Auf Crash-Kurs ist die Daimler-Aktie: Gegenüber dem 2015er-Hoch ist die Notiz um mehr als 40 Prozent eingebrochen. Investoren befürchten, dass sich durch den Brexit nicht nur die Perspektiven für die britische Wirtschaft, sondern auch für die europäische und damit für die Weltwirtschaft weiter eintrüben. Das belastet den Kurs der Daimler-Aktie massiv. Zuletzt hatte eine Nachricht vom Automobilverband VDA kurzfristig noch für Auftrieb bei dem Papier gesorgt. Er hat seine Prognose für die 2016er-Lkw-Verkäufe in Westeuropa angehoben und rechnet jetzt mit einem Absatzplus von 8 Prozent (bisher 4 Prozent). Gute Nachrichten vom Lkw-Markt kann Daimler gebrauchen, hat die Sparte doch mit erheblich mehr Gegenwind zu kämpfen als Daimler lieb ist. Daher hatte der weltgrößte Lkw-Hersteller Mitte Mai die Prognose für die Sparte gesenkt. Demnach soll der Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBIT) des Geschäftsbereichs „deutlich unter“ dem Vorjahr liegen, nachdem er zuvor gleichbleiben sollte. Grund für die Probleme ist der Markteinbruch in Nordamerika und Brasilien und der verstärkte Preisdruck in Europa. Offenbar schlägt die schwache Konjunktur in den USA viel stärker auf den Absatz gerade von großen und damit margenstärkeren Lkw durch, als Daimler lange Zeit wahrhaben wollte. „Deutlich unter“ dem Vorjahr bedeutet einen Rückgang des EBITs der Sparte um mindestens zehn Prozent gegenüber dem Vorjahresrekord von 2,74 Mrd. Euro.
Trotz der zunehmenden Probleme in der Lkw-Sparte bekräftige Vorstandschef Dieter Zetsche die Gewinnprognose für den Konzern. So soll das EBIT aus dem laufenden Geschäft „leicht steigen“ – gegenüber dem Vorjahreswert von 13,8 Mrd. Euro. Der Firmenlenker will also die Schwäche im Lkw-Sektor durch ein noch besseres Geschäft, vor allem im Pkw-Bereich, wettmachen. Er brummt viel stärker als je zuvor. Im ersten Quartal hatte die Sparte den Absatz um acht Prozent auf knapp 500.000 Fahrzeuge erhöht. Das EBIT der Sparte war allerdings deutlich gesunken, weshalb die operative Rendite auf 7,1 Prozent zurückgegangen war. Das lag einerseits an dem starken Anstieg der Forschungs- und Entwicklungskosten. Andererseits verschlang die Einführung der neuen Mercedes E-Klasse eine Menge Geld. In den nächsten Quartalen soll sich die Marge aber wieder zusehends verbessern. Die Analysten der UBS gehen für das zweite Quartal von neun Prozent aus. Die weltweite Einführung der neuen E-Klasse werde die Marge im zweiten Halbjahr dann auf mehr als zehn Prozent hochtreiben.
