Andreas Aufschnaiter, Vorstand von MS Industrie, ist der Typ Gentleman aus der heimischen Spezialwerteszene. Jedenfalls kommt er auf Präsentationen immer elegant, galant und auch charmant rüber. Das sind nun zwar keine Attribute, die eine super Performance der Aktie garantieren, aber man hat doch zumindest den Eindruck, dass man sich den Anteilschein von MS Industrie unbedingt mal wieder anschauen sollte. Das gilt auch nach seinem Auftritt auf der von GBC organisierten MKK Münchner Kapitalmarkt Konferenz am 8. Mai 2019 – allerdings war boersengefluester.de diesmal ohnehin gespannt auf den Vortrag von Aufschnaiter und hatte ein Update geplant. Denn bei dem schwerpunktmäßig in den Bereichen Antriebstechnologien (Powertrain) für Lkw und Ultraschallschweißsysteme tätigen Unternehmen gibt es wichtige Veränderungen: So hat MS Industrie vor wenigen Wochen seine US-Aktivitäten als Lieferant von Ventiltrieben für den Daimler-Weltmotor an die italienische Carlo Gnutti-Gruppe – eigentlich ein beinharter Konkurrent – veräußert, wodurch MS Industrie 80 Mio. Euro Umsatz wegfallen.
Die Logik hinter dem Deal: So lukrativ die Geschäftsbeziehung zu Daimler auch ist, mit einem Umsatzanteil von 77 Prozent im Powertrain-Bereich war der DAX-Konzern eben doch ein sehr dominanter Name im Orderbuch von MS Industrie. Entsprechend hoch schätzte auch der Kapitalmarkt das Klumpenrisiko ein. Aber sogar Daimler hätte die Gewichte gern anders verteilt gehabt. Und so kam der Deal zwischen Gnutti und MS Industrie – in „Ultrageschwindigkeit“, wie Aufschnaiter betont – nach gerade einmal vier Monaten Vorlauf im März/April zustande. Wichtig: Die europäischen Aktivitäten zwischen Daimler und MS Industrie bleiben von alldem unberührt, so dass Daimler 2019 noch für 54 Prozent der Konzernerlöse stehen wird – mit abnehmender Tendenz. „Die Risikoadjustierung in unserem Powertrain-Geschäft sieht jetzt komplett anders aus“, sagt Aufschnaiter. Maßgebliche Veränderungen bringt die Transaktion aber auch für die Bilanz von MS Industrie mit sich. So wird sich die Eigenkapitalquote von zuletzt 38 Prozent auf mehr als 50 Prozent erhöhen. Die Netto-Finanzverschuldung von 68,4 Mio. Euro zum Jahresende 2018 will die Gesellschaft auf eine Größenordnung von 25 bis 30 Mio. Euro zurückführen.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 250,62 | 282,75 | 226,26 | 164,04 | 164,67 | 206,16 | 246,70 | |
EBITDA1,2 | 22,03 | 22,78 | 32,67 | 4,25 | 9,12 | 15,08 | 21,75 | |
EBITDA-Marge3 | 8,79 | 8,06 | 14,44 | 2,59 | 5,54 | 7,31 | 8,82 | |
EBIT1,4 | 8,97 | 10,76 | 18,47 | -9,70 | -4,43 | 2,73 | 9,36 | |
EBIT-Marge5 | 3,58 | 3,81 | 8,16 | -5,91 | -2,69 | 1,32 | 3,79 | |
Jahresüberschuss1 | 6,96 | 7,15 | 16,70 | -7,50 | -4,00 | 1,18 | 4,45 | |
Netto-Marge6 | 2,78 | 2,53 | 7,38 | -4,57 | -2,43 | 0,57 | 1,80 | |
Cashflow1,7 | 5,85 | 1,13 | 6,05 | 18,23 | -3,22 | 1,87 | 21,06 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,23 | 0,24 | 0,56 | -0,25 | -0,13 | 0,04 | 0,15 | |
Dividende8 | 0,03 | 0,09 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: RSM Ebner Stolz |
„Das sind für uns ganz neue Welten. Wir haben die Gruppe richtig wetterfest gemacht“, sagt Aufschnaiter. Neben der Entschuldung will der Manager zudem die Kriegskasse für Zukäufe auffüllen, aber auch das Thema Sonderdividende dürfte zur Hauptversammlung im Jahr 2020 auf die Agenda rücken. Die Kehrseite der Medaille ist freilich, dass MS Industrie für 2019 zwar einen enormen Sondereffekt ausweisen wird, andererseits jedoch auch ein Ergebnisbeitrag von rund 4,5 Mio. Euro im Konzern fehlen wird. So gesehen bleibt es spannend, wie sich die künftige Ergebnisentwicklung darstellen wird. Hoffnung macht aber schon allein der anstehende Großauftrag mit der Volkswagen-Nutzfahrzeugsparte Traton ab 2021. Die Analysten von GBC werten die US-Transaktion in ihrer neuesten Studie (Download: HIER) derweil als „nachvollziehbaren und wertschöpfenden Schritt“ und stufen die Aktie von MS Industrie mit einem Kursziel von immerhin 6 Euro als kaufenswert ein. Das wäre fast ein Verdoppler. Die Analysten von Montega sind sind ein wenig zurückhaltender, trauen dem Titel aber immer noch einen fairen Wert von 4,70 Euro zu.
Losgelöst von dem Gnutti-Deal läuft es dem Vernehmen nach auch im Bereich Ultraschallschweißen immer besser. Und bei den Spezialitäten, wie den Elektromotoren für das Lastvehikel A-N.T., kommt MS Industrie ebenfalls immer besser voran. Nicht ganz uninteressant ist vermutlich auch, dass Aufschnaiter für Mitte 2020 en passant das IPO der im Bereich Immobilien tätigen Beteiligung Beno Holding (19,9 Prozent) an der Münchner Börse ankündigte. Trotz der vielen Veränderungen bewegt sich die im General Standard geführte Notiz von MS Industrie noch in gemäßigten Bahnen. Die aktuelle Notiz von 3,20 Euro ist jedenfalls deutlich niedriger als das Niveau von vor zwölf Monaten. Vorstand Andreas Aufschnaiter spricht gar von einer „Sitzfleisch-Aktie“. Zu kurz sollte der Anlagehorizont also nicht gewählt sein. Das größte übergeordnete Risiko für die Münchner ist wohl, dass sich die Antriebstechnologien für Lastkraftwagen deutlich schneller als gedacht weg vom Verbrennungsmotor entwickeln – wonach es gegenwärtig allerdings nicht wirklich aussieht.