Es ist zum Verzweifeln mit der Aktie von Klöckner & Co: Nachdem die über viele Quartale super gute Ertragsentwicklung an der Notiz des Stahlhändlers meist abgeperlt ist, sorgt die mit dem dritten Quartal einsetzende operative Abkühlung umgehend für einen heftigen Kursrutsch. Allein in den vergangenen vier Wochen hat der SDAX-Wert nun um 30 Prozent an Wert verloren und bewegt sich damit auf dem Niveau von Ende 2020. Verglichen mit dem IPO-Kurs von 16 Euro aus dem Sommer 2006 liegt der Anteilschein sogar um rund 60 Prozent unter Wasser. Dabei sieht die jetzige Prognosekorrektur von ursprünglich mehr als 500 Mio. Euro (EBITDA) vor wesentlichen Sondereffekten auf jetzt rund 400 Mio. Euro auf den ersten Blick gar nicht so krass aus, als dass sie einen Rückgang an Marktkapitalisierung von 295 Mio. Euro innerhalb eines Monats unbedingt rechtfertigen würde.
Was ist also passiert? Nun: In den sechs Quartalen von Anfang 2021 bis Q2 2022 haben die Duisburger im Durchschnitt ein operatives Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von jeweils knapp 211 Mio. Euro erzielt. Insofern ist das jetzt für Q3 2022 vorab gemeldete EBITDA vor wesentlichen Sondereffekten von 16 Mio. Euro definitiv ein krasser Rückfall und gleichzeitig ein Gradmesser dafür, wie deutlich der Stahlpreis im Zuge der Rezessionsangst zuletzt gefallen ist. Immerhin lag die ursprüngliche Erwartung an das operative EBITDA für Q3 2022 mit 50 bis 100 Mio. Euro sehr viel höher. Damit aber nicht genug, denn die auf rund 400 Mio. Euro gestutzte Jahresprognose für 2022 bedeutet, dass Klöckner & Co. für das Abschlussviertel mit einem operativen Verlust von etwa 40 Mio. Euro rechnet.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 6.291,56 | 6.790,49 | 6.314,72 | 5.130,11 | 7.440,86 | 9.378,69 | 6.956,61 | |
EBITDA1,2 | 219,56 | 227,10 | 139,03 | 52,14 | 878,70 | 480,96 | 190,44 | |
EBITDA-Marge3 | 3,49 | 3,34 | 2,20 | 1,02 | 11,81 | 5,13 | 2,74 | |
EBIT1,4 | 129,84 | 141,46 | 1,73 | -93,64 | 754,50 | 348,08 | 65,76 | |
EBIT-Marge5 | 2,06 | 2,08 | 0,03 | -1,83 | 10,14 | 3,71 | 0,95 | |
Jahresüberschuss1 | 102,25 | 68,65 | -54,88 | -114,36 | 629,34 | 259,34 | -189,80 | |
Netto-Marge6 | 1,63 | 1,01 | -0,87 | -2,23 | 8,46 | 2,77 | -2,73 | |
Cashflow1,7 | 78,87 | 60,20 | 204,23 | 160,98 | -305,77 | 405,17 | 321,57 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,96 | 0,66 | -0,56 | -1,16 | 5,58 | 2,32 | -1,91 | |
Dividende8 | 0,30 | 0,30 | 0,00 | 0,00 | 1,00 | 0,40 | 0,20 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: PricewaterhouseCoopers |
In der Logik der Börsianer geht es also eben nicht um die an sich immer noch wahnsinnig guten 400 Mio. Euro EBITDA für 2022, sondern um ein möglicherweise drohendes Verlustszenario für 2023. Da schert es die Investoren momentan nur wenig, dass der Titel nur noch zu einem Drittel des Buchwerts gehandelt wird und selbst die pessimistischsten Kursziele der Analysten deutlich oberhalb der aktuellen Notiz liegen. Als Malus machen die Investoren dabei auch die vergleichsweise hohe Netto-Finanzverschuldung von gut 900 Mio. Euro aus, zumal die Wandelschuldverschreibung von 2016 im Volumen von rund 148 Mio. Euro im September 2023 ausläuft und der Wandlungspreis von 13,33 Euro weit entfernt ist – Klöckner den Bond also wohl wird bedienen müssen, da eine Wandlung in Aktien aus Anlegersicht zurzeit völlig uninteressant ist.
Tatsächlich gibt es also viele Punkte, die den Anlegern Sorge bereiten. Andererseits ist boersengefluester.de der Auffassung, dass der Kapitalmarkt bei Klöckner – genauso wie bei ThyssenKrupp und Salzgitter – einseitig auf die Risiken achtet und die komplette Substanz sowie die sich perspektivisch wieder bietenden Chancen ausblendet. Normalerweise ein sicheres Indiz dafür, dass es sich um eine Übertreibungsphase handelt. Daher halten wir es auch für keine clevere Idee, auf dem jetzigen Niveau seine Papiere aus dem Depot zu werfen.
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