Eine gute Rendite, die weit über der Verzinsung von Banken liegt, verspricht Vorstandschef Jürgen Eversberg den Aktionären von Nordwest Handel. Und tatsächlich punktet der Anteilschein des Einkaufsverbandes mit attraktiven Kennzahlen. Boersengefluester.de stellt den kaum bekannten Small Cap vor.
Zu manchen Firmen hat man eine ganz besondere Beziehung. Nordwest Handel (WKN: 677550) aus Hagen gehört dazu. Schließlich habe ich die Firmenzentrale mitaufgebaut – zumindest ein wenig. Die Baustelle in Hagen Haspe war im Sommer 1982 mit 16 Jahren mein erster Ferienjob. Es galt, den väterlichen Kredit für meine Zündapp KS 80 zurückzuzahlen. So viel zu meinem ersten selbstverdienten Geld. Noch heute sitzt das Handelsunternehmen für Betriebe aus Handwerk und Industrie in der Berliner Straße 26-36 in Hagen. Börsennotiert ist es seit August 1999, doch abgesehen von ein paar Nebenwertespezialisten, dürften wohl nur die wenigsten Anleger die Aktie von Nordwest Handel kennen. Dabei bietet die Gesellschaft, deren wichtigste Kunden aus den Bereichen Sanitär/Heizung, Bauhandwerk und Stahl kommen, eine Menge Gegenwert für den Aktienkurs von zuletzt 12,30 Euro. Größter Anteilseigner mit 29,95 Prozent ist seit Mitte 2010 die Rothenberger Holding. In Börsenkreisen ist die im Bereich Werkzeuge tätige Firmengruppe gut bekannt. Spekulationen, wonach die Kelkheimer ihren Anteil womöglich auf mehr als 30 Prozent schrauben könnten – und somit ein Abfindungsangebt fällig wäre – haben sich bislang nicht bewahrheitet. Derzeit gibt es auch keine Hinweise auf weitere Zukäufe von Rothenberger. Insgesamt gibt es 3,205 Mio. Nordwest-Aktien, so dass der Börsenwert knapp 40 Mio. Euro beträgt. Heimatbörse ist der Regulierte Markt in Düsseldorf, die Papiere werden aber auch im Frankfurter Second Quotation Board gehandelt. „Die Nordwest-Aktie ist eine Anlage mit einer guten Rendite, die weit über den derzeitigen Zinsen der Banken liegt“, sagt Vorstandschef Jürgen Eversberg. Für 2012 zahlen die Hagener, die mittlerweile fast 800 Handelspartner zu ihrem Verbund zählen, erneut eine Gewinnbeteiligung von 0,65 Euro pro Anteilschein aus. In der Summe sind das fast zwei Mio. Euro. Die Hauptversammlung fand allerdings bereits am 14. Mai 2013 statt. Bezogen auf den aktuellen Kurs errechnete sich eine Rendite von ansehnlichen 5,3 Prozent.
Das Zahlenwerk von Nordwest sieht auf den ersten Blick nicht nach einer knackigen Wachstumsstory aus. Bei nahezu konstanten Umsatzerlösen von 442,4 Mio. Euro kam der Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBIT) 2012 um acht Prozent auf 7,9 Mio. Euro voran. Aufgrund einer höheren Steuerquote und eines schlechteren Finanzergebnisses lag der Nettogewinn mit 4,4 Mio. Euro jedoch um zwei Prozent unter dem vergleichbaren Vorjahreswert. Das Ergebnis je Aktie ging von 1,46 Euro auf 1,44 Euro zurück. Der Start ins laufende Jahr verlief ebenfalls holprig. Insbesondere die schwache Entwicklung im wichtigen Geschäfstfeld Stahl machte den Hagenern zu schaffen. Nach dem ersten Jahresviertel lag der Konzernerlös von Nordwest mit 109 Mio. Euro um zehn Prozent hinter dem vergleichbaren Vorjahreswert. Das EBIT kam dabei sogar um 22 Prozent unter Druck. Dennoch zeigt sich der Vorstand zuversichtlich und rechnet im Jahresverlauf mit einer Umsatzbelebung.
Mit einer konkreten Prognose für 2013 hält sich der Vorstand noch zurück. Nur soviel: „In unseren derzeitigen Planungen gehen wir von einem leichten Wachstum des Geschäftsvolumens und einer Ergebnisverbesserung für das Geschäftsjahr 2013 aus.“ Lohnenswert ist ein Blick in die Bilanz. Der Saldo aus Zahlungsmitteln und Finanzverbindlichkeiten beträgt fast 24 Mio. Euro. Pro Anteilschein stehen somit fast 7,50 Euro Cash in der Bilanz. Mit anderen Worten: Fast 60 Prozent des Aktienkurses sind durch Bargeld hinterlegt. Ausgeklammert sind bei dieser Rechnung allerdings die für einen Handelshaus typischen hohen Lieferantenverbindlichkeiten von zuletzt 118,5 Mio. Euro. Punkten kann der Titel auch unter anderen Substanzaspekten. Angesichts eines Eigenkapitals von fast 15 Euro pro Aktie erhalten Anleger den Nebenwert nämlich für deutlich weniger als den Buchwert.
An der Börse am ehesten vergleichbar ist die Nordwest-Aktie mit dem Anteilschein der VBH Holding (WKN: 760070). Von März 2009 bis Juni 2010 war das Unternehmen sogar Mitglied im Nebenwerte-Index SDAX. Doch das größte Handelsunternehmen der Branche türmte in den vergangenen zwei Jahren Verluste von fast 42 Mio. Euro auf und musste eine drastische Rosskur einleiten. Tochtergesellschaften in Ländern wie China, Indien und Griechenland wurden geschlossen, andere Einheiten wie die in Singapur und Kuwait wurden geschlossen. In Folge der Bilanzbereinigung schmolz die Marktkapitalisierung der aus dem rund 20 Kilometer von Stuttgart entfernten Korntal-Münchingen stammenden VBH Holding von rund 230 auf zuletzt 121 Mio. Euro – zu wenig für einen Indexplatz. Immerhin: Für 2013 peilt der VBH-Vorstand bei nochmals um sechs Prozent rückläufigen Erlösen von 700 Mio. Euro ein EBIT von etwa 21 Mio. Euro an. Beim derzeitigen Börsenwert entspricht das einem Faktor von 5,8. Zur Einordnung: Nordwest Handel wird momentan mit dem 5,2-fachen des von boersengfluester.de für 2013 erwarteten EBIT von 8 Mio. Euro gehandelt. Zudem können die Hagener mit der solideren Bilanz punkten. Nettoschulden von 84,4 Mio. Euro, wie sie VBH ausweist, hat Nordwest Handel nicht. Nicht unbedingt einladend ist auch das Kurs-Buchwert-Verhältnis von 1,6. So haben die enormen Verluste das Eigenkapital von VBH seit 2009 von 130 Mio. auf zuletzt 75 Mio. Euro schmelzen lassen. Ebenso gilt es für die Anteilseigner von VBH die zweite Nullrunde in Folge bei der Dividende zu verkraften. Kombiniert mit der unterm Strich desaströsen Kursentwicklung ist das eine ziemliche Hypothek.