Anfang April 2020 war es eine clevere Idee, bei Kursen um 6 Euro OTRS-Aktien zu kaufen. Immerhin kletterte die Notiz des Microcaps in den folgenden 18 Monaten in der Spitze bis auf knapp 18 Euro. Doch der enorme Kurshebel bei der auf Helpdesk- und IT-Servicesoftware spezialisierten Gesellschaft wirkt auch in die andere Richtung. Mit Beginn des Ukraine-Kriegs Anfang 2021 kam der Anteilschein von OTRS immer derber unter die Räder und hat nun wieder bei der Marke von 6 Euro aufgesetzt. Stellt sich die Frage, ob dem Titel von diesem Niveau aus erneut ein Kurs-Comeback gelingt? Möglich ist an der Börse natürlich immer alles, aber die Ausgangslage ist zunächst einmal eher schwierig. Mit Vorlage des Halbjahresberichts hat CEO André Mindermann nicht nur die Ergebnisziele für 2023 spürbar nach unten korrigiert, sondern auch die eigentlich für 2024 geplante Rückkehr in die Profitabilität um ein Jahr nach hinten geschoben.
Valide Prognosen lassen sich derzeit zwar noch nicht machen, doch die Tendenz ist klar. „Ich erwarte für 2024 eine schwarze Null – also leicht positive Zahlen“, sagt André Mindermann bei der Präsentation des Q2-Reports. Für das laufende Jahr ist derweil nur noch von einem Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) zwischen minus 500.000 und minus 800.000 Euro auszugehen. Ursprünglich peilte das Unternehmen aus Oberursel für das laufende Jahr ein ausgeglichenes bis leicht negatives EBITDA an (siehe dazu unseren Bericht HIER). Bei seiner Präsentation auf der Montega-Plattform Connect hat es André Mindermann gar nicht explizit angesprochen, doch im Halbjahresbericht stehen deutliche Worte zu den Rahmenbedingungen: „Deutschland strauchelt auch international, wenn es um Marktanteile oder generell um eine Wettbewerbsposition in relevanten Wirtschaftsfeldern geht. Vorteile, die bisher aus der „Made in Germany“-Bezeichnung resultierten, schrumpfen mit Blick auf die zunehmende Geschwindigkeit von Modernisierung, Digitalisierung und Innovation massiv. Diese Schwerfälligkeit und Langsamkeit verspüren wir bei der Entscheidungsfindung potenzieller Kunden weiterhin vermehrt, was zu einer weiteren Verlängerung unseres Sales-Zyklus führt.“
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 7,65 | 8,31 | 9,80 | 9,71 | 11,04 | 11,84 | 12,31 | |
EBITDA1,2 | 0,51 | 0,97 | 1,61 | 2,31 | 2,40 | 1,27 | -0,34 | |
EBITDA-Marge3 | 6,67 | 11,67 | 16,43 | 23,79 | 21,74 | 10,73 | -2,76 | |
EBIT1,4 | 0,13 | 0,58 | 1,12 | 1,76 | 1,71 | 0,49 | -1,57 | |
EBIT-Marge5 | 1,70 | 6,98 | 11,43 | 18,13 | 15,49 | 4,14 | -12,75 | |
Jahresüberschuss1 | 0,14 | 0,45 | 0,78 | 1,22 | 1,19 | 0,34 | -1,08 | |
Netto-Marge6 | 1,83 | 5,42 | 7,96 | 12,56 | 10,78 | 2,87 | -8,77 | |
Cashflow1,7 | 1,70 | 1,01 | 0,79 | 1,46 | 2,51 | 1,17 | -1,21 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,07 | 0,23 | 0,41 | 0,63 | 0,62 | 0,17 | -0,56 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,07 | 0,15 | 0,10 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Veda |
Gemessen daran hat sich OTRS im ersten Halbjahr 2023 mit einem Umsatzplus von 11,5 Prozent auf 6,28 Mio. Euro sogar besser als gedacht entwickelt, selbst wenn es ein paar positive Sondereffekte gab. Und auch das EBITDA liegt mit schlanken 83.000 Euro zwar sehr deutlich unter dem vergleichbaren Vorjahreswert von 681.000 Euro, aber eben noch im positiven Terrain. „Der Markt wird sich eher verschlechtern“, sagt André Mindermann mit Blick auf das zweite Halbjahr. Dabei hat die Gesellschaft vor rund 1,5 Jahren angefangen stärker zu investieren – insbesondere in Personal. Aber auch die Kooperation mit dem Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Gartner sowie die Einführung eines ERP-Systems von SAP heben zurzeit die Kosten. Weitere Investitionen diesbezüglich sind derzeit jedoch nicht geplant, so dass mit steigenden Erlösen künftig auch das Ergebnis überproportional profitieren sollte. Dabei ist OTRS sehr international aufgestellt und verfügt über einen breites Kundenspektrum mit bekannten Namen.
Überhaupt macht das Team von OTRS einen agilen Eindruck und hat mit seiner sehr ausgeprägten Unternehmenskultur etwas Besonderes geschaffen. Doch vorerst bleibt es dabei, dass die Ergebnis-Zahlen wohl eher nicht für positive Kursimpulse sorgen werden. Hinzu kommt, dass der Börsenhandel ohnehin recht dünn ist. Ein größerer Freefloat wäre daher förderlich, doch auf dem derzeitigen Kursniveau sind Umplatzierungen kaum opportun. CEO André Mindermann hält über die VBGM GmbH rund 40 Prozent der Aktien, dem Streubesitz sind etwa 30 Prozent zuzurechnen. Die restlichen 30 Prozent sind in der UX3 GmbH gebündelt, einem Investmentvehikel des Aufsichtsratsvorsitzenden und Mitgründers Burchard Steinbild. Ingesamt ist der Titel auf dem jetzigen Niveau eine Halten-Position. Mit Blick auf 2025 sollte sich das KGV wieder massiv ermäßigen. Die meisten anderen Kennzahlen sind für ein mehrheitlich SaaS-geprägtes Unternehmen schon jetzt recht günstig. Gelistete Wettbewerber sind in Teilbereichen USU Software sowie der US-Konzern ServiceNow.
Foto: Unsplash+
Jetzt für unseren wöchentlichen Newsletter BGFL WEEKLY anmelden. Das Angebot ist kostenlos und präsentiert die Highlights von boersengefluester.de (BGFL) sowie Interna aus der Redaktion. Der Erscheinungstag ist immer freitags. Wer Interesse hat und noch nicht registriert ist, kann das gern unter diesem LINK tun.