Mit den frisch vorgelegten Jahreszahlen 2023 sowie dem Ausblick für 2024 hat die Mensch und Maschine Software SE einmal mehr gezeigt, wie verlässlich die auf Konstruktionssoftware spezialisierte Gesellschaft liefert. Umso überraschender, dass der Aktienkurs seit mittlerweile rund zwei Jahren per saldo nicht mehr so recht von der Stelle kommt. Gut für Neueinsteiger: Vor dem Hintergrund der starken Prognosen hat sich die Bewertung des Titels damit deutlich ermäßigt. Die Dividendenrendite liegt sogar wieder nördlich von drei Prozent, was üblicherweise ein gutes Einstiegssignal ist. Im großen boersengefluester.de-Interview geben Chairman und Gründer Adi Drotleff sowie CFO Markus Pech jetzt nochmals detaillierte Einblicke in die aktuelle operative Entwicklung und zeigen das weitere Potenzial auf. Nicht zu kurz kommen auch technische Aspekte wie der „Digitale Zwilling“ – immerhin sind die Profilösungen von Mensch und Maschine seit mittlerweile 40 Jahren die Basis für das Zahlenwerk.
Herr Drotleff, Mensch und Maschine (MuM) feiert 2024 sein 40-jähriges Jubiläum. Zunächst als Autodesk-Distributor im Jahr 1984 gestartet, erwirtschaftet MuM inzwischen mit mehr als 1.100 Mitarbeitern einen Umsatz von über 320 Mio. Euro. Worauf sind Sie als Gründer besonders stolz?
Adi Drotleff: Am besten gefällt mir, dass wir immer noch den Spirit eines kleinen Mittelstandsbetriebs haben und das gesamte Team mit Feuereifer, aber auch mit viel Spaß, bei der Sache ist. Das ist bei inzwischen 75 Niederlassungen in 22 Ländern auf drei Kontinenten absolut keine Selbstverständlichkeit, finde ich.
Herr Pech, der Dividendenvorschlag von 1,65 Euro je Aktie, den das Management der Hauptversammlung am 8. Mai unterbreiten wird, liegt noch einmal 5 Cent über der im Februar gemachten Ankündigung. Warum die stärkere Anhebung, ist das ein einmaliger Jubiläumsbonus?
Markus Pech: Das ist zwar schon auch als Jubiläumsbonus gedacht, aber nicht einmalig. Unsere Dividendenpläne sind mit einer weiteren Erhöhung um 20 bis 30 Cent für 2024 und um weitere 25 bis 35 Cent je Aktie für das Jahr 2025 weiter sehr nachhaltig und bewegen sich immer in der Nähe einer Vollausschüttung. Hintergrund der Anhebung auf das obere Ende des Prognose-Korridors war der hohe Cashflow von 302 Cent pro Aktie für 2023.
Im Vorwort des Geschäftsberichts 2023 schreiben Sie, dass mit den im abgelaufenen Geschäftsjahr erreichten Rekordzahlen „das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht ist“ und kündigen für 2024 und 2025 eine durchschnittliche Steigerung des Gewinns je Aktie von 17 Prozent an. Woher nehmen Sie den Optimismus angesichts des aktuell besonders herausfordernden konjunkturellen Umfelds?
Adi Drotleff: Wir entwickeln für unsere Kunden Digitalisierungs-Lösungen zur Optimierung ihrer Prozesse und zur Ressourcen-Einsparung. Deshalb ist unser Geschäft eher antizyklisch zum Konjunkturverlauf, weil jetzt die Zeit und auch die Motivation vorhanden ist, solche Investitionen anzugehen. Und soweit doch noch Bremseffekte bleiben sollten, puffern wir die mit unserer bekannten Kostendisziplin, wie man 2023 gut sehen konnte.
Im Geschäftsjahr 2023 hatten Sie aufgrund der aus dem Ende der Rabattierung von Autodesk-Verträgen mit drei Jahren Laufzeit resultierenden Vorzieheffekte ein besonders starkes Q1. Dieser Effekt dürfte in diesem Jahr entfallen, oder?
