Vier Meldungen innerhalb einer Woche: Über einen Mangel an Neuigkeiten brauchen sich die Aktionäre von NFON momentan nicht zu beschweren. Allerdings haben die Investoren des Anbieters von cloudbasierten Lösungen für die Firmentelefonie einen Mix serviert bekommen, den sie sich so wohl nicht vorgestellt haben. Zwar ist der Umsatz im dritten Quartal 2019 gegenüber dem direkten Vorquartal des laufenden Jahres um 6,3 Prozent auf 15,1 Mio. Euro gewachsen. Insgesamt blieb die Entwicklung der von den Kunden aktivierten Nebenstellen (Seats) jedoch derart hinter den Erwartungen zurück, dass die Münchner ihre komplette Jahresplanung für die Erlöse über den Haufen werfen mussten: Statt eines eigentlich erhofften Umsatzanstiegs im unteren Bereich der Spanne von 40 bis 45 Prozent, liegt die neue Messlatte nun bei einer Wachstumsrate zwischen 30 und 33 Prozent. In absoluten Zahlen läuft das auf Erlöse von knapp 56 bis etwas mehr als 57 Mio. Euro hinaus. Als wesentliche Ursache nennt NFON die im Zuge der schwachen Konjunkturzahlen abwartende Einstellungspolitik der Unternehmen. Die simple Gleichung: Weniger neue Mitarbeiter bedeuten auch weniger neue Telefonnebenstellen.
Hinzu kommt, dass eine Reihe von Kunden bei ihren Bestellungen wohl auf neue Funktionalitäten gewartet haben, die dem Vernehmen nach mittlerweile allerdings auch gelauncht worden sind. So gesehen stehen die jüngsten Produktmeldungen doch im direkten Zusammenhang mit den vorläufigen Neun-Monats-Zahlen und sind keine reinen Jubelnachrichten, die von der Prognosekürzung ablenken sollen. Gespannt ist boersengefluester.de dennoch, wie sich die neue Erlösvorschau unterm Strich auswirken wird, denn hierzu schweigt sich die Gesellschaft noch aus. Wobei: Um eine Ergebnisprognose hat sich NFON bislang ohnehin gedrückt und regelmäßig auf das Primat des Wachstums verwiesen. Operative Gewinne sollten Aktionäre von NFON auf absehbare Zeit jedenfalls nicht erwarten. Aber man muss kein Hellseher sein um zu erahnen, dass die bisherigen Erwartungen der Analysten für EBITDA und EBIT wohl zu hoch gegriffen sind. Entsprechend hat boersengefluester.de seine Schätzungen nach unten angepasst. Der vollständige Neun-Monats-Bericht steht für den 21. November – also kurz vor dem Eigenkapitalforum in Frankfurt – an.
Losgelöst von der aktuellen operativen Entwicklung ist es mindestens eine Erwähnung wert, dass Active Ownership Fund (AOC) zuletzt ihr Optionsrecht ausgeübt und 964.015 neue Aktien zu je 11 Euro erworben hat. Damit kontrolliert die Investorengruppe nun rund neun Prozent an NFON und gehört zu den drei größten Aktionären. Die andere Seite des Aktionariats repräsentiert im Wesentlichen Milestone Venture Capital (MVC) um Günter Müller. Interessant aus Anlegersicht ist, dass MVC seinerseits keinen Hehl daraus macht, den eigenen Anteil von den zuletzt gemeldeten 30,1 Prozent auf mehr als 50 Prozent zu hieven. Mit Argusaugen verfolgen Börsianer daher auch die Stimmrechtsmitteilungen bei der im streng regulierten Prime Standard gelisteten NFON. Fällig ist die nächste Meldung allerdings erst beim Überschreiten der Schwelle von 50 Prozent. Und so ist es derzeit ein wenig Stochern im Nebel, in welchem Umfang MVC tatsächlich investiert ist.
Nun: Noch im laufenden Jahr sollen auf einer außerordentlichen Hauptversammlung mit Florian Schuhbauer ein Vertreter von AOC und Günter Müller in den Aufsichtsrat von NFON ziehen. Dafür machen die Salesforce-Managerin Angélique Werner und der frühere Telegate-Vorstand Ralf Grüßhaber ihre Plätze frei. Weiterer Tagesordnungspunkt auf der ao HV dürfte die Schaffung eines neuen Kapitalrahmens sein. Wer als Streubesitzaktionär nicht so sehr auf Kapitalmaßnahmen steht, ist bei NFON also vermutlich eher falsch. Andererseits sehen wir die Rückendeckung durch den Kreis der Großaktionäre – auch wenn es hier durchaus knistert – eher positiv für den Anteilschein, selbst wenn die Übernahmefantasie durch einen außenstehenden Interessenten hierdurch faktisch ausgeschlossen ist.
Summa summarum ist die gestauchte Umsatzprognose für 2019 zwar eine herbe Enttäuschung für ein derart auf Wachstum gepoltes Unternehmen wie NFON und wirft kein gutes Licht auf die Prognosegenauigkeit des Managements. Abzuwarten bleibt, ob es sich nur um einen Knick handelt und das Expansionstempo in den kommenden Quartalen durch die neuen Produktapplikationen wieder anzieht. Eins dürfte aber schon jetzt klar sein: NFON ist deutlich konjunkturabhängiger, als man es vermutet hätte. Insgesamt sind wir aber ohnehin überrascht, wie locker die Börse die jüngste Meldungsflut weggesteckt hat. Vermutlich hatte sich bereits im August/September einiges in der Notiz entladen.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 35,65 | 43,03 | 57,12 | 67,60 | 75,89 | 80,79 | 82,34 | |
EBITDA1,2 | -1,03 | -7,78 | -6,98 | 2,32 | -2,03 | -5,27 | 6,80 | |
EBITDA-Marge3 | -2,89 | -18,08 | -12,22 | 3,43 | -2,68 | -6,52 | 8,26 | |
EBIT1,4 | -1,70 | -8,47 | -9,99 | -1,83 | -8,97 | -12,03 | -0,52 | |
EBIT-Marge5 | -4,77 | -19,68 | -17,49 | -2,71 | -11,82 | -14,89 | -0,63 | |
Jahresüberschuss1 | -2,02 | -8,11 | -10,92 | -2,24 | -8,91 | -15,58 | -0,80 | |
Netto-Marge6 | -5,67 | -18,85 | -19,12 | -3,31 | -11,74 | -19,28 | -0,97 | |
Cashflow1,7 | -0,34 | -4,96 | -7,19 | 1,15 | -1,76 | -3,87 | 6,84 | |
Ergebnis je Aktie8 | -0,16 | -0,76 | -0,77 | -0,15 | -0,54 | -0,94 | -0,05 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: KPMG |
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