Herr Weiß, schon seit vielen Jahren betont ItN Nanovation das enorme Potenzial der vielen Ausschreibungen und Testanlagen für Wasserprojekte in Saudi-Arabien. Der große Durchbruch blieb bislang freilich aus. Zwischenzeitlich rutschte die Gesellschaft sogar in arge finanzielle Nöte und musste den Verlust von mehr als die Hälfte des Grundkapitals eingestehen. Was hat sich nun geändert?
Christoph Weiß: Unsere bisherigen Projektmeldungen waren nicht falsch, aber in der zeitlichen Einschätzung manchmal zu optimistisch. Es gab nie Rückschritte, und wir haben auch nie ein Projekt verloren, aber vieles hat letztlich doch länger gedauert als erwartet. Jetzt sind wir erstmals so weit, dass wir nicht mehr „nur“ noch mit den Beratern des Ministerium reden und Ausschreibungsunterlagen vorbereiten, sondern mit Baukonzernen am Tisch sitzen und ganz konkret über einzelne Projekte und deren Vergabe verhandeln. Zudem wurde erstmals eine Ausschreibungen erfolgreich beendet und ein Anbieter als ausgewählt, der auf Membranen von ItN setzt. Die Objektpipeline hat damit eine ganz andere Qualität bekommen. Und wenn der erste Deal tatsächlich in trockenen Tüchern ist, werden hoffentlich zeitnah weitere Aufträge folgen. Ich vergleiche das mit aufgestellten Dominosteinen. Sobald der erste Stein fällt, löst das eine Kettenreaktion aus.
Noch fehlt aber die entscheidende Unterschrift aus dem saudischen Ministerium für Wasser. Was macht Sie so zuversichtlich, dass nicht doch noch etwas dazwischen kommt?
Weiß: Zum einen sprechen die technischen Spezifikationen und die Leistungsfähigkeit unserer keramischen Flachfiltermembranen dafür. Zum anderen wurde Arab Contractors nach einem langen Ausschreibungsverfahren als Gewinner ermittelt. Und nicht zuletzt hatten wir einen sehr guten Kontakt mit dem Minister auf einer Wasser-Messe im Dezember, wo wir mit unserem Partner Juffali Chemical Products einen Stand hatten. Dort ist uns gelungen, den Minister von den Vorteilen unserer Flachmembranen in Bezug auf die Eliminierung des Radiums aus dem Grundwasser zu überzeugen. Immerhin haben wir seit drei Jahren eine funktionierende Testanlage vor Ort installiert. In dieser Zeit sind internationale Großkonzerne mit ihrer auf Polymermembrantechnik basierenden Lösungen kläglich gescheitert. Nach menschlichem Ermessen sollte es jetzt nur noch eine Frage der Zeit sein, bis die Unterschrift da ist.
Vom 9. Juli bis 8. August ist Ramadan. Befürchten Sie in dieser Zeit einen Stillstand bei den Vertragsunterzeichnungen?
Weiß: Wir haben bewusst keinen genauen Zeitplan kommuniziert. Die Unterzeichnung kann sehr kurzfristig erfolgen. Aber natürlich ist auch denkbar, dass während des Fastenmonats nichts mehr passiert.
Auch im ersten Quartal 2013 war die finanzielle Situation angespannt. ItN Nanovation hatte per Ende 2012 ein negatives Eigenkapital von 1,7 Mio. Euro. Wie nervös macht die klamme Bilanz Ihre Vertragspartner?
Weiß: Der Auftragnehmer dem Ministerium gegenüber ist nicht ItN Nanovation, sondern Juffali. Und die Juffali-Gruppe ist in Saudi Arabien über jeden Zweifel erhaben. Außerdem verfügt ItN über starke Großaktionäre, die das Unternehmen bereits bisher finanziell auf der Eigen- und Fremdkapitalseite unterstützt haben. Das ist auch unseren Partnern bekannt.
Wenn ein Einzelauftrag über einen Brunnen etwa 5 Mio. Dollar Umfang hat. Was kommt davon bei ItN Nanovation an?
Weiß: Die Projekte sind in der Regel sogar wesentlich größer, weil normalerweise auch Bauarbeiten für Becken, Hallen Rohrleitungssystem etc. nötig sind. Die von uns kommunizierten 5,3 Mio. Dollar beziehen sich ausschließlich auf die Flachmembranen und kommen so ein zu eins bei uns als Umsatz an. Das Gesamtvolumen des Projekts liegt irgendwo bei 15 Mio. Dollar.
Wann wird das bereits länger angekündigte Joint Venture mit Juffali aktiviert?
Weiß: Bislang hat Juffali die Gründung des Joint Ventures nicht aktiv forciert. Das entspricht aber auch nicht deren Geschäftsprinzip. Normalerweise geht Juffali folgendermaßen vor: Juffali importiert Ware – zum Beispiel Lkws – und verkaufen sie. Sobald eine bestimmte Grundnachfrage vorhanden ist, geht Juffali dann zum Produzenten und redet über eine Fertigung vor Ort bzw. ein Joint Venture. Das ist fast wie ein Grundgesetz für Juffali. Da wir noch kein laufendes Geschäft mit unseren Membranen haben, fehlt dieser Schritt. Wenn das Unternehmen seinen Prinzipien treu bleibt, ist es aber nur eine Frage der Zeit, bis der Schritt zur Gründung des Joint Venture erfolgt. Das heißt: Für den aktuellen Auftrag, und die nächsten ein bis zwei folgenden, hat das Joint Venture keine Funktion.
Wie ist die jetzige Zusammenarbeit mit Juffali einzuordnen?
