Vor ziemlich genau einem halben Jahr rief ein Radiosender bei boersengefluester.de an und fragte uns nach einer Einschätzung zum IPO von Mister Spex. Damals haben wir uns zurückgehalten, weil der Online-Optiker mit einem Börsenwert von 870 Mio. Euro uns nicht nur recht teuer erschien, sondern wir schlichtweg auch große Stücke auf Fielmann halten. Top Marktposition, eine vorbildliche Unternehmensphilosophie – auch was die gesellschaftliche Verantwortung in Corona-Zeiten angeht – plus eine piekfeine Bilanz sind nur einige Punkte, die uns an Fielmann gefallen. Für ein langfristig ausgerichtetes Depot ist der SDAX-Titel bestimmt eine gute Wahl. Warum daher in einen noch defizitären Herausforderer investieren? Fakt ist aber auch, dass die Fielmann-Aktie schon seit geraumer Zeit per saldo nicht mehr wirklich vom Fleck kommt. Eine Folge der grundsätzlich sportlichen Bewertung gepaart mit einem überschaubaren Wachstumstempo.
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Hinzu kommt, dass auch Fielmann erhebliche Summen in den Ausbau des Online-Kanals und die sonstige Expansion steckt. Dabei bietet der Gesamtmarkt schon deswegen ausreichend Potenzial, weil die Menschen immer mehr Zeit vor dem Bildschirm verbringen und sich die Zahl der Sehstörungen schon allein deswegen vergrößert. Da ist Home Office eher noch ein Trendbeschleuniger. Davon profitiert grundsätzlich auch der Herausforderer Mister Spex. Und trotzdem haben die Berliner einen deftigen Fehlstart an der Börse hingelegt. Um mehr als 50 Prozent knickte die Notiz seit Handelsbeginn ein. Natürlich nicht ohne Grund: Neben der üppigen Bewertung als Neuemission sorgen die tiefroten Zahlen – per Ende September 2021 erreichte der Fehlbetrag 26,2 Mio. Euro – sowie die Prognosesenkung des Vorstands Anfang November für tief sitzenden Investorenfrust.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 104,27 | 122,78 | 139,28 | 164,20 | 194,25 | 210,07 | 223,53 | |
EBITDA1,2 | -6,45 | -1,04 | 3,29 | 5,81 | -8,24 | -11,97 | -4,69 | |
EBITDA-Marge3 | -6,19 | -0,85 | 2,36 | 3,54 | -4,24 | -5,70 | -2,10 | |
EBIT1,4 | -11,00 | -5,22 | -4,99 | -5,12 | -23,45 | -41,82 | -47,72 | |
EBIT-Marge5 | -10,55 | -4,25 | -3,58 | -3,12 | -12,07 | -19,91 | -21,35 | |
Jahresüberschuss1 | -13,52 | -10,75 | -9,31 | -10,26 | -31,52 | -44,93 | -47,88 | |
Netto-Marge6 | -12,97 | -8,76 | -6,68 | -6,25 | -16,23 | -21,39 | -21,42 | |
Cashflow1,7 | -10,93 | -3,36 | 1,16 | -1,55 | -27,82 | -20,84 | 6,04 | |
Ergebnis je Aktie8 | -0,40 | -0,31 | -0,27 | -0,30 | -1,11 | -1,33 | -1,45 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Ernst & Young |
Demnach rechnet CEO Dirk Graber für das abgelaufene Jahr „nur“ noch mit einem Umsatzwachstum zwischen 17 und 19 Prozent (vorher: rund 20 Prozent) sowie einem insbesondere um die Aufwendungen für den Börsengang bereinigtem Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) von 4 bis 5 Mio. Euro. Ursprünglich wollte Mister Spex den vergleichbaren Vorjahreswert von 6,8 Mio. Euro toppen. Da boersengefluester.de nicht davon ausgeht, dass die jüngste Wachstumsdelle beim Verkauf vom Brillen mit Sehstärke dauerhaft ist, sollten die Zahlen bereits im laufenden Jahr wieder besser werden. Bis zum Erreichen der Gewinnschwelle wird allerdings noch einige Zeit verstreichen.
Entsprechend ist der näher rückende Buchwert von zurzeit etwas mehr als 7 Euro nicht unbedingt das schlagende Investitionskriterium – so verlockend das Kurs-Buchwert-Verhältnis daherkommt. Trotzdem ist ein Blick in die Bilanz insofern erhellend, weil Mister Spex nach dem IPO über eine Netto-Liquidität von rund 190 Mio. Euro verfügt. Selbst wenn das Polster durch die operativen Defizite dünner wird: Die Tatsache, dass der aktuelle Aktienkurs zu rund 45 Prozent durch Cash unterlegt ist, sollte doch eine Art Airbag für den Titel sein. Nicht zu vergessen auch, dass der französische Brillenkonzern EssilorLuxottica (unter anderem Ray Ban) mit einem Anteil von 11,5 Prozent zu den größten Aktionären zählt.
Summa summarum zählt die Aktie von Mister Spex jedenfalls zu den Comeback-Kandidaten für 2022. Und ja: Auch für die Fielmann-Aktie sehen wir wieder bessere Zeiten kommen. Letztlich ist es im Optikergeschäft wohl auch keine Entscheidung zwischen Online und Stationär. Gewinnen werden die Unternehmen mit dem besten Mischkonzept.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 1.385,97 | 1.428,00 | 1.520,75 | 1.428,93 | 1.678,15 | 1.759,30 | 1.969,08 | |
EBITDA1,2 | 291,32 | 295,87 | 384,70 | 336,70 | 396,13 | 339,85 | 410,00 | |
EBITDA-Marge3 | 21,02 | 20,72 | 25,30 | 23,56 | 23,61 | 19,32 | 20,82 | |
EBIT1,4 | 249,05 | 250,76 | 253,70 | 176,26 | 308,88 | 160,47 | 213,81 | |
EBIT-Marge5 | 17,97 | 17,56 | 16,68 | 12,34 | 18,41 | 9,12 | 10,86 | |
Jahresüberschuss1 | 172,85 | 173,63 | 177,29 | 120,81 | 144,58 | 109,95 | 130,64 | |
Netto-Marge6 | 12,47 | 12,16 | 11,66 | 8,45 | 8,62 | 6,25 | 6,64 | |
Cashflow1,7 | 287,14 | 205,64 | 301,75 | 278,47 | 346,69 | 268,09 | 282,79 | |
Ergebnis je Aktie8 | 2,00 | 2,01 | 2,05 | 1,39 | 1,63 | 1,24 | 1,52 | |
Dividende8 | 1,85 | 1,90 | 0,00 | 1,20 | 1,50 | 0,75 | 1,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: PricewaterhouseCoopers |
Foto: Mister Spex SE (Store Wien)