auch das große Restrukturierungsprgramm im Unternehmen.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 2.058,63 | 2.119,10 | 2.186,77 | 2.433,04 | 2.301,77 | 2.311,61 | 2.353,26 | |
EBITDA1,2 | 204,80 | 193,48 | 210,35 | 308,92 | 232,89 | 165,05 | 165,55 | |
EBITDA-Marge3 | 9,95 | 9,13 | 9,62 | 12,70 | 10,12 | 7,14 | 7,04 | |
EBIT1,4 | 138,23 | 123,17 | 104,38 | 163,28 | 135,39 | 63,40 | 62,51 | |
EBIT-Marge5 | 6,71 | 5,81 | 4,77 | 6,71 | 5,88 | 2,74 | 2,66 | |
Jahresüberschuss1 | 93,70 | 83,77 | 62,93 | 112,94 | 97,10 | 39,48 | 32,74 | |
Netto-Marge6 | 4,55 | 3,95 | 2,88 | 4,64 | 4,22 | 1,71 | 1,39 | |
Cashflow1,7 | 200,51 | 147,46 | 161,26 | 304,94 | 130,60 | -1,04 | 230,79 | |
Ergebnis je Aktie8 | 24,82 | 22,25 | 16,41 | 29,98 | 26,66 | 10,18 | 8,00 | |
Dividende8 | 7,00 | 7,00 | 7,00 | 8,00 | 8,00 | 8,00 | 8,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: PricewaterhouseCoopers |
Insgesamt geht die aktuelle Prognose für 2021 von einem moderaten Umsatzrückgang sowie einem bereinigten EBITDA in einer Bandbreite von 210 bis 260 Mio. Euro aus. Andererseits adjustiert Paul Hartmann – im Gegensatz zu den üblichen Gepflogenheiten – beim bereinigten EBITDA nicht zwingend zu den eigenen Gunsten. So wurden 2020 zwar 4,7 Mio. Euro aus dem Transformationsporgramm sowie Verluste aus dem im Frühjahr 2020 erfolgten Verkauf der Sanimed-Gruppe (Patientenversorgung) herausgerechnet, aber eben auch etliche Sondererträge (21,2 Mio. Euro) aus der wegen Corona massiv gestiegenen Nachfrage nach Masken eliminiert. Das zumindest für den Hinterkopf bei der Interpretation des Ausblicks. Nun: Wer darauf gesetzt hat, dass die Nachfrage nach Desinfektionsmaterialen auch 2021 alles andere in den Schatten stellen wird, dürfte trotzdem eher etwas ernüchtert sein.
Für den Geschmack von boersengefluester.de sind die potenziellen Belastungsfaktoren aber ohnehin im Kurs eingepreist. Anders wäre die insgesamt so moderate Bewertung der Paul Hartmann-Aktie wohl kaum zu erklären – die geringe Handelsliquidität sowie die eher spärlichen Investor Relations-Aktivitäten ausgeklammert. Als Langfristinvestment gefällt uns der Titel weiterhin ausnehmend gut. Order sollten nur limitiert aufgegeben werden. Kaufen und liegen lassen lautet die Devise. Für Trader ist der Titel denkbar ungeeignet.
Foto: Paul Hartmann AG