Mächtig turbulent geht es zurzeit bei der Nordex-Aktie zu. Der Titel wechselt beinahe schneller die Richtung als der Wind an der Küste. Dennoch: Mit einem Plus von 43 Prozent seit Jahresbeginn belegt das Papier momentan Platz ganz knapp eins der TecDAX-Hitliste des laufenden Jahres – vor dem Anteilschein des Softwareanbieters Nemetschek, der es auf einen Zugewinn seit Anfang Januar von 42 Prozent bringt. Dahinter streiten sich derzeit Dialog Semiconductor (plus 36 Prozent seit Jahresbeginn) und Stratec Biomedical (plus 32 Prozent seit Jahresbeginn) um die Plätze. Vor allen Dingen nach der Vorlage der Halbjahreszahlen des Windkraftanlagenherstellers, ist eine intensive Diskussion um die weiteren Chancen der Nordex-Aktie entbrannt. Zurzeit ist die Nordex die meistgesuchte Aktie in den einschlägigen Finanzportalen. Für zusätzlichen Gesprächsstoff sorgte ein Interview von Vorstandschef Jürgen Zeschky in der „Welt am Sonntag“, obwohl der Firmenlenker dort mit der Abkehr von China und den künftigen Chancen in Afrika keine brisanten Geheimnisse verriet. Und die selbst in Spiel gebrachte Übernahmefantasie gehört wohl ebenfalls in die Rubrik Tagesgeschäft.
Keinen Grund für eine komplette Neueinschätzung lieferte auch der Sechs-Monats-Bericht von Nordex. Bei einem Umsatzanstieg um gut 23 Prozent auf 815,4 Mio. Euro kam das Betriebsergebnis von 15 auf 37,1 Mio. Euro voran. Eher ein Aufreger war der unveränderte Ausblick der Firma mit Stammsitz in Rostock. Demnach peilt das Unternehmen weiterhin Umsätze von 1,5 bis 1,6 Mrd. Euro sowie eine EBIT-Marge (Ergebnis vor Zinsen und Steuern in Relation zum Umsatz) zwischen vier und fünf Prozent. Das würde auf ein EBIT von 60 bis 80 Mio. Euro hinauslaufen. Zur Einordnung: Die Konsensschätzung der Analysten für das 2014er Betriebsergebnis liegt zurzeit bei fast 82 Mio. Euro. Die Erwartungshaltung ist also enorm. Kein Wunder, dass sich manch Anleger, der auf eine Anhebung der Prognosen spekuliert hatte, nach der Zahlenvorlage erst einmal zurückzog.
Der Börsenwert von Nordex beträgt zurzeit 1.053,5 Mio. Euro. Demnach wird der TecDAX-Titel im günstigen Fall mit dem Faktor 13,7 auf das vom Management in Aussicht gestellte EBIT für 2014 bewertet. Zum Vergleich: Das dänische Unternehmen Vestas Wind Systems bringt 7934,5 Mio. Euro auf die Waagschale und kalkuliert für 2014 – bei Erlösen von mindestens 6 Mrd. Euro – mit einer operativen Rendite (vor Sonderfaktoren) von Untergrenze fünf Prozent. Geht man von Umsätzen von 6,8 Mrd. Euro und einer von den Analysten unterstellten EBIT-Marge von sieben Prozent aus, käme Vestas auf ein EBIT-Multiple 16. Das ist spürbar ambitionierter als bei Nordex – trotz der sehr optimistischen Konsensschätzungen für Vestas.
Ohnehin richten sich bei Nordex alle Blicke auf den 24. September – dann findet in Hamburg der traditionelle „Nordex Capital Markets Day“ statt. Auf diesem Investorentag will der Vorstand die „Eckdaten seiner mittelfristigen Finanzplanung“ präsentieren. Bislang hatte Firmenlenker Zeschky bis 2015 Erlöse von mindestens 1,5 Mrd. Euro sowie eine EBIT-Marge von fünf Prozent in Aussicht gestellt. Das entspricht mittlerweile etwa der Vorgabe für 2014. Entsprechend hoch sind die Erwartungen. Konkrete Ziele für 2016 gibt es bislang noch nicht. Auch werden die Investoren genau schauen, wie weit sich Nordex aus dem Fenster lehnen wird.
Bis zu diesem Datum werden sich auch derzeit eher vorsichtige Analysten mit Neueinschätzungen zurück halten. Kursziele von mehr als 16 Euro geben momentan nur Goldman Sachs (18,20 Euro) und die Deutsche Bank (17 Euro) aus. 16 Euro nennen die Experten von Commerzbank und NordLB als fairen Wert für die Nordex-Aktie. Für boersengefluester.de ist die Nordex-Aktie ebenfalls kaufenswert. Wer zurzeit mit dem Schiff durch den Hafen von kann die vielen von Nordex gefertigten – und zum Abtransport bereiten – Rotorblätter kaum übersehen. Ähnlich imposant sieht es auf dem im Ausbau befindlichen Firmengelände in Hinrichsdorf, unweit von Rostock aus. Boersengefluester.de hatte sich unlängst auf einer Recherchetour vor ein Ort ein Bild davon gemacht. Für risikobereite Anleger bleibt das Papier unserer Meinung nach ein Wette wert. Die Bewertung des TecDAX-Titels ist sportlich, aber nicht abgehoben. Für die extremen Kursschwankungen der vergangenen Tage besteht jedenfalls kein echter Grund. Anleger sollten also besonnen bleiben und nicht wild hin und her traden.