Normal ist das nicht. Das wissen auch die Investoren. Ansonsten müsste der Aktienkurs von Klöckner & Co nämlich sehr viel höher stehen, so gute Zahlen liefert der Stahlhändler momentan ab – und so irre attraktiv sind die wesentlichen Kennzahlen der Aktie: Inklusive der klassischen Finanzverbindlichkeiten sowie der Pensionsrückstellungen kommt Klöckner an der Börse auf einen Unternehmenswert von rund 1.732 Mio. Euro. Dem steht ein für 2021 avisiertes Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) vor wesentlichen Sondereffekten von rund 800 Mio. Euro entgegen, so dass die Gesellschaft nur mit etwas mehr als dem Doppelten des bereinigten EBITDA für 2021 gehandelt wird. Investoren, die bereits bei dem Begriff „bereinigtes EBITDA“ zusammenzucken, können relativ entspannt bleiben. Die Bereinigungsposten etwa aus größeren Restrukturierungen machten in den ersten neun Monaten 2021 “nur” noch 13 Mio. Euro aus.
Und selbst wenn man die vergangen drei unfassbar starken Quartale ausklammert und den Durchschnittswert für das EBITDA der Jahre 2016 bis 2020 heranzieht, wird Klöckner an der Börse lediglich mit etwas mehr als dem Zehnfachen des EBITDA gehandelt. Das halten wir schon allein deshalb für zu wenig, weil sich die Duisburger sehr viel zukunftsträchtiger aufgestellt haben und zunehmend als Plattform-Unternehmen mit hoher Digitalisierungskomponente auftreten. Insofern ist boersengefluester.de zuversichtlich, dass Klöckner künftig – auch ohne Rückenwind aus den Lagerbeständen sowie den hohen Stahlpreisen – spürbar mehr als das früher im Mittel erwirtschaftete EBITDA von knapp 170 Mio. Euro verdienen wird. Schon allein deshalb dürften die Analysten mit ihrem Konsens-Kursziel von rund 13,50 Euro auf der richtigen Fährte sein.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 6.291,56 | 6.790,49 | 6.314,72 | 5.130,11 | 7.440,86 | 9.378,69 | 6.956,61 | |
EBITDA1,2 | 219,56 | 227,10 | 139,03 | 52,14 | 878,70 | 480,96 | 190,44 | |
EBITDA-Marge3 | 3,49 | 3,34 | 2,20 | 1,02 | 11,81 | 5,13 | 2,74 | |
EBIT1,4 | 129,84 | 141,46 | 1,73 | -93,64 | 754,50 | 348,08 | 65,76 | |
EBIT-Marge5 | 2,06 | 2,08 | 0,03 | -1,83 | 10,14 | 3,71 | 0,95 | |
Jahresüberschuss1 | 102,25 | 68,65 | -54,88 | -114,36 | 629,34 | 259,34 | -189,80 | |
Netto-Marge6 | 1,63 | 1,01 | -0,87 | -2,23 | 8,46 | 2,77 | -2,73 | |
Cashflow1,7 | 78,87 | 60,20 | 204,23 | 160,98 | -305,77 | 405,17 | 321,57 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,96 | 0,66 | -0,56 | -1,16 | 5,58 | 2,32 | -1,91 | |
Dividende8 | 0,30 | 0,30 | 0,00 | 0,00 | 1,00 | 0,40 | 0,20 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: PricewaterhouseCoopers |
Zudem geht boersengefluester.de davon aus, dass schon allein die Dividendenankündigung zur Hauptversammlung am 1. Juni 2022 in einer Bandbreite von 0,90 bis 1,10 Euro je Aktie dem Titel einen Kick geben wird. Immerhin geht es hier um eine Dividendenrendite von rund neun Prozent. Innerhalb der Indexwelt dürfte im kommenden Jahr lediglich Bilfinger noch mehr zu bieten haben. Interessant auch der Blick Richtung Buchwert, denn selbst wenn man schon jetzt die zu erwartende Dividendensumme vom aktuellen Eigenkapital abzieht, würde die im SDAX gelistete Klöckner-Aktie mit einem Discount von rund einem Viertel auf den Buchwert gehandelt. Zwar ist der Rabatt auf Zehn-Jahres-Sicht sogar noch ein wenig größer, was wiederum maßgeblich an den schwachen Aktienkursen von 2019 und 2018 hängt. Eine grundlegende Neubewertung im Zuge des Effizienz-Steigerungsprogramms Surtsey ist jedenfalls nur ansatzweise eingepreist.
Schwer einzuschätzen bleibt derweil, welchen Einfluss die Shortseller auf den Kursverlauf der Klöckner-Aktie zuletzt hatten. Zwar sind (inklusive der nicht meldepflichtige Positionen unterhalb von 0,5 Prozent) bis zu 18,6 Prozent aller Aktien in den Händen von Leerverkäufern – womit das Unternehmen auf Platz 6 im boersengefluester.de-Ranking der Firmen mit dem höchsten Shortseller-Anteil in Deutschland liegt (siehe dazu auch unseren Shortseller-Analyser RegSHO). Allerdings sind manche Daten aus dem Bundesanzeiger, die wir für diese Spezialbetrachtung bei Klöckner heranziehen, schon relativ betagt. Gut möglich also, dass die Quote etwas zu hoch ist. Isoliert mit Blick auf die Anteile größer fünf Prozent, ergibt sich bei Klöckner ein Leerverkäufer-Anteil von 2,38 Prozent – was Platz 22 im Ranking entspricht. Unterm Strich bleiben wir dabei: Die zuletzt so volatile Kursentwicklung der Aktie ist fundamental nicht nachvollziehbar. Höchste Zeit also für neue Normalität in der Bewertung.
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