Weiß: Stand heute ist Juffali ein Sales Agent und ist damit quasi Vertriebspartner. Alles, was die Gesellschaft verkauft, liefern wir vorerst aus Deutschland.
ItN will sich künftig ganz auf den Bereich der Wasserfiltration konzentrieren und hat den Bereich der industriellen Beschichtungstechnik in die CeraNovis GmbH ausgegliedert. Seit Anfang des Jahres wird CeraNovis über eine M&A-Agentur zum Kauf angeboten. Wie ist hier der aktuelle Stand?
Weiß: Wir sind in einer intensiven Prüfungsphase. Mehr kann man zu gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Das wäre reine Spekulation. Fest steht: Wir wollen den Bereich komplett abgeben. Als Minderheitsgesellschafter hätten wir keinen Einfluss. Und mehr als 50 Prozent wollen wir auch nicht behalten, da wir sonst nach IFRS einen Konzernabschluss erstellen müssten, was für uns als kleine Gesellschaft einen erheblichen Aufwand bedeutet und auch nicht unserer Fokussierung auf den aussichtsreichen Wasserbereich entspricht.
An der Börse ist ItN Nanovation zurzeit etwa 34 Mio. Euro wert. Mit einem Umsatzziel von etwa 8 Mio. Euro für 2013 lässt sich diese Kapitalisierung kaum rechtfertigen.
Weiß: Eine Firma wie ItN wird von Investoren in der jetzigen Phase der Unternehmensentwicklung nicht nach herkömmlichen Umsatz- oder EBIT-Multiples bewertet. Wir verfügen über eine Grundlagentechnologie, die sehr lange gebraucht hat, bis sie – wie jetzt – marktfähig ist. Ich sehe unsere Membrane als eine „Game-Changer-Technologie“. Der Markt ist riesengroß. Wenn die Technik angenommen wird und wir die Marktfähigkeit beweisen – und genau an diesem Punkt sind wir jetzt -, dann ist mittel- bis langfristig ein dreistelliger Millionen-Umsatz pro Jahr absolut realistisch. Dann interessieren sich große Adressen für unsere Technologie und die Patente. Das gegenwärtige EBIT spielt dann überhaupt keine Rolle.
Ihre wichtigsten Aktionäre sind die russische Investmentgesellschaft Rusnano mit 26,6 Prozent, die Brüder Wilfried und Kurt Stoll, Eigentümer des Festo-Konzerns, mit jeweils rund sieben Prozent sowie die Beteiligungsgesellschaft Nanostart mit knapp 18 Prozent. Im Geschäftsbericht wird eine mögliche Neuordnung des Aktionärskreises angesprochen. In welche Richtung könnten sich Veränderungen ergeben?
Weiß: Als Rusnano eingestiegen ist, geschah das vor dem Hintergrund der Kraftwerkstechnologie. Diesen Bereich verfolgen wir aber nicht weiter und haben stattdessen die Wasserfiltration stark in den Fokus gerückt. Damit dürfte sich für Rusnano die Frage stellen, ob wir noch in ihr Portfolio passen. Die Wertpapierhandelsbank Wolfgang Steubing hat Anfang Februar mitgeteilt, dass sie 27,4 Prozent an ItN Nanovation hält, wovon 26,6 Prozent Rusnano zuzurechnen sind. Dahinter verbirgt sich eine bindende Call-Option. Aus dieser Meldungslage leite ich ab, dass Rusnano ihr Engagement möglicherweise nicht mehr langfristig betrachtet.
Wie sieht der ideale Partner für ItN aus?
Weiß: Der ideale Partner für ItN ist jemand, der in der Wassertechnologie zuhause ist, über ein F&E-Portfolio verfügt und eine weltweite Vertriebsbasis hat.
Am 21. August findet die Hauptversammlung von ItN Nanovation statt. Eine Einladung mit den einzelnen Tagesordnungspunkten gibt es noch nicht. Ihr Genehmigtes Kapital ist aber nahezu komplett aufgebraucht. Welchen neuen Rahmen streben Sie hier an? Frisches Kapital benötigen Sie ja wohl.
Weiß: Hierzu kann ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine Aussage treffen. Über diese Punkte wird gerade beraten. Sobald die Tagesordnung steht, werden wir sie veröffentlichen. Natürlich sind wir aber dran interessiert, die Kapitalbasis des Unternehmens für das anstehende Wachstum zu stärken.
Fotos: ItN Nanovation AG
Dr. Christoph Weiß ist seit März 2012 als Vorstandsvorsitzender bei ItN Nanovation tätig. Bei dem Unternehmen aus Saarbrücken verantwortet er die strategische Entwicklung, den Bereich Finanzen sowie das Geschäft mit den Container-Kläranlagen. Von 2001 bis 2006 war Weiß Vorsitzender des Vorstands der TTS Tooltechnic Systems AG & Co KG. Die Gesellschaft firmierte früher unter dem Namen Festo Tooltechnik. Über die Brüder Wilfried und Kurt Stoll ist Festo noch heute maßgeblich bei ItN engagiert. Von 2006 bis 2008 war Weiß Geschäftsführender Gesellschafter bei dem Lebensmittelkonzern Theo Müller. Begonnen hat der Vater zweier Kinder seine Karriere bei der Daimler AG. Anschließend wechselte er zur Beratungsgesellschaft McKinsey. Weiß ist Jahrgang 1956 und verheiratet. Er studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität Erlangen-Nürnberg und promovierte in Politikwissenschaften. Der Manager gilt als Experte für die Neustrukturierung von Unternehmen. Außerdem sitzt er in mehreren Aufsichtsräten – unter anderem bei der börsennotierten Nordwest Handel aus Hagen.