„Das war wie ein Sechser im Lotto“, sagt Noratis-Finanzvorstand André Speth beim Hintergrundgespräch mit boersengefluester.de auf der MKK Münchner Kapitalmarkt Konferenz. Gemeint ist der vor gut zwei Jahren erfolgte Einstieg von Merz Real Estate – einem Immobilienvehikel des gleichnamigen Frankfurter Gesundheitsunternehmens Merz Pharma. Immerhin hat Noratis durch das Merz-Engagement die nötige Beinfreiheit zur Weiterentwicklung des Geschäftsmodells gewonnen. Soll heißen: Attraktive Wohnungsportfolien stehen nach erfolgreicher Entwicklung nun nicht mehr zwingend im Schaufenster für den Weiterverkauf, sondern können durchaus auch mal langfristig im Bestand der Eschborner bleiben. Positiver Nebeneffekt ist, dass die Mieteinnahmen als gut planbare Erlösquelle an Bedeutung gewinnen und sich Noratis darüber hinaus durch den wachsenden Wohnungsbestand eine höhere Flexibilität beim Verkauf einzelner Portfolios – was ja weiterhin geschieht, nur eben etwas dosierter – verschafft.
Zur Unterstützung dieser Strategie hat sich Merz verpflichtet, bis Ende 2024 insgesamt 50 Mio. Euro Eigenkapital in das Unternehmen zu stecken. Bislang sind davon erst 14 Mio. Euro abgerufen, so dass Noratis noch einiges in der Hinterhand hat. „Wir gehen sehr moderat damit um“, sagt CFO Speth um eine unnötig große Verwässerung der bestehenden Aktionäre zu vermeiden. Zudem betont Speth auf der virtuellen Präsentation zur Vorlage des Geschäftsberichts für 2021: „Wir sind bei unseren Zukäufen nicht von Jahreszielen getrieben.“ Grundsätzlich sieht das nach einer entspannten Börsenstory mit Airbagfunktion durch den Ankerinvestor aus. Am Kapitalmarkt hat die im Frankfurter Scale-Segment gelistete Aktie trotzdem lange Zeit nicht gezündet. Verglichen mit dem IPO-Preis von 18,75 Euro aus dem Juni 2017 hat sich quasi nichts getan. Immerhin: Inklusive Dividende ergibt sich eine Gesamtperformance von rund 25 Prozent, was jetzt auch nicht so verkehrt ist, selbst wenn andere Immobilienaktien hier zwischenzeitlich deutlich mehr zu bieten hatten.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 67,99 | 56,12 | 75,95 | 28,70 | 73,60 | 85,61 | 60,18 | |
EBITDA1,2 | 15,32 | 15,72 | 15,95 | 8,63 | 16,29 | 12,98 | 4,08 | |
EBITDA-Marge3 | 22,53 | 28,01 | 21,00 | 30,07 | 22,13 | 15,16 | 6,78 | |
EBIT1,4 | 15,22 | 15,55 | 15,76 | 8,21 | 19,36 | 12,50 | 3,55 | |
EBIT-Marge5 | 22,39 | 27,71 | 20,75 | 28,61 | 26,30 | 14,60 | 5,90 | |
Jahresüberschuss1 | 8,67 | 9,27 | 8,67 | 2,80 | 9,54 | 8,28 | -10,99 | |
Netto-Marge6 | 12,75 | 16,52 | 11,42 | 9,76 | 12,96 | 9,67 | -18,26 | |
Cashflow1,7 | 12,86 | -0,09 | -18,36 | -94,05 | -70,10 | -33,03 | 22,91 | |
Ergebnis je Aktie8 | 2,97 | 2,57 | 2,40 | 0,58 | 1,97 | 1,71 | -2,21 | |
Dividende8 | 1,50 | 1,30 | 0,80 | 0,50 | 0,55 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: RGT Treuhand |
Aber genau an dieser Stelle wird es interessant: Während etliche Titel aus dem Sektor – am ehesten war Noratis lange Zeit wohl mit Accentro Real Estate zu vergleichen – seit einiger Zeit kräftig an Wert verlieren, hält sich der Anteilschein von Noratis nämlich überaus stabil. Offenbar entdecken nun doch zunehmend Investoren das Geschäftsmodell der Eschborner für sich oder halten der Aktie zumindest die Treue. Zudem notiert die Titel noch immer um etwas mehr als ein Drittel unter dem Net Asset Value (NAV) von zuletzt rund 30 Euro. Keine Frage: Steigende Zinsen wirken sich tendenziell belastend auf die Ermittlung künftiger Substanzwerte aus – das gilt auch für Noratis.