Markus Pech: Beim Umsatz wird man das deutlich sehen, beim Rohertrag und EBIT dürften wir in Q1 2024 ähnlich wie im Q4 2023 ziemlich nahe an die sehr hohen Vorjahres-Rekordwerte kommen. Ob wir am Ende das beste Quartals-EBIT der Firmengeschichte erreichen oder nur das zweitbeste, wird man erst am 18. April wissen. Aber es wird so oder so ein sehr starkes Quartal werden.
Ist der starke Basiseffekt aus dem ersten Quartal 2023 auch der Grund dafür, dass Sie im kommenden Jahr ein stärkeres Wachstum im Vergleich zu 2024 erwarten? Oder gibt es weitere Gründe für die Erwartung einer höheren Dynamik in 2025?
Markus Pech: Dazu kommt noch der Effekt, dass die Autodesk-Verträge aus dem Drei-Jahres-Endspurt 2022 dann zur Verlängerung fällig sind, was uns noch zusätzlichen Schub für 2025 bringen wird.
Die von Autodesk für das zweite Halbjahr angekündigte Umstellung des Partnermodells von Wiederverkauf auf Provision wird sich bei MuM stark auf die Umsatzentwicklung (negativ) und die Margenhöhe (positiv) auswirken. Warum ist diese Umstellung für MuM auf Ebene des operativen und des Nettoergebnisses dennoch ein Nullsummenspiel?
Markus Pech: Die Umstellung von Rabatt auf Provision ist von Autodesk bereits über die vergangenen vier bis fünf Jahre schrittweise vollzogen worden, bei der jetzt anstehenden Umstellung wird nur der mittlerweile überflüssige Wiederverkauf abgeschaltet. Bei den Provisionen plant Autodesk auf Sicht keine Änderungen und hat auch für die eigenen GuV-Zahlen angekündigt, dass zwar der Umsatz durch die Umgliederung von Erlösminderung auf Vertriebskosten steigen wird, aber die Erträge unverändert bleiben und deshalb spiegelbildlich zu uns die Margen sinken werden. Also auch bei Autodesk ein Nullsummenspiel im Ergebnis.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 160,85 | 185,40 | 245,94 | 243,98 | 266,16 | 320,47 | 323,31 | |
EBITDA1,2 | 18,04 | 22,75 | 36,55 | 40,33 | 44,44 | 52,67 | 56,64 | |
EBITDA-Marge3 | 11,22 | 12,27 | 14,86 | 16,53 | 16,70 | 16,44 | 17,52 | |
EBIT1,4 | 15,21 | 19,66 | 27,19 | 31,03 | 34,69 | 42,64 | 46,83 | |
EBIT-Marge5 | 9,46 | 10,60 | 11,06 | 12,72 | 13,03 | 13,31 | 14,49 | |
Jahresüberschuss1 | 8,98 | 12,47 | 18,31 | 20,90 | 23,88 | 28,91 | 31,93 | |
Netto-Marge6 | 5,58 | 6,73 | 7,44 | 8,57 | 8,97 | 9,02 | 9,88 | |
Cashflow1,7 | 15,22 | 15,23 | 26,35 | 33,73 | 36,91 | 39,05 | 50,59 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,53 | 0,71 | 0,99 | 1,12 | 1,26 | 1,55 | 1,72 | |
Dividende8 | 0,50 | 0,65 | 0,85 | 1,00 | 1,20 | 1,40 | 1,65 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: dhpg |
Sie haben den operativen Cashflow bereits angesprochen, dessen starker Anstieg im abgelaufenen Geschäftsjahr hat uns besonders überrascht. Einen Umsatzanstieg um 0,6 Prozent und einer Ergebnissteigerung um 11 Prozent steht ein Cashflow-Zuwachs von 30 Prozent auf 50,59 Mio. Euro bzw. 3,02 Euro je Aktie gegenüber. Woher rührt dieses überproportionale Plus und inwiefern eignet sich dieser als Indikator für künftige EPS-Steigerungen?
