Erst der Turbostart, jetzt die Vollbremsung – zumindest was den Aktienkurs betrifft. So hatte die Notiz von Northern Data in den ersten beiden Monaten 2020 glatt einen Verdoppler bis auf in der Spitze 42 Euro hingelegt, um dann innerhalb weniger Tage bis auf 24 Euro einzuknicken. Umso wichtiger für die Nerven der Anleger, dass das mittlerweile auf den Bau von Hochleistungsrechenzentren fokussierte Unternehmen nun mit einer knackigen Umsatz- und Ergebnisvorschau für 2020 für neue Fantasie sorgt. Demnach kalkuliert Northern Data – das Unternehmen entstand aus dem Zusammenschluss des früheren Bitcoin-Schürfers Northern Bitcoin mit Whinstone US – für das laufende Jahr mit Erlösen von 120 bis 140 Mio. Euro sowie einem Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) zwischen 45 und 60 Mio. Euro. Wie zu hören ist, soll diese Ergebnisvorschau sogar eher konservativ angesetzt sein und Raum für weitere Steigerungen im Jahresverlauf lassen.
„Wir arbeiten in Texas seit geraumer Zeit am weltweit größten HPC-Rechenzentrum und haben uns bereits erstklassige Verträge mit globalen Blue-Chip-Kunden gesichert“, sagt Aroosh Thillainathan, CEO von Northern Data. Erst kürzlich hatten die Frankfurter Kooperationen mit einer Krypto-Tochter der japanischen SBI Group sowie der auf Blockchain-Lösungen spezialisierten Nasdaq-Gesellschaft Canaan lanciert. Zudem sollen weitere namhafte Unternehmen, die auf der Suche nach Rechenzentrumskapazitäten sind, auf der Matte stehen. Entsprechend wird bereits jetzt getuschelt, dass die geplante Kapazität von bis zu einem Gigawatt in Texas bald komplett verkauft sein wird. Für Northern Data bedeutet das sichere Mieteinnahmen – ähnlich wie bei einer Immobilienaktie. Dabei kommt der Gesellschaft die aktuelle Entwicklung Richtung zunehmend mehr Home Office-Arbeitsplätzen sogar klar entgegen. Immerhin benötigen Webkonferenzen von Anbietern wie Zoom oder TeamViewer zusätzliche Kapazitäten.
Abgeschlossen wurde derweil die bereits Mitte November 2019 emittierte Wandelanleihe im Volumen von bis zu 20 Mio. Euro mit einem Wandlungspreis von 8,00 Euro sowie einem Kupon von 5,00 Prozent. Interessant: Northern Bitcoin besitzt die Option, statt der Wandlung in Aktien alternativ einen Barbetrag von jeweils 21,00 Euro zu zahlen und somit die Verwässerung durch die theoretisch bis zu 2,5 Millionen neuen Aktien aus dem Bond zu vermeiden. Dem Vernehmen nach zählt einer der Top-Kunden von Northern Data zu den wesentlichen Investoren des Convertibles – ein weiterer Ausbau dieses Engagements ist dabei wohl nicht ausgeschlossen. Per Saldo handelt es sich also um eine reinrassige Wachstumsstory. Vermeiden sollten Investoren allerdings den Blick in den Rückspiegel. So kommt die frühere Northern Bitcoin für 2019 wohl nur auf Erlöse von etwa 10 Mio. Euro bei einem negativen EBITDA von rund 8 Mio. Euro.
Gespannt ist boersengefluester.de zudem auf das Research zu Northern Data, was dem demnächst – so wird zumindest getuschelt – erscheinen soll. Kurz zusammengefasst: Wer den jüngsten Kursrutsch von Northern Bitcoin am Einbruch des Bitcoin festmacht, liegt insofern falsch, weil ein solcher Zusammenhang im neuen Geschäftsmodell von Northern Data operativ gar nicht mehr gegeben ist. Und auch sonst läuft das Geschäft unbeeinträchtigt von den aktuellen Entwicklungen rund um Corona. Umso positiver sehen wir es, dass das Unternehmen nun mit neuen Details zur finanziellen Planung an die Öffentlichkeit geht. Normalerweise sollte das dem Kirs neuen Auftrieb geben. Aber logisch: In Frage kommt der Titel nur für sehr risikobereite Investoren – trotz unserer Analogie zum vergleichsweise gut planbaren Einnahmenstrom von Immobilienfirmen. Und auch CEO Thillainathan gibt sich super zuversichtlich: „Wir sind mehr als zuversichtlich, die Prognose zu erfüllen und in den kommenden Jahren auf unserem steilen Wachstumspfad weiter voran zu schreiten.”
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