Zugegeben: Nach einer Stabilisierung des Aktienkurses schaute es bei Noratis im vergangenen Sommer schon einmal aus, ehe die Notiz im Herbst dann erneut kräftig an Terrain verlor. So gesehen hatte boersengefluester.de kein gutes Händchen bei der jüngsten Vorstellung (HIER) des in Eschborn ansässigen Bestandsentwicklers von bezahlbaren Wohnimmobilien im Mai 2022 – damals bei Kursen knapp unter 20 Euro. Mittlerweile wird der Titel nur noch zu knapp 12 Euro gehandelt. Nun haben in dem Zeitraum nahezu alle Aktien aus dem Immobiliensektor deutlich zweistellig an Wert verloren, aber bei Noratis hatten wir schon allein deshalb eine deutlich bessere Performance erwartet, weil a) das Geschäftsmodell vergleichsweise stabil ist und b) mit Merz Real Estate – es handelt sich um ein Immobilienvehikel des Frankfurter Gesundheitsunternehmens Merz Pharma – ein Großaktionär zur Seite steht, der allein bis 2024 zusätzliches Eigenkapital von 50 Mio. Euro zugesichert hat, wovon weiterhin erst 14 Mio. Euro gezogen sind.
Im Normalfall müsste sich diesbezüglich in den kommenden Quartalen also einiges tun. Derzeit wird Noratis mit einem Abschlag von einem knappen Drittel auf das zum Halbjahr ausgewiesene Eigenkapital gehandelt. Noch interessanter ist der Discount von mittlerweile 60 Prozent auf den um die stillen Reserven ergänzten Substanzwert (NAV) des Unternehmens. Schwer einzuschätzen, wie sich der Net Asset Value zum Jahresende 2022 im Zuge womöglich niedrigerer Wertansätze der Bestandsobjekte durch die Wirtschaftsprüfer konkret darstellen wird. Aber selbst wenn die Auditoren womöglich ein paar Millionen Euro abziehen, per saldo dürfte es bei einem signifikanten Abschlag zum Börsenkurs bleiben. Diesem Ungleichgewicht wird sich derzeit wohl auch der Kapitalmarkt bewusst, denn die Notiz des im Frankfurter Scale-Segment gelisteten Unternehmens bildet seit einigen Wochen erneut einen Boden aus. Wir werden die Entwicklung genau verfolgen.
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Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 67,99 | 56,12 | 75,95 | 28,70 | 73,60 | 85,61 | 60,18 | |
EBITDA1,2 | 15,32 | 15,72 | 15,95 | 8,63 | 16,29 | 12,98 | 4,08 | |
EBITDA-Marge3 | 22,53 | 28,01 | 21,00 | 30,07 | 22,13 | 15,16 | 6,78 | |
EBIT1,4 | 15,22 | 15,55 | 15,76 | 8,21 | 19,36 | 12,50 | 3,55 | |
EBIT-Marge5 | 22,39 | 27,71 | 20,75 | 28,61 | 26,30 | 14,60 | 5,90 | |
Jahresüberschuss1 | 8,67 | 9,27 | 8,67 | 2,80 | 9,54 | 8,28 | -10,99 | |
Netto-Marge6 | 12,75 | 16,52 | 11,42 | 9,76 | 12,96 | 9,67 | -18,26 | |
Cashflow1,7 | 12,86 | -0,09 | -18,36 | -94,05 | -70,10 | -33,03 | 22,91 | |
Ergebnis je Aktie8 | 2,97 | 2,57 | 2,40 | 0,58 | 1,97 | 1,71 | -2,21 | |
Dividende8 | 1,50 | 1,30 | 0,80 | 0,50 | 0,55 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: RGT Treuhand |
Risikofaktor Nummer 1 bleibt derzeit das steigende Zinsumfeld mit all seinen negativen Implikationen auf die Preisentwicklung von Immobilien. Noratis bewegt sich mit seinen Losgrößen und der Ausrichtung auf eher einfache Immobilien zwar grundsätzlich in einem Umfeld mit vergleichsweise stabilen Transaktionsvolumen. Gerade was Verkäufe von Portfolien angeht, wird der Markt aber zunehmend schwieriger. Insbesondere Wohnanlagen mit schlechten energetischen Werten werden da schnell zu Ladenhütern. Hinzu kommt, dass die steigenden Energiekosten für die Mieter von Noratis vorfinanziert werden müssen und es absehbar sein wird, dass sich die Zahl der Miet- bzw. Nebenkostenausfälle deutlich erhöhen wird. In der Vergangenheit bewegte sich diese Quote gewöhnlich zwischen 1,5 und 1,8 Prozent. Bei der Präsentation auf dem Frankfurter Eigenkapitalforum (EKF) im November sprach der Vorstand diese Problematik explizit an.
Noch gibt es keine Indikationen für die Höhe der Ausfälle, CEO Igor Christian Bugarski wollte auf dem EKF aber auch zweistellige Größenordnungen nicht ausschließen. Finanzvorstand André Speth machte im gleichen Atemzug aber deutlich, dass es zu Dimensionen nördlich von 10 Prozent längst nicht kommen muss, zumal rund 30 Prozent der Mieter von Noratis staatliche Transferleistungen beziehen und die Mieten in diesem Fall als relativ sicher einzustufen sind. Wie sich Noratis innerhalb dieser Gemengelage in Sachen Dividende positionieren wird, wird sich wohl erst im Frühjahr herauskristallisieren. Normalerweise ist der Spezialwert – trotz der gegenüber den Jahren 2017 bis 2019 deutlich gekürzten Dividende – eher renditestark. Insofern geht boersengefluester.de davon aus, dass Noratis auch für 2022 eine Ausschüttung vornehmen wird. Im Idealfall wäre die Dividende unverändert oder nur leicht unter den 0,55 Euro je Aktie für 2021.
Mit auf dem Schirm haben wird CFO André Speth dabei aber auch die operative Entwicklung für 2023, und hier wird es wohl zu einem spürbaren Rückgang des Betriebsergebnisses kommen. Insofern kalkuliert boersengefluester.de momentan mit einer um 15 Cent auf 0,40 Euro je Aktie reduzierten Dividende zur nächsten Hauptversammlung im Juli 2023. Noch ist hier nichts entschieden, umso wichtiger ist es für Anleger, dass der Aktienkurs nun den Dreh nach oben hinbekommt.
Foto: Gerd Altmann auf Pixabay