Markus Pech: Der Cashflow ist eine wichtige Kenngröße, vor allem weil er nicht durch Abgrenzungen beeinflussbar ist, und wir sind selbst sehr froh über dessen Höhenflug. Allerdings ist ein Cashflow pro Aktie (CPS) von 302 Cent bei einem Ergebnis je Aktie (EPS) von 172 Cent schon sehr hoch und kann weder extrapoliert werden noch ist es ein Indikator für den künftigen EPS-Verlauf. Wir rechnen beim Cashflow 2024/25 mit der von uns eigentlich schon für 2023 erwarteten Konsolidierung auf hohem Niveau und erst einmal nicht mit weiteren Rekorden.
Beim Blick in den Geschäftsbericht ist uns auch aufgefallen, dass das bisherige Systemhaus-Segment künftig unter dem Namen „Digitalisierung“ läuft. Warum dieser Schritt?
Adi Drotleff: Wir hatten die Bezeichnung Systemhaus 2009 zur Abgrenzung von der vorher 25 Jahre lang ausgeübten Distribution, also dem Großhandel von Autodesk-Software auf Direktvertrieb eingeführt. Inzwischen dominieren unsere proprietären Entwicklungs- und Serviceleistungen, also primär das, was man heute mit Digitalisierung bezeichnet. Daher die Umbenennung, die wir schon länger planen. Dass sie jetzt mit der Autodesk-Umstellung zusammenfällt, die uns ja endgültig zu einem reinen Software- und Service-Haus macht, ist dabei nichts weiter als ein glücklicher Zufall.
Den aktuellen Geschäftsbericht haben Sie unter das Motto „Digitaler Zwilling für CAD/CAM: Die Virtuelle Werkzeugmaschine“ gestellt. Was genau kann man sich unter einem „digitalen Zwilling“ vorstellen und wie spielt dessen zunehmende Bedeutung MuM in die Karten?
Adi Drotleff: Wir sind bei solchen neuen Begrifflichkeiten sonst eher zurückhaltend, weil z. B. „Industrie 4.0“ sehr unspezifisch und schwammig ist. „Digitaler Zwilling“ beschreibt dagegen genau das, was wir seit Jahren für unsere Kunden entwickeln, zum Beispiel mit der „Digitalen Fabrik“, die wir erstmals auf dem Umschlag des Geschäftsberichts 2012 gezeigt haben. Neben der Virtuellen Werkzeugmaschine haben wir eine ganze Reihe weiterer Zwillinge für unsere Kunden aus der Industrie, dem Bauwesen und der Infrastruktur im Portfolio, wie auf den Seiten 4 und 5 im neuen Geschäftsbericht gezeigt wird.
Eine kurze Frage zum Thema Aktienrückkäufe: MuM ist einer der wenigen Gesellschaften, die dieses Instrument regelmäßig nutzen. Sind Sie auch aktuell auf der Kaufseite unterwegs?
Markus Pech: Wir verfolgen einen opportunistischen Ansatz, das heißt wir kaufen dann, wenn die MuM-Aktie strukturell eher zu billig ist. Bei Kursen um die 50 Euro, wie wir sie in letzter Zeit hatten, und 1,60 bzw. 1,65 Euro Dividende liegt für uns die eingesparte Dividenden-Rendite bei über 3 Prozent. Das ist mehr als wir beim derzeitigen Zinsniveau für 30-Tages-Festgeld bekommen. Deshalb sind wir im Moment auf der Kaufseite aktiv, allerdings wegen des relativ kleinen Spreads noch nicht sehr aggressiv. Das würde sich dynamisch ändern, wenn der Kurs wie während der Baisse 2022 noch tiefer fallen sollte.
MuM peilt eine weitere Ergebnisverdopplung innerhalb von vier bis fünf Jahren an. Wenn man diese Entwicklung fortschreibt, winkt bis zum 50-jährigen Jubiläum in 2034 eine Vervierfachung des Gewinns je Aktie auf rund 7 Euro. Ein realistisches Szenario aus heutiger Sicht?
Adi Drotleff: Das ist durchaus ein realistisches Szenario, allerdings machen wir natürlich keine offiziellen Ansagen über die nächste Verdoppelung hinaus. Vier bis fünf Jahre ist ohnehin schon eine ziemlich langfristige Prognosezeit für ein börsennotiertes Unternehmen.
Herr Drotleff, Herr Pech, herzlichen Dank für das Interview!
Fotos: Mensch und Maschine Software SE, Clipdealer
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