Börse hat unglaublich viel mit Emotionen zu tun. Aber manchmal lohnt es sich eben doch, einfach mal nachzurechnen. Quasi eine Einladung dafür liefert die paragon-Aktie. Zurzeit kommt der Automobilzulieferer auf eine Marktkapitalisierung von 270 Mio. Euro. Bereinigt um die Netto-Liquidität von zuletzt etwas mehr als 63 Mio. Euro ergibt sich daraus ein Unternehmenswert (Enterprise Value) von knapp 207 Mio. Euro. Für diesen Betrag könnte ein Investor – zumindest in der Theorie – paragon frei von Finanzschulden und liquiden Mitteln kaufen. Für ein Unternehmen, das für 2018 auf Konzernebene Erlöse von 175 Mio. Euro sowie ein Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) von annähernd 16 Mio. Euro anpeilt, ist das ziemlich fair. Bemerkenswert ist die aktuelle Einordnung des Kapitalmarkts aber auch deshalb, weil paragon 60 Prozent an dem im vergangenen Herbst an die Börse entlassenen Batteriespezialisten Voltabox hält. Zwar hat sich das Voltabox-IPO – abgesehen von der anfänglichen Euphoriephase – in Sachen Performance bislang als Non-Event erwiesen (Ausgabepreis: 24,00 Euro, Aktueller Kurs: 23,58 Euro). Fakt ist aber auch, dass allein der auf paragon entfallende Voltabox-Anteil für einen Börsenwert von annähernd 224 Mio. Euro steht. Mit anderen Worten: Die Marktkapitalisierung von paragon ist zu fast 83 Prozent durch das Voltabox-Paket abgesichert. Zudem bedeutet diese Relation, dass das gesamte Nicht-Batteriegeschäft von paragon – hier geht es um für 2018 zu erwartende Umsätze von rund 115 Mio. Euro sowie ein EBIT gut 10 Mio. Euro – mit gerade einmal 46 Mio. Euro bewertet wird.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 124,82 | 187,38 | 192,19 | 144,98 | 146,92 | 160,32 | 161,65 | |
EBITDA1,2 | 17,03 | 30,29 | -8,37 | -10,49 | 17,46 | 11,57 | 17,67 | |
EBITDA-Marge3 | 13,64 | 16,17 | -4,36 | -7,24 | 11,88 | 7,22 | 10,93 | |
EBIT1,4 | 7,63 | 14,83 | -119,95 | -49,15 | 0,78 | -3,05 | 1,05 | |
EBIT-Marge5 | 6,11 | 7,91 | -62,41 | -33,90 | 0,53 | -1,90 | 0,65 | |
Jahresüberschuss1 | -0,66 | 3,37 | -123,52 | -44,67 | -11,42 | -3,37 | -3,81 | |
Netto-Marge6 | -0,53 | 1,80 | -64,27 | -30,81 | -7,77 | -2,10 | -2,36 | |
Cashflow1,7 | -8,37 | -53,48 | -14,14 | 18,76 | 13,71 | 12,90 | -6,16 | |
Ergebnis je Aktie8 | -0,15 | 0,52 | -18,29 | -6,14 | -2,52 | -0,93 | -0,84 | |
Dividende8 | 0,25 | 0,25 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Rödl & Partner |
Wo ist also der Haken? So viel vorweg: Die große Einschränkung gibt es nicht, vermutlich haben sich die Investoren zuletzt an einer Summe von Punkten aufgerieben, die auf den ersten Blick in der Tat weniger schmeichelhaft daherkommen. Den markantesten Einfluss hatten zweifelsfrei die im März vorgelegten Zahlen für 2017. Ein spürbar rückläufiges EBIT von 7,63 Mio. Euro sowie einen Fehlbetrag von 657.000 Euro hatte schließlich niemand auf der Rechnung. Zwar relativierte Vorstand Klaus Dieter Frers den Druck aufs Betriebsergebnis mit zwei Sondereffekten im Bereich Mechanik. Bilanz-Hardliner werden dem aber entgegensetzen, dass Anlaufkosten für Prototypen nunmal zum Geschäft eines Automobilzulieferers gehören und damit nicht wirklich bereinigungswürdig sind. Hinzu kommt, dass die Finanzierungsaufwendungen auch ersten Quartal 2018 fast das gesamte Betriebsergebnis aufgefressen haben und per saldo rote Zahlen von 250.000 Euro übrig geblieben sind – nach einem kleinen Überschuss von 72.000 Euro im Jahr zuvor. So gesehen bleibt abzuwarten, welche Resultate bei paragon zum Jahresende 2018 unterm Strich tatsächlich stehen bleiben.
Gemischte Töne gab es auch – wie nicht anders zu erwarten war – zu der auf der jüngsten Hauptversammlung (HV) beschlossenen Umfirmierung in eine KGaA. Keine Frage: Boersengefluester.de bevorzugt für gelistete Unternehmen ebenfalls die Rechtsform einer AG. Andererseits regt sich bei Konzernen wie Henkel, Fresenius oder Merck auch niemand großartig über diese Variante der Rechtsform auf. Und auch im Nebenwertebereich gibt es mit Borussia Dortmund, Hornbach Holding, Mühlbauer oder der German Startups Group prominente Beispiele mit dem Zusatz KGaA hinterm Firmennamen. Summa summarum bleiben wir dabei: paragon-CEO Frers ist in seiner Kommunikation und einigen Punkten der Bilanzierung – etwa bei der Aktivierung von Eigenleistungen – für unseren Geschmack zwar einen Tick zu forsch. Auf dem aktuellen Kursniveau dominieren jedoch die Chancen. Das Unternehmen aus Delbrück ist breit aufgestellt und hat in den vergangenen Jahren viel Geld investiert. Das sollte sich auf mittlere Sicht auszahlen. Zudem ist das Papier im Branchenvergleich eher moderat bewertet. Für eine Verbesserung des Sentiments der paragon-Aktie spricht aber auch die jüngste Meldung, wonach die Gesellschaft einen langjährigen Großauftrag von der chinesischen Geely Auto Group (unter anderem auch VOLVO) an Land gezogen hat. Bis zum Produktionanlauf des Partikelsensors vergehen zwar noch zwei Jahre. Doch Frers hängt die Bedeutung des Deals hoch auf. „Unser Ziel ist es, unsere hervorragende Stellung in China zügig auszubauen.“ Weniger geeignet ist die paragon-Aktie indes für Anleger, denen eine attraktive Dividendenrendite wichtig ist.