Was die medizinische Behandlung von COVID-19 angeht, sind es natürlich Unternehmen wie BionTech oder auch der US-Konzern Moderna, die den Jackpot an der Börse geknackt haben und zu Multi-Milliarden-Companys geworden sind. Mit einer Marktkapitalisierung von knapp 200 Mio. Euro – was etwa dem Börsenwert der für ihre Corona-Teststationen bekannten Biotechfirma Centogene aus Rostock entspricht – sehr viel kleiner, ist die in Korneuburg in der Nähe von Wien ansässige Marinomed Biotech. Für Furore hat das Unternehmen insbesondere deshalb gesorgt, weil die von ihr entwickelten Nasensprays gegen Erkältungskrankheiten scheinbar auch wirksam gegen Corona-Viren sind. Darauf deuten zumindest einige Studien hin. Dabei setzt Marinomed auf den Wirkstoff Carragelose aus der im Meer vorkommenden Rotalge. „Das Polymer bindet das Virus wie Wolle auf einem Klettverschluss“, sagt CEO Andraes Grassauer bei seiner Präsentation auf der von GBC veranstalteten MKK Münchner Kapitalmarkt Konferenz am 3. Mai 2021.
Vertrieben wird das Mittel in Deutschland unter dem Markennamen Algovir. Der Popularitätsschub bei den Erkältungssprays und -pastillen hat bei Marinomed bereits wesentlich dazu beigetragen, dass die Konzernerlöse 2020 von 6,14 auf 8,12 Mio. Euro gestiegen sind. In absoluten Zahlen hört sich das zwar noch nicht besonders üppig an, CFO Pascal Schmidt weist jedoch darauf hin, dass Marinomed quasi in der Rolle eines Großhändlers agiert und der entsprechende Umsatz in der Apotheke zwischen 40 und 50 Mio. Euro ausmachen dürfte. Da Corona – selbst bei einem weit fortgeschrittenen Impfprozess in der Bevölkerung – nicht verschwinden und ähnlich wie Erkältungswellen in der kalten Jahreszeit erhalten bleiben dürfte, spielen Virusblocker für Marinomed auch künftig eine wichtige Rolle bei der Produktentwicklung.
In der öffentlichen Wahrnehmung ein wenig ins Hintertreffen geraten ist derweil die weitere Entwicklung der Marinosolv-Plattform. Dabei hat sie nach Einschätzung von Grassauer eine „entscheidende Bedeutung für die Zukunft des Unternehmens“. Vereinfacht ausgedrückt geht es hier darum, schwer lösliche Wirkstoffe – speziell für die Behandlung von Augen und Nase – so zu lösen, dass sie ihre heilende Wirkung im Körper schneller und besser entfalten. Leitprodukt ist hier Budesolv, ein Nasenspray gegen allergische Rhinitis (Nasenschleimhautentzündung). „Wir führen hier zurzeit Gespräche mit mehreren internationalen Partnern“, sagt Grassauer auf der MKK. Große Hoffnungen setzt der Biotechexperte mit Schwerpunkt Virologie zudem auf die Entwicklung der Augentropfen Tacrosolv gegen Bindehautentzündungen. Allesamt Indikationen mit sehr hohem Marktpotenzial. Damit sind die Einsatzgebiete für den Grassauer jedoch nicht ausgereizt: „Marinosolv kann immer dann genutzt werden, wenn erhöhte Löslichkeit von Vorteil ist.“
Mit Blick auf die Aktie beinahe überflüssig zu erwähnen ist, dass Marinomed auf absehbare noch Verluste schreiben wird und schwarze Zahlen erst mittel- bis langfristig zu erwarten sind. Die Analysten von Stifel trauen der Marinomed-Aktie einen fairen Wert von 174 Euro zu, leicht darunter liegt das Kursziel der Erste Group aus Österreich. Einschätzen lässt sich das alles sehr schwierig. Klar ist aber: Wenn der Börsenzug einmal rollt, spielen solche Marken meist kaum noch eine Rolle. Gut ist, dass Marinomed regelmäßig auch auf Kapitalmarktkonferenzen präsent ist, jedenfalls hat borsengefluester.de den Vorstand nun schon mehrfach präsentieren gesehen. Summa summarum also eine Aktie für sehr risikobereite Investoren – mit entsprechend niedrig dosiertem Depotanteil. Spannend klingt die Story allemal. Zudem hat Marinomed offenbar auch hierzulande bereits eine ausgeprägte Fanbasis. Anders können wir die zahlreichen Anfragen von boersengefluester.de-Lesern nach der Aufnahme der Aktie in unsere Datenbank – was wir dann kürzlich auch getan haben – nicht erklären.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 4,81 | 4,67 | 6,14 | 8,12 | 11,63 | 11,28 | 9,18 | |
EBITDA1,2 | -1,44 | -4,90 | -5,88 | -5,39 | -3,54 | -4,24 | -4,45 | |
EBITDA-Marge3 | -29,94 | -104,93 | -95,77 | -66,38 | -30,44 | -37,59 | -48,48 | |
EBIT1,4 | -1,64 | -5,14 | -6,21 | -5,82 | -4,14 | -4,91 | -5,13 | |
EBIT-Marge5 | -34,10 | -110,06 | -101,14 | -71,67 | -35,60 | -43,53 | -55,88 | |
Jahresüberschuss1 | -2,38 | -12,10 | -7,22 | -6,01 | -5,89 | -6,40 | -6,80 | |
Netto-Marge6 | -49,48 | -259,10 | -117,59 | -74,01 | -50,65 | -56,74 | -74,07 | |
Cashflow1,7 | -2,18 | -4,32 | -7,64 | -6,89 | -4,87 | -5,20 | -4,53 | |
Ergebnis je Aktie8 | -2,38 | -12,10 | -5,10 | -4,10 | -4,00 | -4,30 | -4,50 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: BDO |
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