Die Aktionäre von Kontron müssen hart im Nehmen sein. Seit Jahren hängt der Anbieter von Elektronikbauteilen (Embedded Computer) tief in der Verlustzone und hat allein seit Anfang 2015 um rund die 50 Prozent an Börsenwert eingebüßt. Doch die Meldung zu den Halbjahreszahlen 2016 war fast so etwas wie ein Offenbarungseid. Statt der erhofften Erholung in zweiten Jahresviertel, musste der ehemalige TecDAX-Konzern seine Prognosen massiv eindampfen und einen Wertberichtigungsbedarf von sage und schreibe 61 Mio. Euro auf den Goodwill (Firmenwert) sowie Teile des Sachanlagevermögens vornehmen. Lichtblicke Fehlanzeige: Die Nachfrage der Kunden fällt schwächer aus als gedacht, die Vertriebsstruktur greift nicht wie erhofft, zudem verzögerten sich eine Reihe von Projekten. Kein Wunder, dass die Analysten einhellig den Daumen senken und geschlossen zum Verkauf der Aktie raten. Damit nicht genug: Angesichts der Misere mussten der seit Januar 2013 als CEO bei Kontron tätige Rolf Schwirz – ein ehemaliger Manager bei Fujitsu und SAP – sowie Technologievorstand Andreas Plikat ihren Hut nehmen. Neuer Vorstandsvorsitzende der Augsburger wird der bislang als Aufsichtsrat tätige Sten Daugaard. Der Däne war bis 2008 Finanzvorstand von SGL Carbon und wechselte dann als CFO zum Spielzeughersteller Lego. „An der im Mai 2015 angekündigten strategischen Neuausrichtung hält Kontron fest. Ein Schwerpunkt dabei ist die Positionierung des Unternehmens als Middleware- und Hardware-Anbieter, um die langfristigen Trends ,Internet of Things’ (IoT) und ,Industrie 4.0′ zu nutzen“, heißt es offiziell.
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Soweit der Folterkammerteil dieser Geschichte. Umso interessanter ist jedoch, dass der Aktienkurs von Kontron auf die neuerlichen Horrormeldungen überhaupt nicht mehr negativ reagiert hat und sich vielmehr im Bereich um 2,50 Euro zu stabilisieren scheint. In Spezialwertekreisen wird bereits getuschelt, dass bei Kontron möglicherweise etwas im Busch sei und sich ein strategischer Käufer positioniere. Offiziell befinden sich 64,87 Prozent der Aktien im Streubesitz. Größter Einzelaktionär mit einem Anteil von 19,50 Prozent ist die amerikanische Private-Equity-Gesellschaft Warburg Pincus. Dahinter folgt die deutsch-schwedische Investorengemeinschaft Triton mit 15,63 Prozent. Beinahe zwangsläufig muss an dieser Stelle wohl der ehemalige Kontron-Boss und jetzige CEO von S&T, Hannes Niederhauser, ins Spiel kommen. Verbindungen zwischen dem Österreicher und Kontron gab es auch in der jüngeren Vergangenheit immer wieder. Im Frühjahr 2014 etwa legte der S&T-Vorstandschef mit dem Kauf von 51 Prozent der Anteile an der Ubitronix GmbH aus Hagenberg in der Nähe von Linz die Basis für den Einstieg in den Smart-Energy-Sektor. Ubitronix ist spezialisiert auf digitale Stromzähler und gehörte zwischenzeitlich mal zum Kontron-Konzern.
Und in einem Interview von Mitte Juni mit dem Branchendienst elektroniknet.de antwortete Niederhauser auf die Frage nach geplanten Übernahmen für den TecDAX-Aspiranten S&T: „Ja. Wir kommen von der oberen Seite, haben viel Software und Applikationen und unsere eigenen Cloud-Center, die auf Nischen ausgerichtet sind. Was wir nicht haben und wo wir eigentlich sehr gute Synergieeffekte hätten, wäre, eine Firma wie Kontron zu kaufen. Die bauen ihre Rechner in alle möglichen Maschinen ein, nehmen aber nur einen kleinen Teil der Wertschöpfung mit. Ich will all diese Kunden und ihnen die Firewall mitverkaufen und die Daten der Maschinen auf meinen Embedded Clouds hosten und bearbeiten.“ Ob der umtriebige Niederhauser auch nach der jüngsten Entwicklung immer noch Interesse an Kontron hat, ist freilich offen. Anlass zu Getuschel geben die Querverbindungen freilich schon. Zur Einordnung: Kontron kommt gegenwärtig auf eine Marktkapitalisierung von knapp 141 Mio. Euro. S&T bringt mittlerweile annähernd 341 Mio. Euro auf die Waagschale. Anfang 2015 waren die Relationen noch genau umgekehrt. Trotz aller operativen Probleme: Vielleicht ist es nicht ganz verkehrt, zumindest einen Teil der Kontron-Aktien im Depot zu lassen.
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