Wenn ein noch defizitäres Software-Unternehmen mit zum Halbjahr 1,12 Mio. Euro Umsatz auf einen Börsenwert von 39 Mio. Euro kommt, muss die dahinter stehende Story schon ziemlich gut sein, um die Investoren nachhaltig zu überzeugen. Bei der im Bereich Portfoliomanagement-Systeme für Banken und Finanzdienstleister tätigen niiio finance group spekulieren die Anleger in erster Linie darauf, dass CEO Johann Horch es schafft, die Gesellschaft via Akquisitionen zu einem führenden europäischen Anbieter zu formen (siehe dazu auch unseren Beitrag HIER). Personell und auch was die zur Verfügung stehende Finanzkraft angeht, hat niiio in den vergangenen Monaten bereits spürbar aufgerüstet. Allein mit der initialen Akquisition, die den Zug zum Rollen bringen soll, hat es bislang noch nicht geklappt. Oder aber Horch legt zurzeit sein Pokerface auf und sendet erst dann klare Signale, wenn der ersehnte Deal in trockenen Tüchern ist.
Immerhin hat niiio mit der Anfang Juli letztlich abgesagten Übernahme von Coryx Software diesbezüglich Lehrgeld zahlen müssen, selbst wenn die Beendigung der Gespräche aus Investorensicht sogar der richtige Schluss gewesen ist. Derzeit müssen sich niiio-Aktionäre mit dem Status zufrieden geben, wonach „mit rund 15 potenziellen Targets Sondierungsgespräche“ geführt werden, wie es offiziell heißt. Dabei rückt Horch nicht von seiner offensiven Planung ab: „In den fünf Jahren ab 2022 wollen wir organisch und anorganisch durchschnittlich um 100 Prozent jährlich wachsen. Das klingt sehr ambitioniert, aber wir haben einen klaren Plan und eine ausgefeilte Strategie, um dies zu erreichen.“ Nimmt man die für 2021 avisierte Umsatzsteigerung zwischen 10 und 15 Prozent als Basis, würde niiio bis 2026 auf eine Größenordnung von rund 80 Mio. Euro zusteuern. Bei mittelfristig avisierten EBITDA-Margen von 10 bis 20 Prozent würde das im Mittel dann auf ein Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) von etwa 12 Mio. Euro hinauslaufen.
Wer den Mut aufbringt und derart weit nach vorn blickt, wird die aktuelle Bewertung von niiio vermutlich sogar eher als Chance begreifen. Und tatsächlich kennt boersengefluester.de Investoren aus der Venture Capital-Szene, die exakt so denken. Der springende Punkt – neben den zu bewältigenden Integrationsanstrengungen – wird allerdings ein, wie die Gesellschaft aus Görlitz das Finanzierungsthema meistern wird. Die niiio-Aktie als Akquisitionswährung funktioniert nur dann, wenn der Kurs sich nachhaltig gut entwickelt. Dabei besteht die Gefahr, dass bei einer Serie von Zukäufen – teilbezahlt mit eigenen Aktien – immer auch ein gewisser Aktienüberhang besteht. Das zeigen Beispiele von anderen börsennotierten Unternehmen, die ihr Wachstum ebenfalls so finanziert haben.
Eher schwierig dürfte auch eine regelmäßige Folge von Barkapitalerhöhungen oder ähnlichen Instrumenten wie etwa Wandelanleihen sein, die zu einer dauernden Verwässerung führen. Kein Wunder, dass bei niiio sogar schon Modethemen wie etwa ein SPAC durch die Presse gingen. Kurz noch ein Blick auf den Zahlenteil des Halbjahresberichts. Wobei: Nahezu unveränderte Umsätze von 1,12 Mio. Euro – bei im Schnitt 43 Mitarbeiter – sowie ein von minus 1,18 auf minus 1,32 Mio. Euro verschlechtertes EBIT braucht es eigentlich nicht groß zu kommentieren. Das ist einfach zu wenig für ein Unternehmen mit dem jetzigen Börsenwert von niiio. Wichtig ist hier wohl in erster Linie, dass das Software-Lizenzgeschäft mit einem Anteil von rund 70 Prozent deutlich gewichtiger geworden ist, als es 2020 noch war. Ein Trend, der auch im zweiten Halbjahr anhalten sollte.
Fazit: Wer nach einer heißen Wette im Fintech-Sektor sucht, wird vermutlich seinen Gefallen an der Aktie finden – auchn wenn die Aktie zuletzt eher seitwärts lief. Denkbar, dass es schon bald Newsflow in Sachen Akquisition geben wird, die zu einer Neueinschätzung führ. Aber das ist reine Spekulation, boersengefluester.de hat da auch kein Geheimwissen. Für eher konservative Investoren ist der Spezialwert dagegen nicht geeignet.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 0,01 | 0,45 | 2,07 | 2,32 | 2,40 | 7,53 | 8,37 | |
EBITDA1,2 | -0,70 | -1,10 | -0,60 | 0,04 | -0,86 | 0,81 | 0,46 | |
EBITDA-Marge3 | -7.000,00 | -244,44 | -28,99 | 1,72 | -35,83 | 10,76 | 5,50 | |
EBIT1,4 | -0,71 | -1,10 | -4,04 | -2,14 | -2,84 | -2,61 | -3,08 | |
EBIT-Marge5 | -7.100,00 | -244,44 | -195,17 | -92,24 | -118,33 | -34,66 | -36,80 | |
Jahresüberschuss1 | -0,80 | -1,12 | -4,20 | -2,19 | -3,23 | -3,31 | -3,57 | |
Netto-Marge6 | -8.000,00 | -248,89 | -202,90 | -94,40 | -134,58 | -43,96 | -42,65 | |
Cashflow1,7 | -0,80 | -1,12 | -1,04 | -0,33 | -0,69 | 0,44 | 1,06 | |
Ergebnis je Aktie8 | -0,07 | -0,07 | -0,19 | -0,09 | -0,13 | -0,10 | -0,10 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: ADKL |
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