Echte Neuemissionen sind noch immer Mangelware auf dem heimischen Kurszettel – trotz eines DAX-Stands auf annähernd Rekordniveau. Nicht wenige Investoren behaupten, dass sich die richtig guten Unternehmen den regulatorischen Torturen eines Börsenlistings ohnehin nicht unterziehen würden – Geld zur Finanzierung von Expansion sei schließlich auch über andere Kanäle zu bekommen. Das wäre jedenfalls eine plausible Erklärung für die nun schon seit Jahren andauernde IPO-Flaute. Um zumindest die anfänglichen Hürden einer Notizaufnahme besser zu meistern, entschieden sich zuletzt einige Unternehmen für die Variante mit einem bereits bestehenden Börsenmantel, dem durch die Einbringung von Sacheinlagen und/oder Barkapital Vitalität eingehaucht wird. Die bekanntesten Transaktionen dieser Art – Experten sprechen von einem Cold-IPO – war in den vergangenen Jahren wohl WCM. Aber auch regelmäßigen Lesern von boersengefluester.de bekannte Gesellschaften wie der Immobilienentwickler Eyemaxx, der Recyclingspezialist Pyrolyx, das Logistikunternehmen Aves One oder der Gewerbeimmobilienbestandshalter GxP German Properties wählten diesen Weg.
Für Aufmerksamkeit in der Spezialwerteszene sorgt darüber hinaus die im Pharmabereich aktive Medios AG – vor einigen Monaten hervorgegangen aus dem Börsenmantel der MIM Mondo Igel Media, die für eine gewisse Zeit auch als Crevalis Capital firmierte. Das Volumen von Medios kann sich durchaus sehen lassen: Mittlerweile kommt die Gesellschaft, über die es auch eine umfangreiche Studie von Warburg Research gibt, auf eine Marktkapitalisierung von 107 Mio. Euro – bei einem Streubesitzanteil von rund 28 Prozent. Vorstandsvorsitzender und Großaktionär ist der Berliner Apothekenunternehmer Manfred Schneider. Tätig ist Medios einerseits als Großhändler (Medios Pharma), der Apotheken mit Arzneimitteln für die Bereiche Krebs, Infektionskrankheiten sowie Autoimmunerkrankungen beliefert. In der Medios Manufaktur werden darüber hinaus auf einzelne Patienten zugeschnittene Infusionslösungen im Ärzte- und Apothekenauftrag zubereitet. Auf Pro-Forma-Basis kam die Gruppe 2015 auf Erlöse von 90,14 Mio. Euro und zog daraus ein Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) von 2,83 Mio. Euro. Für die kommenden Jahre rechnet Warburg mit sprunghaften Verbesserungen und stellt bis 2018 ein EBIT von 10 Mio. Euro in Aussicht. Das Kursziel setzen die Analysten bei immerhin 14 Euro an. Demnach hätte der Titel also noch immer ein stattliches Potenzial.
Am ehesten vergleichbar ist Medios – der eigentlich delistete Pharmagroßhändler Sanacorp ist ja nur noch im Hamburger Freiverkehr handelbar – vermutlich mit der MPH Mittelständische Pharma Holding. Die ebenfalls in Berlin ansässige Gesellschaft ist über ihre 50-Prozent-Beteiligung an der börsennotierten Haemato im Bereich Generika sowie Parallel- und Reimporte aktiv. Ein weiterer MPH-Ableger ist die gelistete Beauty-Doc-Kette M1 Kliniken. Dritter Zweig von MPH ist der Immobilienbereich über das Engagement bei CR Capital Real Estate. Deutlich kleiner als Medios, aber ebenfalls in die Rubrik Spezialpharma einzuordnen, ist Sanochemia aus Wien. Erlöstechnisch haben die Österreicher mit Listing im Entry Standard im vergangenen Geschäftsjahr mit 39,30 Mio. Euro die Erwartungen erfüllt, allerdings rutschte das Unternehmen unterm Strich zurück in die roten Zahlen. damit hatte boersengefluester.de nicht unbedingt gerechnet. Immerhin: Auf EBIT-Basis fiel 2015/16 (30. September) ein Gewinn von 0,71 Mio. Euro an.
Per saldo hat sich die Medios-Notiz in den vergangenen Wochen richtig gut entwickelt. In die Kategorie „Geheim-Aktie“ fällt der Anteilschein längst nicht mehr. Auf der Homepage von Medios gibt es HIER bereits jede Menge Beiträge aus der Finnazpresse. Die Investor-Relations-Klaviatur scheinen die Berliner also perfekt zu beherrschen. Und: Mit der Medios Digital GmbH hat das Unternehmen sich nun auch im Softwarebereich positioniert, ohne jedoch Details zu nennen. In Zeiten von FinTech, InsurTech und PropTech kann ein Schuss Digitalisierung jedenfalls nicht schaden. Trotzdem: Die Medios-Aktie eignet sich nur für risikobereite Anleger.
Foto: pixabay
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 253,64 | 327,83 | 516,80 | 626,54 | 1.357,41 | 1.610,78 | 1.874,70 | |
EBITDA1,2 | 7,29 | 8,54 | 16,37 | 13,09 | 34,64 | 51,21 | 52,41 | |
EBITDA-Marge3 | 2,87 | 2,61 | 3,17 | 2,09 | 2,55 | 3,18 | 2,80 | |
EBIT1,4 | 6,80 | 7,40 | 14,39 | 9,54 | 15,26 | 28,97 | 31,37 | |
EBIT-Marge5 | 2,68 | 2,26 | 2,78 | 1,52 | 1,12 | 1,80 | 1,67 | |
Jahresüberschuss1 | 4,13 | 4,33 | 7,76 | 6,06 | 7,40 | 18,33 | 18,81 | |
Netto-Marge6 | 1,63 | 1,32 | 1,50 | 0,97 | 0,55 | 1,14 | 1,00 | |
Cashflow1,7 | 0,82 | -3,14 | -0,45 | -38,12 | 61,52 | 37,12 | 16,41 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,32 | 0,31 | 0,65 | 0,38 | 0,37 | 0,77 | 0,79 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Baker Tilly |