Angesichts des Kurseinbruchs juckt es viele Anlegern geradezu, bei der Daimler-Aktie einzusteigen. Immerhin liegt das KGV laut dem Konsens bei den Gewinnschätzungen bei lediglich 6,4, womit Daimler die drittgünstigste Aktie im DAX ist. Die Frage ist nur, warum ist das KGV so niedrig, wenn die Gewinnperspektiven doch so gut sein sollen? Zumal das Geschäft bei Daimler brummt, hatte die Marke Mercedes-Benz den Absatz im Mai doch um 12,9 Prozent auf 170.625 Fahrzeuge gesteigert. Antriebsmotor war einmal mehr China, wo der Absatz um 38,9 Prozent auf mehr als 38.000 Fahrzeuge nach oben geschossen ist. Damit baut das Land seine Position als der mit Abstand wichtigste Markt für Daimler weiter aus, während die Verkäufe in den USA, dem zweitwichtigsten Markt, leicht zurückgingen auf 29.299 Fahrzeuge. Investoren machen sich daher Sorgen, dass bei einer weiteren Abkühlung der US-Konjunktur die Absatzzahlen in den USA unter Druck bleiben dürften, zumal der Wettbewerber BMW zuletzt gewarnt hatte. „Der US-Markt wird 2016 bestenfalls stagnieren“, sagte BMW-Vertriebschef Ian Robertson. Damit wächst die Gefahr, dass die Premiumhersteller versuchen, die Autos, die entgegen den ursprünglichen Planungen nicht in den USA abgesetzt werden können, beispielsweise in Europa zu verkaufen. Das würde den Preisdruck hier erhöhen. Der Markt in Westeuropa wächst zwar derzeit sehr stark. Die Frage ist allerdings, wie lange in Ländern wie Italien und Spanien, Wachstumsraten von 25 Prozent und mehr aufrechterhalten werden können. Die Aussicht auf den Brexit sollte den Markt in Westeuropa auf absehbare Sicht deutlich dämpfen. Bislang prognostizieren Experten, dass der weltweite Pkw-Markt im laufenden Jahr um drei Prozent auf 74,5 Mio. Fahrzeuge wachsen wird. Diese Prognose dürfte sich aber als deutlich zu optimistisch herausstellen.
Die Analysten reagieren auf die Eintrübung der Perspektiven und haben schon vor der Entscheidung für den Brexit die Gewinnschätzungen für Daimler für 2016 und 2017 deutlich gesenkt. Daher soll der Gewinn je Aktie im nächsten Jahr um lediglich 5,7 Prozent auf 8,57 Euro steigen. Angesichts der anhaltend schwachen Konjunkturdaten, gerade aus den USA, könnten die Gewinnschätzungen für Daimler in den nächsten Monaten im Rückwärtsgang bleiben, zumal wenn der Euro gegenüber dem Dollar und anderen Währungen steigen sollte und Daimler damit Gegenwind von der Währungsseite bekäme. Die Abschwächung der Konjunktur in der Euro-Zone wäre ein weiterer Belastungsfaktor. Wegen der deutlichen Senkung der Gewinnschätzungen ist die Bewertung von Daimler bei Weitem nicht so niedrig, wie sie auf den ersten Blick aussieht. Abgesehen von jederzeit möglichen kurzfristigen Erholungen könnte das Papier daher weiter unter Druck bleiben.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 164.154,00 | 167.362,00 | 172.745,00 | 121.778,00 | 133.893,00 | 150.017,00 | 153.218,00 | |
EBITDA1,2 | 20.024,00 | 17.437,00 | 12.080,00 | 15.048,00 | 23.008,00 | 26.979,00 | 26.323,00 | |
EBITDA-Marge3 | 12,20 | 10,42 | 6,99 | 12,36 | 17,18 | 17,98 | 17,18 | |
EBIT1,4 | 14.348,00 | 11.132,00 | 4.329,00 | 6.091,00 | 16.028,00 | 20.458,00 | 19.660,00 | |
EBIT-Marge5 | 8,74 | 6,65 | 2,51 | 5,00 | 11,97 | 13,64 | 12,83 | |
Jahresüberschuss1 | 10.617,00 | 7.582,00 | 2.709,00 | 4.009,00 | 23.396,00 | 14.809,00 | 14.531,00 | |
Netto-Marge6 | 6,47 | 4,53 | 1,57 | 3,29 | 17,47 | 9,87 | 9,48 | |
Cashflow1,7 | -1.652,00 | 343,00 | 7.888,00 | 22.332,00 | 24.549,00 | 16.894,00 | 14.470,00 | |
Ergebnis je Aktie8 | 9,84 | 6,78 | 2,22 | 3,39 | 21,50 | 13,55 | 13,46 | |
Dividende8 | 3,65 | 3,25 | 0,90 | 1,35 | 5,00 | 5,20 | 5,30 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: KPMG |
Foto: © Daimler AG (Mercedes-Benz Museum, Formel-1-Weltmeisterschaftsauto 2014 und DTM-Champion-Fahrzeug 2015 verhüllt in der Rennkurve)