Wir lehnen uns ausnahmsweise mal weit aus dem Fenster. Aber den aktuellen MS Industrie-Börsenwert von 49,5 Mio. Euro empfinden wir dann doch als deutlich zu niedrig. Zwar erfordert es schon ein wenig Mühe, den jetzt vorgelegten Geschäftsbericht 2020 nach positiven Faktoren abzuklopfen – nicht nur wegen der drögen optischen Gestaltung des Reports. So lief das vergangene Jahr per saldo ziemlich enttäuschend für das in den Bereichen Lkw-Antriebstechnik und Ultraschallschweißen tätige Unternehmen. Nach dem vor mittlerweile knapp zwei Jahren erfolgten Verkauf des langfristigen Auftrags zur Fertigung der Ventiltriebsysteme für die Weltmotor-Fertigung von Daimler am amerikanischen Standort Webberville an die italienische Gnutti Carlo-Gruppe, sind die Zahlen zwar nur bedingt vergleichbar mit früheren Größenordnungen. Aber einen Erlösrückgang um fast 28 Prozent auf 164,04 Mio. Euro sowie einen Fehlbetrag von 7,50 Mio. Euro hätte vor Jahresfrist wohl niemand erwartet.
Die Kombination aus Corona und grundlegenden Umstellungen in der Automotivebranche von Verbrenner hin zu Elektro sind jedoch eine echte Bewährungsprobe für MS Industrie. Doch die Chancen für ein Comeback der Aktie stehen nicht schlecht. „Mit dem positiven geschäftlichen Ausblick sollte eine spürbare Erholung im Laufe des Geschäftsjahres 2021 möglich sein“, sagt der Vorstand mit Blick auf die weitere Performance am Kapitalmarkt. Dabei rechnet das Management für 2021 mit Erlösen von rund 180 Mio. Euro sowie einem positiven Jahresergebnis, ohne die Größenordnung freilich näher zu spezifizieren. Nach Auffassung von boersengefluester.de sollte der Turnaround aber bereits so deutlich ausfallen, dass die Aktie wieder stärker auf den Radar der Small-Cap-Investoren zurückkehrt.
Besonders spannend sind für unseren Geschmack die Aktivitäten im Bereich Ultraschalltechnologie („Ultrasonic“), die 2020 knapp 50 Mio. Euro – allerdings mit einem negativen Ergebnisbeitrag – zum Konzernumsatz beisteuerten. Spätestens ab Mitte des laufenden Jahres sollte sich das Blatt aber wenden, zumal MS Industrie neben den Kunden aus dem Automotivesektor zunehmend auch andere Sektoren adressiert. Konkret geht es um Lebensmittelverpackungen oder künftig auch die Bearbeitung von Vliesstoffen, wie sie etwa bei der Herstellung von Atemschutzmasken und Hygieneartikeln benötigt werden. Bei entsprechender Börsenlage wäre ein Spin-off der Ultraschall-Tochter umso mehr eine kurstreibende Option, zumal eine Bardividende zurzeit nicht in Frage kommt.
Kaum bekannt ist auch, dass MS Industrie gut 16,5 Prozent – das entspricht einem Gegenwert von zurzeit rund 3,3 Mio. Euro – an der seit Ende September 2020 im Münchner Spezialsegment m:access gelisteten Beno Holding hält, einem Bestandshalter von Industrie-Immobilien – vergleichbar etwa mit der Deutschen Industrie REIT. Im Hinterkopf behalten sollten Anleger auch, dass MS Industrie aus dem Gnuddi-Deal bis Ende April 2022 noch mehr als 8 Mio. Euro an nachgelagerten Kaufpreiszahlungen zustehen. Und dass der Small Cap mit einem Abschlag von deutlich mehr als einem Viertel auf den Buchwert gehandelt wird, ist ebenfalls eher ein Indiz für das Nachholpotenzial der Aktie.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 250,62 | 282,75 | 226,26 | 164,04 | 164,67 | 206,16 | 246,70 | |
EBITDA1,2 | 22,03 | 22,78 | 32,67 | 4,25 | 9,12 | 15,08 | 21,75 | |
EBITDA-Marge3 | 8,79 | 8,06 | 14,44 | 2,59 | 5,54 | 7,31 | 8,82 | |
EBIT1,4 | 8,97 | 10,76 | 18,47 | -9,70 | -4,43 | 2,73 | 9,36 | |
EBIT-Marge5 | 3,58 | 3,81 | 8,16 | -5,91 | -2,69 | 1,32 | 3,79 | |
Jahresüberschuss1 | 6,96 | 7,15 | 16,70 | -7,50 | -4,00 | 1,18 | 4,45 | |
Netto-Marge6 | 2,78 | 2,53 | 7,38 | -4,57 | -2,43 | 0,57 | 1,80 | |
Cashflow1,7 | 5,85 | 1,13 | 6,05 | 18,23 | -3,22 | 1,87 | 21,06 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,23 | 0,24 | 0,56 | -0,25 | -0,13 | 0,04 | 0,15 | |
Dividende8 | 0,03 | 0,09 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: RSM Ebner Stolz |
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