Vermutlich war es einer der wertvollsten Sätze in der mittlerweile fast 23jährigen Börsenhistorie von MBB: „Um das starke Wachstum der Gesellschaft weiter zu beschleunigen, prüft die Friedrich Vorwerk zurzeit mögliche Wachstumsoptionen, zu denen auch ein Börsengang gehören kann.“ So stand es Mitte November 2020 im Q3-Zwischenbericht. Genau die Art von Botschaft, die Anleger hören wollten. Und so wundert es nicht, dass der Aktienkurs der Beteiligungsgesellschaft MBB seitdem fast durchweg Richtung Norden unterwegs ist. Überraschend ist freilich der Steigungswinkel: So gewann der Anteilschein seit der Ankündigung der IPO-Überlegungen um beachtliche 70 Prozent an Wert, was einem Zugewinn an Börsenwert von mehr als 340 Mio. Euro entspricht. Nun hängt die Kursrally nicht einzig an den Börsenplänen der Tochter Friedrich Vorwerk, immerhin hat MBB zuletzt auch auf Konzernebene prima Zahlen für 2020 vorgelegt und weist zudem noch eine Netto-Liquidität von mehr als 180 Mio. Euro aus.
Aber klar: Auch auf dem jüngsten – von Montega organisierten – virtuellen Round Table mit CEO von Christof Nesemeier und Investmentvorstand (CIO) Constantin Mang drehte sich super viel um die Zukunftspläne von Friedrich Vorwerk. Regelmäßigen Lesern von boersengefluester.de ist das Unternehmen, was 2020 Erlöse von rund 291 Mio. Euro sowie ein bereinigtes Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) von 47 Mio. Euro machte, längst ein Begriff. Immerhin agiert die Mitte 2019 zugekaufte und um die Akquisition von Bohlen & Doyen nachträglich verstärkte Gesellschaft in zukunftsträchtigen Feldern wie dem Pipeline- und Anlagenbau für Gas- und Stromnetze. Der eigentliche Clou sind allerdings die erwarteten Wachstumsschübe durch den Aufbau eines europäischen Wasserstoffnetzes.
Nun sind Nesemeier und Mang Profis genug und plaudern keine derzeit noch vertraulichen IPO-Infos in einer Runde wie bei Montega aus. Zumindest ein paar vage Andeutungen macht Nesemeier aber trotzdem: „Die Vorabzahlen von Vorwerk sind ein Indiz, dass wir ganz sportlich unterwegs sind.“ Soll heißen: Wenn IPO, dann vermutlich recht bald und nicht erst in der zweiten Jahreshälfte. Was das mögliche Emissionsvolumen und die Positionierung von MBB in diesem Prozess angeht, verweist Nesemeier auf den vor knapp vier Jahren umgesetzten Börsengang der Tochter Aumann: „Das ist eine Blaupause.“ Damals wurden knapp sechs Millionen Aktien an der Börse platziert, wovon rund ein Viertel aus einer Kapitalerhöhung stammte, der Rest kam im Wesentlichen aus dem Bestand von MBB, womit die Berliner ihren Anteil von zuvor 93,5 auf knapp 54 Prozent verwässerten. Ähnlich dürfte es also bei Vorwerk vonstatten gehen. „Wir wollen das Unternehmen mehrheitlich behalten, ihm aber alle Chancen geben“, sagt Nesemeier. Unterschiede gibt es allerdings schon, denn der MBB-Anteil an Vorwerk beträgt nur 66 Prozent. Die restlichen Stücke halten die Witwe des Unternehmensgründers sowie das aktuelle Management.