Doch das Vorstandsteam hat bislang immer zugesehen, dass die NAV-Berechnung durch die Wirtschaftsprüfer betont konservativ angelegt ist. So gesehen besteht jetzt so etwas wie ein natürlicher Puffer gegenüber dem drohenden Zinseffekt. Hinzu kommt, dass Noratis durch die Umgliederung von Immobilien in der Bilanz vom Umlauf- ins Anlagevermögen stille Reserven hebt und entsprechend mehr Gewinn zeigt. Für 2021 macht dieser Effekt immerhin 3,5 Mio. Euro aus. „Dennoch konnten wir die stillen Reserven im Umlaufvermögen auf jetzt rund 88 Mio. Euro nochmals deutlich ausbauen“, sagt André Speth.
Auf den ersten Blick eher eine Enttäuschung ist dagegen der nur leicht heraufgesetzte Dividendenvorschlag von 0,55 Euro zur Hauptversammlung am 23. Juni 2022. Immerhin weicht das Unternehmen damit deutlich von der langjährigen Politik ab, wonach etwa die Hälfte des Überschusses ausgekehrt worden soll. Hintergrund dieser Entscheidung ist unter anderem, dass der aus der Aufdeckung der stillen Reserven stammende Gewinnanteil gar nicht cashwirksam ist und die tatsächliche Ausschüttungsquote somit ohnehin höher ist als die jetzigen rund 28 Prozent. „Unser Ziel ist eine bessere Planungssicherheit bei der Dividende“, sagt CEO Igor Christian Bugarski. Wenn es sich einrichten lässt, peilt Bugarski dabei eine über die Jahre kontinuierlich wachsende Dividende an.
Im bisherigen Modell gab es hingegen mitunter heftige Schwankungen, zudem ist die Quote generell recht hoch gewesen. Teilweise musste Noratis in der Vergangenheit sogar den nach außen nicht immer leicht kommunizierbaren Spagat zwischen Dividenden einerseits und Kapitalerhöhungen bzw. Bond-Emissionen andererseits bewerkstelligen. Nun: Momentan bringt es der Small Cap auf eine Dividendenrendite von brutto knapp drei Prozent, was ja auch nicht ganz verkehrt ist. Zudem hat uns CFO André Speth auf der MKK in München versichert, dass das Thema Investor Relations ein noch höheres Gewicht bekommt.
Auch wenn die Aktie zuletzt gegenüber der Peer Group relativ an Boden gewonnen hat: Insgesamt sieht das Chartbild noch längst nicht überzeugend aus. „Wir werden jeden Stein umdrehen und schauen, was wir verbessern können“, sagt Speth. An den jüngsten Kurszielen der Analysten kann es schon mal nicht liegen, die bewegen sich nämlich allesamt etwas oberhalb der Marke von 30 Euro. Viel wäre vermutlich schon gewonnen, wenn der Börsenwert von Noratis deutlich zurück über 100 Mio. Euro kommen würde. Das macht den Titel dann auch für institutionelle Investoren interessanter. Insgesamt sehen wir bei der Aktie weiter eine ansprechende Chance-Risiko-Relation.
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