Hintergrundgespräche mit Johann Horch, dem CEO der niiio finance group, schätzt boersengefluester.de ganz besonders. Gar nicht mal so sehr, weil wir die Entwicklung der im Freiverkehr gelisteten niiio finance group nun schon seit Jahren intensiv verfolgen und darüber schreiben. Das tun wir bei anderen Gesellschaften auch. Lohnenswert sind die Gespräche aus journalistischer Sicht insbesondere deshalb, weil wir den Eindruck haben, dass sich Johann Horch mit unseren Fragen – und vor allen Dingen auch Bedenken – ernsthaft auseinandersetzt und nicht bloß die niiio-Investmentstory um den Aufbau eines europäischen Unternehmensverbunds für digitale Lösungen in den Bereichen Asset- und Wealth-Management herunterleiert. Insofern verging der knapp 60 Minuten dauernde Video-Call mit Johann Horch wieder wie im Fluge.
Die Kernbotschaften von Johann Horch sind, dass das von niiio bei seiner Akquisitionsstrategie postulierte Multiple-Arbitrage-Modell – konkret gemeint ist das Aushebeln von Bewertungsunterschieden zwischen gelisteten und nicht gelisteten Unternehmen – alles andere als gescheitert ist, selbst wenn die Bewertungen von börsennotierten Gesellschaften aus dem SaaS-Umfeld (SaaS steht für Software as a Service) im Zuge der Marktturbulenzen der vergangenen Quartale mächtig in die Knie gegangen sind, was sich entsprechend auch im Aktienchart spiegelt: Seit dem Sommer 2022 ist der Small Cap nämlich nachhaltig ins Penny Stock-Terrain getaucht und bringt es beim aktuellen Kurs von 0,77 Euro auf einen Börsenwert von gerade einmal 24,5 Mio. Euro.
Für ein Unternehmen mit einem für das laufende Jahr avisierten Umsatz von bis zu knapp 8 Mio. Euro sowie einem ausgeglichenen bis leicht positiven EBITDA (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) ist das wohl alles andere als üppig, zumal der SaaS-Index – als Bewertungsparameter für notierte Unternehmen mit ähnlichen Software-Modellen – eher auf eine doppelt so hohe Bewertung deuten würde. Nun: Offenbar hat der Kapitalmarkt bei niiio momentan eine andere Meinung und will erst einmal weitere Fortschritte auf dem Konsolidierungskurs sehen. Mit der Finanzsoftware-Company Patronas sowie dem Freiburger Order-Routing-Anbieter FixHub hat niiio zwar zwei Fintech-Unternehmen übernommen, die sich auch operativ sehr schön entwickeln.
Mit Blick in den Rückspiegel hätten viele Investoren jedoch wohl vermutet, dass niiio bei seiner Expansion im Herbst 2022 schon weiter ist. „Die Übernahmen von Patronas und FixHub sind für uns der Proof-of-Concept. Wir können M&A und können auch die Frequenz erhöhen, haben aber auch nicht den Stress, jetzt vier Akquisitionen oder mehr pro Jahr machen zu müssen“, entgegnet Johann Horch und betont, dass niiio sich im Plan befindet. „Die Unternehmen mit denen wir sprechen, wollen ihr Geschäftsmodell in eine neue Ära bringen. Wir bieten ihnen die Plattform dafür, daran hat sich nichts geändert und das belegen auch die letzten beiden Deals. Auch unsere mittelfristigen Wachstumspläne bleiben.“ Fakt ist aber auch, dass Wachstum allein eben längst nicht mehr den Zauber an der Börse versprüht, wie noch vor wenigen Jahren. „Wir werden bei den Übernahmen weiterhin verstärkt auf Profitabilität achten“, betont Horch.
Interessant findet boersengefluester.de darüber hinaus die Überlegungen, den Akquisitions- und Integrationsprozess von potenziellen Targets mit ähnlicher Ausrichtung durch eine Blockbildung zu beschleunigen. Darauf, dass Übernahmen künftig möglicherweise gleich im Doppelpack auf die Schiene gesetzt werden, deutet auch die Tatsache, dass niiio vor nicht allzu langer Zeit eine Investmentbank mandatiert hat. Beim Thema Finanzierung wollen die Görlitzer jedenfalls die gesamte Klaviatur spielen. Dazu gehören Fundraising-Runden auf der Ebene der Portfolio-Gesellschaften, aber auch alternative Wege wie Mezzanine-Kapital, Kredite, oder Wandelanleihen. Die Verwässerung der bestehenden Aktionäre soll so gut es geht vermieden werden. Nun: Bei Aktienkursen unterhalb von 1 Euro stellt sich das Thema Barkapitalerhöhung ohnehin nicht wirklich.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 0,01 | 0,45 | 2,07 | 2,32 | 2,40 | 7,53 | 8,37 | |
EBITDA1,2 | -0,70 | -1,10 | -0,60 | 0,04 | -0,86 | 0,81 | 0,46 | |
EBITDA-Marge3 | -7.000,00 | -244,44 | -28,99 | 1,72 | -35,83 | 10,76 | 5,50 | |
EBIT1,4 | -0,71 | -1,10 | -4,04 | -2,14 | -2,84 | -2,61 | -3,08 | |
EBIT-Marge5 | -7.100,00 | -244,44 | -195,17 | -92,24 | -118,33 | -34,66 | -36,80 | |
Jahresüberschuss1 | -0,80 | -1,12 | -4,20 | -2,19 | -3,23 | -3,31 | -3,57 | |
Netto-Marge6 | -8.000,00 | -248,89 | -202,90 | -94,40 | -134,58 | -43,96 | -42,65 | |
Cashflow1,7 | -0,80 | -1,12 | -1,04 | -0,33 | -0,69 | 0,44 | 1,06 | |
Ergebnis je Aktie8 | -0,07 | -0,07 | -0,19 | -0,09 | -0,13 | -0,10 | -0,10 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: ADKL |
Kurzfristig richtet sich der Blick erst einmal auf den für Ende September anstehenden Halbjahresbericht. Normalerweise dürfte es hier keine unangenehmen Überraschungen geben und der Vorstand sollte den bisherigen Ausblick bestätigen. So ist zumindest unsere Erwartungshaltung nach dem Gespräch mit dem Vorstand, auch wenn Johann Horch keinerlei Insiderinfos preisgibt – da kann man fragen und nachbohren, so oft man will. Was mögliche Übernahmen angeht, ist boersengefluester.de – trotz der derzeit schwierigen konjunkturellen Gesamtsituation – indes zuversichtlich, dass sich bald was tut. „Jetzt ist die Zeit, um aus der Deckung zu gehen. Das Thema Skalierung wird sehr prägnant bei uns“, sagt Johann Horch mit Blick nach vorn. Die Analysten von AlsterResearch stufen die niiio-Aktie in ihrem jüngsten Research von Mitte September (HIER) anlässlich der Zusammenarbeit von Patronas Financial Systems und der Banking-Plattform Temenos Multifonds mit einem Kursziel von unverändert 1,60 Euro als kaufenswert ein. Klar sollte aber sein: Der Titel ist nur etwas für sehr risikobereite Investoren. Wer ihn im Depot hat, sollte engagiert bleiben.
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