Für Netfonds ist der Hamburger Investorentag HIT ein Heimspiel. Immerhin ist die Konzernzentrale der B2B-Finanzabwicklungsplattform nicht einmal fünf Kilometer vom Konferenzhotel Scandic Hamburg Emporio unweit der Binnenalster entfernt. Und damit Finanzvorstand Peer Reichelt über möglichst aktuellen Stoff in seinem Vortrag referiert, hat Netfonds gleich auch noch die Zahlen zum ersten Halbjahr 2022 veröffentlicht. Unangenehme Überraschungen sind dabei – trotz des schlechten Börsenumfelds – ausgeblieben. Wie schon während des Corona-Crashs zeigen sich die von Netfonds verwalteten Assets relativ unbeeindruckt von den hektischen Bewegungen des DAX. Mittlerweile bewegen sie sich sogar wieder auf All-Time-High. „Wir sind bislang ganz gut durchgekommen“, sagt Peer Reichelt. So zeigt Netfonds zum Halbjahr einen um das ausgegliederte Immobiliengeschäft bereinigten Anstieg der Netto-Erlöse von 6,4 Prozent auf 16,6 Mio. Euro.
Das Ergebnis vor Steuern springt von 0,2 auf 1,2 Mio. Euro. Hier wirkt sich insbesondere das in der neuen Konstellation sehr viel vorteilhaftere Zinsergebnis positiv aus. Das EBITDA (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) kommt derweil von 2,2 auf 2,8 Mio. Euro voran. Deutlich hinter den ursprünglich so großen Erwartungen zurück, bleibt einzig die Vermittlung von Zusatzversicherungen im Rahmen des Careflex-Deals mit der Gewerkschaft der Chemiebranche. Grund hierfür ist jedoch kein Geburtsfehler bei der Ausgestaltung ser betrieblichen Pflegezusatzversicherung, sondern der Umstand, dass durch Corona einfach kaum Beratungsgespräche in den Betrieben durchgeführt werden konnten. Noch ist es also zu früh für eine abschließendes Urteil – so ernüchternd die bisherige Bilanz auch ist. Der Kontrakt mit den Chemie-Sozialpartnern wurde jedenfalls verlängert und Netfonds arbeitet an Verbesserungen: „Wir werden weitere Produkte ausrollen“, sagt Peer Reichelt.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 17,12 | 20,19 | 26,47 | 31,82 | 38,64 | 33,62 | 36,60 | |
EBITDA1,2 | 2,58 | 1,39 | 3,43 | 4,17 | 15,65 | 6,47 | 4,91 | |
EBITDA-Marge3 | 15,07 | 6,88 | 12,96 | 13,10 | 40,50 | 19,24 | 13,42 | |
EBIT1,4 | 1,89 | -0,17 | 1,16 | 1,81 | 11,67 | 2,96 | 1,34 | |
EBIT-Marge5 | 11,04 | -0,84 | 4,38 | 5,69 | 30,20 | 8,80 | 3,66 | |
Jahresüberschuss1 | 1,27 | -0,72 | -0,40 | 0,03 | 8,74 | 0,88 | -0,28 | |
Netto-Marge6 | 7,42 | -3,57 | -1,51 | 0,09 | 22,62 | 2,62 | -0,77 | |
Cashflow1,7 | 1,57 | -0,04 | -9,68 | 5,22 | -17,77 | 3,07 | 1,50 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,45 | -0,33 | -0,19 | 0,01 | 3,79 | 0,38 | -0,12 | |
Dividende8 | 0,20 | 0,15 | 0,00 | 0,16 | 0,25 | 0,25 | 0,25 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: NPP |
Ansonsten gab es zuletzt kleinere Veränderungen im Konsolidierungskreis der Hamburger, die jedoch die grundsätzliche Investmentstory um die Digitalisierung des Geschäftsmodells über die bislang für rund 15 Mio. Euro selbst erstellte finfire-Plattform sowie den Ausbau des Geschäfts mit eigenen Investmentprodukten oder gelabelten Fonds nicht berühren. „Die Vermögensverwaltung ist für uns ein Margenturbo“, sagt Reichelt. Lohnenswert aus Investorensicht ist derweil auch ein Blick über die Seitenlinie hinaus: Nachdem der Maklerpool Fonds Finanz aus München Ende 2021 mehrheitlich vom dem britischen Investor HG Capital geschluckt wurde, ist Mitte Juli 2022 Warburg Pincus bei dem Lübecker Maklerpool Blau Direkt eingestiegen. Dem Vernehmen nach wurde in beiden Fällen ungefähr der Faktor 1 auf die Brutto-Umsätze als Kaufpreis aufgerufen.
Bezogen auf Netfonds würde das für 2022 auf rund 200 Mio. Euro Börsenwert hinauslaufen. Tatsächlich beträgt die Marktkapitalisierung aber nur knapp 95 Mio. Euro. Kein Wunder, dass die Analysten von Montega der Netfonds-Aktie das Potenzial für einen Kursverdoppler zutrauen. Dabei macht CFO Peer Reichelt bei seiner Präsentation auf dem HIT nochmals deutlich, dass Netfonds seine Börsenpower nutzen will, um die zu erwartenden Marktkonsolidierung aktiv voranzutreiben. Für den Titel spricht auch, dass mittlerweile fast 70 Prozent der Erträge von wiederkehrender Natur sein. Eine Größenordnung, die wohl nur die wenigsten Investoren bei Netfonds so auf dem Schirm haben. Für boersengefluester.de bleibt das Papier jedenfalls überdurchschnittlich interessant.
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