Für MBB ist der Spielraum bei der Umplatzierung also deutlich geringer als bei Aumann. Dafür dürfte der Börsenwert von Vorwerk aber auch deutlich höher sein als die damals zum Start bei Aumann aufgerufenen 588 Mio. Euro. Nun ist Vorwerk längst kein rassiger Wasserstoffplayer wie die an der Börse abartig hoch bewerteten Nel oder Plug Power, doch schon in der jetzigen Aufstellung bietet die Gesellschaft eine lupenreine Wachstumsstory. „Wir wollen eine ambitionierte Bewertung“, sagt daher auch Nesemeier. Losgelöst von der Emissionsfantasie, hat MBB auch sonst einiges zu bieten: Zweiter Highflyer im Portfolio ist zurzeit das IT-Sicherheitsunternehmen DTS, bei dem es perspektivisch auch zu einem Börsengang kommen könnte. Nicht großartig zu erwähnen brauchen wir an dieser Stelle die guten Perspektiven von Delignit. Der Spezialist für Innenraumverkleidungen auf Basis von Buchen-Sperrholz in leichten Nutzfahrzeugen und Wohnmobilen bleibt trotz der Belastungen durch Corona ein piekfeines Unternehmen. Und auch für die aufgrund ihre Positionierung im Bereich Elektromobilität mit so viel Vorschusslorbeeren gestartete Aumann AG erwartet Nesemeier in der zweiten Jahreshälfte 2021ein Comeback.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 403,08 | 506,59 | 592,06 | 689,24 | 680,33 | 896,45 | 954,62 | |
EBITDA1,2 | 30,14 | 53,99 | 80,97 | 85,73 | 55,90 | 87,98 | 78,19 | |
EBITDA-Marge3 | 7,48 | 10,66 | 13,68 | 12,44 | 8,22 | 9,81 | 8,19 | |
EBIT1,4 | 19,71 | 38,62 | 54,39 | 56,16 | 19,00 | 44,57 | 33,92 | |
EBIT-Marge5 | 4,89 | 7,62 | 9,19 | 8,15 | 2,79 | 4,97 | 3,55 | |
Jahresüberschuss1 | 10,24 | 27,25 | 34,60 | 10,72 | -11,57 | 24,15 | 24,25 | |
Netto-Marge6 | 2,54 | 5,38 | 5,84 | 1,56 | -1,70 | 2,69 | 2,54 | |
Cashflow1,7 | 3,85 | 24,03 | 69,23 | 56,00 | 59,12 | 35,37 | 126,36 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,71 | 2,34 | 4,44 | 2,14 | -1,61 | 2,00 | 2,10 | |
Dividende8 | 1,32 | 0,69 | 0,70 | 1,76 | 1,98 | 1,00 | 1,01 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Nexia |
Kapitalisiert ist die im Prime Standard gelistete MBB bei derzeitigen Kurs von 138,50 Euro mit knapp 823 Mio. Euro. Abzüglich der Netto-Liquidität auf Holding-Ebene ergibt sich ein Unternehmenswert von 640 Mio. Euro. Der 40prozentige Aumann-Anteil hat zurzeit ein Börsengewicht von 96 Mio. Euro, das Paket an Delignit ist knapp 45 Mio. Euro wert. Bleiben rund 500 Mio. Euro für Friedrich Vorwerk, DTS IT – und den an dieser Stelle noch gar nicht erwähnten Servietten- und Taschentuchhersteller Hanke Tissue sowie den Rest des Portfolios. Quasi als Zugabe gibt es außerdem noch das nicht zu unterschätzende jahrelange Know-how aus dem Team von MBB. Summa summarum ist MBB eine dieser Aktien, die man sich vermutlich jederzeit ins Depot legen kann und dann unter Langfristinvestment einsortiert. Vielleicht auch noch gut zu wissen: Gimmicks wie eine bevorrechtige Zuteilung für MBB-Aktionäre wird es nicht geben, das würde den ohnehin schon kniffligen IPO-Prozess nur zusätzlich komplizieren. „Kaufen Sie MBB-Aktien, dann haben Sie auch Vorwerk im Depot“, schmunzelt Nesemeier auf der Montega-Konferenz.
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